Tsunami: Wie kann ich ein Trauma überwinden?
Was Gabriele Hertlein erfahren ist, wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Ihre erste Reise nach Thailand endete mit dem Tsunami. Das traumatische Erlebnis hat ihr Leben erschüttert, doch sie hat gelernt, es zu integrieren und auf positive Weise damit zu leben. Sonja Ohly hat bei der Buchautorin nachgefragt.
Gabriele, was fasziniert dich an Thailand?
Ein tiefer innerer Wunsch trieb mich 2004 nach Thailand, ins Land des Lächelns. Es ist wunderschön dort, mit beeindruckenden Landschaften, das herrlich warme Meer und die herzliche Freundlichkeit der Thais – paradiesisch.
Du hast dort aber auch die Hölle erlebt?
Ja, am Morgen des vorletzten Tages meiner Thailand-Reise 2004 wachte ich davon auf, dass sich der Boden meines Hotelzimmers bebend bewegte. Als ich beim Frühstück saß, sah ich Leute vom Strand weg laufen. Die rennenden Menschen riefen „Water is coming!“. Es war Wasser, das mit höchster Wucht wie eine lebende Wand vom Meer her gespült wurde. Die grauenvolle Zerstörung durch die Macht der Killerwelle erschütterte mein Sicherheitsgefühl. Obwohl wir durch die unsägliche Hilfe der Thais aus dem Krisengebiet fliehen konnten, ohne körperlich verletzt zu werden, wirkte sich das traumatische Erlebnis bei mir als posttraumatisches Stress-Syndrom aus.
Wie hast Du es geschafft dieses Erlebnis zu verarbeiten?
Wir hatten das Glück, von den Thais begleitet und fürsorglich umsorgt zu werden, was bei einem Trauma besonders wichtig ist. In der Zeit direkt nach einem traumatischen Erlebnis zeigt sich, welche Ressourcen wir zur Bewältigung von schwierigen und beeinträchtigenden Ereignissen besitzen. Wenn wir lernen uns Hilfe zu holen, lässt sich ein Trauma leichter bewältigen.
Das Leben bietet uns immer wieder Ereignisse, die uns bereichern können – auch wenn wir uns dessen erst nicht bewusst sind. Ich bin davon überzeugt, dass wir aus allem, was uns begegnet, etwas lernen können – wenn wir dies als Chance sehen. So habe ich damals auch das Erleben des Tsunami betrachtet.
Ich habe viel darüber gesprochen und geschrieben, um das, was ich erlebte, zu verarbeiten. Dabei zu verstehen, was sich in mir abspielte, half mir eine ambulante Therapie. Ich lernte, dass es bestimmte Symptome gibt, die nach einem Trauma ganz „normal“ sind. Beispielsweise konnte ich mich nicht mehr konzentrieren und fühlte gar nichts mehr.
Was hast Du während Deiner Therapie gelernt?
Eine Lernerfahrung bestand für mich darin, dass es wichtig ist, mich meinen Ängsten zu stellen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg, seine eigene Art, um schwierige und traumatische Situationen zu bewältigen. Mir war es beispielsweise nicht möglich, Berichte über den Tsunami anzuschauen, während dies für andere Betroffene eine gute Hilfe zur Verarbeitung darstellte.
Um mein Wasser-Trauma zu überwinden, lernte ich tauchen, was die größte Herausforderung in meinem Leben darstellte.
Du bist schnell wieder nach Thailand gereist, richtig?
Genau, mir war es wichtig, bald wieder dorthin zu reisen. Es beruhigte mich zu sehen, dass das, was in meiner Erinnerung gespeichert war, Wirklichkeit war. Zum Beispiel war ich mir in Deutschland nicht mehr sicher, ob der Weg, den ich von den sich aufbäumenden Wassermassen geflohen bin, so lang war, wie ich ihn erinnerte. Auch beruhigte es mich zu sehen, dass auf die Zerstörung der Wiederaufbau folgte. Jedenfalls ist es sehr wichtig, seinen eigenen, individuellen Weg bei der Trauma-Behandlung zu gehen.
Wie geht es weiter für dich?
Ich habe ein Buch geschrieben, um meine Erfahrungen zu teilen. Darin beschreibe ich unterhaltsam und humorvoll meine zehnte Thailandreise. Ich lasse aber auch einfließen, wie es mir gelungen ist, mein Trauma zu überwinden, wie ich es gut in mein Leben integrieren konnte und nun auf positive Weise damit lebe. Um dem Buch einen angenehmen „Ton“ zu geben, schildere ich mein Erleben des Tsunami erst am Ende.
Wusstet Ihr:
- Die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatalogie beschreibt das posttraumatische Stress Syndrom wie folgt: Traumatisierende Erlebnisse können Spuren in der Psyche eines Menschen hinterlassen. Dies geschieht meist unabhängig von den individuellen Fähigkeiten der Betroffenen, Krisensituationen zu meistern. Posttraumatisches Stresserleben ist nicht unnormal oder ein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal dafür, dass das Gehirn bemüht ist, Erlebtes zu verarbeiten.
- Hier erfahrt Ihr etwas über Behandlungs- und Therapie-Möglichkeiten. www.t-i-z.de/trauma-info/
- Erst mal in das Buch rein lesen? www.hertlein-thailand-buch-tsunami.de
Wohin meine Gedanken mich führen – Thailand-Reise im Schatten des Tsunami
von Gabriele Maria HertleinTaschenbuch, 388 Seiten
EAN/ISBN-13: 9783958400160
ISBN: 978-3-95840-016-0
Preis: 14,95 €
www.hertlein-thailand-buch-tsunami.deDas Buch ist auch als e-book erhältlich.
Gastautorin Gabriele Maria Hertlein ist 50 Jahre jung und in der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften tätig, bietet Supervision und Coaching an und ist Fachautorin. Sie lebt im malerischen Uffing am Staffelsee und reist sehr gerne, bevorzugt nach Thailand und in Gebiete, in denen sie tauchen kann. Sie bezeichnet sich selbst als Weltenbürgerin, die das Leben genießt.
Sonja Ohly hat das Interview dokumentiert.
Fotos: Gabriele Maria Hertlein
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