Zahn – aber keine Zeitlücken
Es gibt Menschen, die haben nie Zeit. Heißen nicht Obama oder Madonna, sind aber permanent verplant. Schon deren Kinder: Zahn-, aber keine Terminlücken. Selbst Freundinnen strampeln sich ständig ab. Dachte, die sind doch erhaben über dem Trend der Zeit, sich überall „reinzuhängen“.
Fiel das früher nur nicht so auf? Eine Journalistin hat eine Großfamilie gefragt – Großeltern, Kinder, Enkel, Schwiegersohn und –tochter: Wie hat sich die Erziehung über die Jahre verändert? Besonders haften geblieben ist mir, was Oma Irma der Spiegel-Redakteurin anvertraut: „Ein Wochenende verreisen oder die Kinder bei den Großeltern lassen, das ging mit vier Kindern ja nicht. Ich wäre aber auch nicht darauf gekommen, das Recht auf ein eigenes Leben zu beanspruchen. Unser Leben waren wir alle.“
Schön, dass heute vieles anders ist. Toll, wie sich Technik entwickelt. Schön, wie viel selbstbewusster Menschen heute sein können, egal woher sie stammen. Und doch bin ich manchmal sprachlos. Warum jeden Geburtstag ganz besonders feiern? Weshalb müssen tolle Reiseziele möglichst weit weg liegen? Schaffen Menschen mehr, wenn sie mailen anstatt miteinander zu sprechen? Was ist der Preis für immer besser, weiter, schneller?
Mir gefällt die Dreistigkeit des Seins nicht. Wie Menschen meinen, was ihnen zusteht. Einfach so, per se. Wie im Mail-Zeitalter selbst persönliche Anfragen einfach unbeantwortet bleiben. Ein Kommunalpolitiker berichtet mir: „Ich sage auch ab, wenn ich eingeladen werde. Nicht nur zu. Und alle sind erstaunt. Der meldet sich auch, wenn er nicht kann???“
Was (auch uns) aber hilft, ist sich selbst zu fragen: Halten wir oft genug inne, achten den Moment? „Einfach“ öfter mal inne halten, den Moment achten. Gar nicht so leicht. Mein persönlich wertvollstes Geschenk in diesem Jahr war ein selbst gemachter Kalender mit vielen tollen Fotos. Sein besonderer Reiz aber ist: Die Bildergeschichten, die er pro Kalenderwoche erzählt, sind gespickt mit Weisheiten alter Philosophen oder Redewendungen. Beispiel: „Wenn wir die Ruhe nicht in uns finden können, ist es zwecklos, sie anderswo zu suchen.“ Mit Hand selbst geschrieben, ein wahres Geschenk…
Richtig perplex sind wir dann, wenn uns unsere Kinder etwas zeigen. Etwas, das wir im Alltag schlicht übersehen. Dann denken wir: Das kann doch nicht wahr sein, warum sehen wir das nicht mehr von alleine? Und sind dankbar, von so kleinen Menschen auf so viel Großes, Wundervolles aufmerksam gemacht zu werden!
Illu: Ela Mergels. www.elaela.de
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