Schluss mit Jetset – jetzt Basics in Kambodscha
Man hält ja nicht immer Kontakt mit seinen ehemaligen Schulfreunden, aber es gibt Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist mein Schulfreund Michael Wenz. Wir waren im gleichen Englisch Leistungskurs bei Frau Trippensee. Michael sprach amerikanisches Englisch, daran kann ich mich heute noch gut erinnern. Während Frau Trippensee auf ein Queens Englisch achtete, machte sie bei Michael eine Ausnahme. Grund: Er war ein Sunnyboy; groß, blond, blauäugig –mit einem immer währenden Lächeln auf den Lippen. Heute beschäftigt er sich mit Basics in Kambodscha.
Nach dem Abitur trafen wir uns noch einmal in Dubai. Michael war in Luxemburg als Financial Software Key Account Director sehr erfolgreich – und dann war Funkstille für viele Jahre. Bis eines Tages eine Weihnachtskarte aus Florida von ihm eintraf. Witzig, dachte ich, was verschlägt ihn denn dorthin? Nach weiteren zehn Jahren bekam ich dann während eines Aufenthaltes in Deutschland die Antwort. Mein Handy klingelte, dran war Michael. „Wollen wir uns mal treffen?“, war seine Frage. Er sei auch gerade in Deutschland. Neugierig wie ich bin, sagte ich dem Treffen zu.
Und dann saßen wir uns nach 25 Jahren wieder gegenüber. Es war schon interessant, wie man Menschen im Gedächtnis behält. Michael hatte sich verändert. Natürlich war auch er älter geworden und er lächelte noch immer wie früher – aber eine grundlegende Veränderung war in ihm vorgegangen. Ernster, zielstrebiger, engagierter kam er mir vor. Etwas schien ihn anzutreiben. Es dauerte nicht lange und ich erfuhr von seinem Cambodia Project.
Michael hatte in 2006, als 48-Jähriger, sein Leben total umgekrempelt. Schluss mit Software, Schluss mit Jetset und High Life – er begann in den USA Traditionelle Chinesische Medizin zu studieren und ließ sich zum Akupunkteur ausbilden. Anderen Menschen zu helfen, das stand jetzt in seinem Lebensmittelpunkt.
Basics in Kambodscha
2012 reiste er das erste Mal nach Kambodscha. Die Regierung Pol Pot’s und der Roten Khmer haben zwischen 1976 und 1979 etwa 1,4 bis 2,2 Millionen Menschen getötet. Das Resultat sind extrem viele Waisen und unterprivilegierte Kinder, für die eine medizinische Versorgung unerschwinglich ist.
Genau hier findet Michael seine Berufung, sein Cambodia Project wird ins Leben gerufen. Er gründet eine gemeinnützige Organisation in den USA und beginnt, den Kindern in Kambodscha zu helfen. „Ich brauche nicht viel, meine Akupunkturnadeln sind leichtes Reisegepäck, aber bei einer Schmerztherapie ein wirksames Mittel“, erzählt er mir bei einem Kaffee.
Fasziniert höre ich seinen Geschichten zu, schaue mir Details und Fotos auf der Webseite an. Es sind oft Geschichten, die mich traurig stimmen. Wie privilegiert sind wir und unsere Kinder, allein wenn es um den Zugang zu ärztlicher Hilfe geht …
Michael sieht es anders, er möchte helfen, dass es diesen Kindern besser geht. Darin sieht er seine Aufgabe. Es fängt bei Hygieneberatungen der Mütter an und oft ist er es, der bei Notfällen seinen Freund im Krankenhaus um Hilfe für die Menschen bittet, die eine notwendige Operation nicht bezahlen können.
Wie er das alles bezahlt, möchte ich von Ihm wissen. „Wir sind auf Spenden angewiesen,“ sagt er. „Ich lebe bescheiden, wir brauchen keine teuren Medikamente, insofern helfen uns schon kleine Beträge. Erst kürzlich hat ein ehemaliger Geschäftskollege eine größere Summe gespendet, somit werde ich im August wieder nach Kambodscha fliegen.“
Michael ist zuversichtlich, dass er es schafft. Seine Vision ist es eine Organisation aufzubauen, die das Cambodia Project auch in anderen Ländern aufbaut. Er hat noch viel vor.
Das Gespräch hat Sonja Ohly aufgezeichnet.
Fotos via Website: Michael Wenz