Alt und weise? Auf jeden Fall: anders!
Neulich machte mich mein Arzt etwas schräg von der Seite an: „Wollen Sie denn wirklich schon alt werden?“ Das „schon“ hätte er sich sparen können. Ansonsten lag mein meist freundlicher und schätzungsweise etwa gleichaltriger Orthopäde aber richtig: JA! Will ich. Denn es macht frei, also das Älterwerden, denn ich muss nicht mehr alles machen, was ich früher so wichtig fand.
Was macht man ‚plötzlich’ alles, wenn man mitten im Leben steht? Man rennt, s.o., häufiger zum Arzt, als einem lieb ist. Man isst weniger Pommes, mehr Grünzeug. Die neue Matratze kommt früher ins Haus und die Freude über Komplimente wie „Das hätte ich jetzt aber nicht gedacht bei Deinem Alter…“ ist manchmal echt. Wenn man sein Geburtsjahr online in einer Maske sucht, muss man länger scrollen. Und apropos Lebensjahre: Geburtstagsfeiern organisiert man gern zu zweit oder zu dritt. „Wir laden zum 100.“ liest sich netter als zum 50., oder? Und nach einer durchgemachten Nacht, was irgendwie seltener vorkommt als früher, braucht man gefühlt mindestens zwei Tage, um wieder richtig auf dem Damm zu sein.
Früher Skihaserl, und heute?
Doch zurück zum Düsseldorfer Knieexperten. Den sah ich nach meinem Skiunfall Anfang des Jahres häufiger als Teile meiner Familie. Neulich fragte er: „Und, ist der nächste Skiurlaub schon gebucht?“ Wie aus der Pistole geschossen konnte ich retournieren: „Ja, klar.“ Um schnell anzufügen: „Aber ich werde nicht mehr auf die Piste gehen.“ Ratloser Blick seinerseits, und dann dieser verbale Hieb zum Thema: älter werden. Der Doc, selbst passionierter Alpinist, konnte partout nicht verstehen: Mir ist nicht mehr nach Skihaserl zumute. Aus die Maus.
Aber mal im Ernst, was ist eigentlich so seltsam daran, mit der Zeit alte Vorlieben zu lassen, neue zu beginnen – und dabei gar keine Reue zu spüren?
Gut, auch ich habe Freunde, die wie meine Blogger-Kollegin Sonja, erst spät mit Sportarten wie dem Wintersport anfangen. Finde ich klasse! Ich freue mich mit ihr, wenn sie über ihre Fortschritte „stolz wie Bolle“ ist und sie „das Skifoarn-Fieber gepackt hat“. Alles schon erlebt, diese Blicke über schneeverwehte Bergkämme – und auch das deftige Apres-Ski hat mir gefallen… Genauso aber freue ich mich schon jetzt darauf, im kommenden Winter in die wohlig-warme Wellness-Abteilung unseres Hotels einzutauchen. Eine herrliche Vorstellung:
Morgens family and friends fröhlich hinterherwinken, wenn sie dick verpackt ins Skigebiet stampfen; um dann selbst, in weichen Hotelschläppchen, in den Spa zu hüpfen. Höchste Verwöhnstufe. Und mittags zum Bummeln ab nach Innsbruck.
Warum nicht wieder wedeln?
Ich sehe es so: Manche Sachen dürfen sich mit der Zeit ändern. Klar KÖNNTE ich anders und auch mit dreifach ramponiertem Knie, das nach einem Jahr gut verheilt ist, wieder wedeln gehen. Aber warum? Möchte ich mir zeigen, dass ich es wieder kann, vielleicht sogar besser? Sollte ich meine Angst, dass es wieder kracht, überwinden lernen, weil „so was“ ja statistisch gesehen nicht noch mal passiert?
Ich freue mich heute mehr denn je daran: Jeder bitte nach seiner eigenen Devise. Für mich ist das Kapitel ‚ Ski’ nach 45 Jahren geschlossen. Wenn andere den wunderbaren Mix aus Schnee, Jagertee, verfrorenen Zehen und Piz Buin (weiter) genießen wollen – bitte sehr.
„Jede Jeck es anders“, sagen die Kölner. Das steht nicht nur im Rheinischen Grundgesetz, für mich ist da echt was dran.
‚Ich darf’ statt ‚Ich muss’
So fühlt sich das Älterwerden bei mir an. Manche Dinge packe ich aus Überzeugung nicht mehr oder anders an. Manche auch ganz neu! Man darf immer dazu lernen. Wer sich das sagt, und vor allem statt ‚muss’ das Wörtchen ‚darf’ benutzt, ist fein raus. Dann versteht auch hoffentlich der Doc, dass ich gerne alt werde und mich dabei ganz ohfamoos fühle.
Foto: das verraten wir heute ausnahmsweise nicht