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Je suis – ja wer eigentlich? — 7 Kommentare

  1. Flagge zeigen, aber wie? Eine gute, wichtige Diskussion hier auf diesem Blog, mit ehrlichen und offenen Meinungsäußerungen. Die sowohl die Haltung jener verdeutlicht, die mit kleinen, einfachen Zeichen wie ihrem Facebook-Profilphoto ein Signal aussenden wollen ins Soziale Netzwerk, als auch das Unverständnis jener anderen, denen das zu billig und einfach erscheint. Ich empfinde für beide Positionen viel Sympathie, und auch dies zeigt meine und unser aller Hilflosigkeit und Suchen nach Antworten. Aber das ist das eigentlich Entscheidende: Mitfühlen und dies zeigen, wie auch immer.

  2. Welch großartiger Beitrag hier, der behutsam das große Ganze thematisiert: Unsere Haltung, den Umgang, die Courage und das Handeln angesichts der Geschehnisse -weltweit im übrigen – die uns im Mark treffen.

    Persönlich war ich eine Sekunde in Versuchung, probierte die App aus. Und dachte bei mir genau dies: Und wie lange bliebe ich in dreifarbig? Was ist mit meinem Bekunden für Andere, deren Schicksal mich nicht minder betroffen macht? Den Syrern und Afrikanern, die ich kennenlernte? Es fühlte sich einfach nicht stimmig an für kurze Zeit diese Form des Statements zu wählen. Statt dessen diskutieren wir mit unseren Kindern und Freunden. Sammeln weiterhin sinnvolle Spenden z. B. und sind bemüht, das Empfinden der Ohnmacht umzuwandeln in mehr politische Wachheit. Friedfertigkeit im täglichen Umgang und das Streiten FÜR nicht GEGEN eine Sache.

    Jedoch – wenn ich die vielen FB- und Twitter-Bilder sehe, dann freue ich mich auch über die vielen Signale, die Gemeinschaft symbolisieren.

    Je suis – human!

  3. Ich fühle mich gerade etwas hilflos und verängstigt den aktuellen Geschehnissen gegenüber, der Menschheit gegenüber, wir Menschen, den Schrecken unseres Daseins gegenüber… Die Anschläge in Paris haben mir die Angst vor Augen geführt, die Bedrohung, wie nah sie ist und wie machtlos wir sind. Auch unsere Regierungen… Und ich bekomme noch mehr Angst, wenn ich von Kampfansagen höre oder lese.
    Ich habe meine Profilbilder in den verschiedenen Kanälen bewusst nicht geändert. Dies ist nicht meine Art, mein Mitgefühl auszudrücken. Denn ich hätte dabei das Gefühl, andere Notleidende bei dieser Aktion auszuschließen. Ein Foto von einer Kerze, ein Blogbeitrag mit sprachlosen Worten…
    Nach dem Schock besinne ich mich so langsam wieder meiner Kraft, meinen Möglichkeiten, meiner Liebe und meiner Kreativität, meiner Zuversicht…
    Wenn jeder seinen machbaren Beitrag leistet, dann sind wir eine Gemeinschaft, dann sind wir stark und voller Liebe.
    In diesem Sinne, zuversichtliche Grüße, Doreen

    • Ich kann sehr gut das momentane Gefühlschaos nachempfinden, das Doreen beschrieben hat, denn es geht mir ähnlich. Viele Fragen, Zweifel, verwirrende Gedanken, und wenige Antworten. Dennoch komme ich im Hinblick auf die Facebook-App bei einer Aussage ins Grübeln. Zitat: „Denn ich hätte dabei das Gefühl, andere Notleidende bei dieser Aktion auszuschließen.“ Hieße dies denn dann in letzter Konsequenz nicht auch, einem einzelnen Hilfsbedürftigen nicht helfen zu wollen, wenn wir allen anderen Hilfsbedürftigen nicht genauso helfen? Einer Bettlerin am Straßenrand deshalb kein Almosen zu geben, weil wir nicht auch allen anderen Bettlern etwas geben? Natürlich war dies nicht als Schlussfolgerung beabsichtigt, das belegen auch alle anderen Aussagen in jenem Kommentar! Denn wir stimmen überein: Jedes Signal von Mitgefühlt ist begrüßenswert und gut, auch wenn es vielleicht selektiv erscheint. Die Form muss jeder individuell entscheiden. Hauptsache, wir stellen uns sichtbar an die Seite der Betroffenen und Notleidenden, sowie entschieden gegen die nun wieder aufschäumende Hetze der Wutbürger.

      • Dieter, ja, das ist ein guter Punkt. Hier ist für mich wahrscheinlich der Unterschied in der ‚Bewegung‘ der Massen… Aber ich möchte garnicht so viel darüber diskutieren, wie wir Mitgefühl zeigen können. Wichtig ist, dass wir Mitgefühl zeigen und dabei bleiben, uns nicht im Hass verlieren. Ich rede jetzt von wir, weil ich damit zum Ausdruck bringen möchte, dass das wir sind, wir Menschen. Für mich wäre es jetzt zu einfach ‚die anderen‘ zu sagen.
        Vielen Dank für Deine Anregung. Ja, ich helfe einzelnen und kann nicht allen helfen. Und wenn wir uns gegenseitig helfen, uns in unserer unmittelbaren Umgebung, dann haben wir viel erreicht.
        In diesem Sinne wünsche ich einen kraft- und liebevollen Tag.

  4. Jetzt liegt der Tag dieser Anschläge mehr als zwei Wochen zurück, und ich denke, wir können mit diesem Abstand diese frage noch einmal diskutieren. Ja, ich hatte auch diese blauweißrote Jalousie vor meinem Profilbild, und ich stehe dazu, wie ich auch dazu stehe, mit einer schwarzen Krawatte zu einer Beerdigung zu gehen. Die trägt man ja auch nur „temporär“. Der Zeitraum hängt davon ab, wie nah einem die gestorbene Person stand. Und man muss sich weder für den Umstand rechtfertigen, dass man sie trägt, noch dafür, wie lange man sie trägt. Noch dafür, dass man nicht gleichzeitig um alle anderen Menschen trauert, die durch Gewalteinwirkung, unmenschliche Lebensbedingungen oder eben aus biologischen Gründen gerade sterben oder gestorben sind. Wer das fordert, versteht nichts von Gefühlen. Ich muss mich auch dann nicht für meine Trauerkleidung rechtfertigen, wenn ein beachtlicher Teil derjenigen, die sich in der Kirche, am Grab oder bei einem offiziellen Trauerakt mit Trauerinsignien versammeln, schlicht heuchelt und mit der Krawatte – die Leserinnen mögen ein adäquates Kleidungsstück einsetzen – genau diese Heuchelei verdeckt. Oder es nur tut, „weil sich das eben so gehört“. Es ist ein Zeichen der Ehrerbietung vor dem Leben des/der Toten, wenn man ihm/ihr nicht so nahe gestanden, sie/ihn aber gut gekannt hat.
    Die blauweißroten Profile sind eben die Facebook-Krawatten. Im Fall von Paris, einer Stadt, die mein Frankreich- und Freiheitsbild stark geprägt hat, möchte ich nur hier für mich differenziert erklären, dass ich weniger die Fahne (virtuell halbmast) gehisst habe, weil ich um die Opfer trauere, sondern um zu dokumentieren, dass mir die Werte, die diese Fahne repräsentiert, sehr viel bedeuten. Man kann gegen die Französische Revolution viel vorbringen und erntet dafür bei mir wenig Widerspruch. Bestehen bleibt aber, dass sie ein wesentliches Konstituens dieser offenen, freien Gesellschaften war, in denen wir hier jetzt schon seit 70 Jahren ohne Krieg leben dürfen, und dass genau diese Werte in Paris angegriffen wurden. Und jede/r, die/der mich kennt, weiß: Wenn ich diese Fahne hisse, plädiere ich nicht gleichzeitig für Imperialismus (Napoleon), Kolonialismus (späte Könige) oder die Ermordung Tausender durch den Wohlfahrtsausschuss. Übrigens auch nicht dafür, Syrien jetzt mit noch mehr Bomben kaputtzumachen, obwohl ich militärische Aktion dort grundsätzlich nicht für falsch halte. Ähnliches gilt übrigens auch für das Absingen der Marseillaise, ungeachtet martialischer Passagen im Text. Wenn jemand richtig wissen will, wie Freiheitsgefühle gehen und wie unentbehrlich sie für „pursuit of happiness“ sind, soll er sich die einschlägige Passage in „Casablanca“ noch einmal anschauen. Der ganze Film ist ein Gewinn gerade in dieser Zeit.

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