Weihnachten – romantisch oder online einkaufen?
Das alljährliche Fest der Feste – von betörendem Bratapfelduft bis zu zerstörenden Familientragödien bietet es vielerlei Tummelplätze, sich in Liebe und Hiebe zu ergötzen. Da werden Gänse gestopft, Tannen verziert und die Großeltern verteilt. Eine Schlacht will zudem im vorweihnachtlichen Wahnsinnstrubel noch rechtzeitig geschlagen werden: die des Schenkens. Süßer die Kassen nie klingeln, als in der konsumfreudigsten Zeit.
Ich oute mich als Weihnachtsromantikerin. Eine lange Tafel mit lieben Gästen, lustigen und guten Gesprächen und Geschichten. Köstliche Speisen, ein Baum bis unter die 6 m hohe Decke, Rotwein und klangvolle Musik. Nach dem Gang in die Kirche liebevoll ausgesuchte und verpackte Geschenke verschenken – gerne in epischer Dauer. Ach, ich liebe es zuzuschauen, ob meine Wahl eine gute war. Erschöpft aber selig nippe ich dann an meinem Roten und bin dankbar für einen gelungenen 24. Dezember.
Amazon oder Stadtbummel?
Zugegeben, die Wochen davor verfluche ich manchmal. Besonders in Hektik Geschenke zu besorgen. An Ideen mangelt es selten. Aber für den beschaulichen Weihnachtsbummel fehlte in den vergangenen Jahren im Alltagstrubel oft die Zeit. Auch ich mutierte zur Online-Shopperin.
Oft war ich froh, im Netz auf nächtlicher Shopping-Tour die Objekte der Begierde per Mausklick in mein häusliches Geheimversteck befördern zu können.
Ich würde sagen – rund 6 von 10 Präsenten besorgte ich auf den digitalen Marktplätzen. Effizient, zielführend, manchmal kostengünstiger. Mit einem etwas schalen Nachgeschmack, leisen Gewissensbissen, wenn ich meinem Buchhändler des Vertrauens beim Besuch in die Augen sah und dem Wissen um verheerende Arbeitsbedingungen bei Amazon, Hermes & Co. Nervenschonend, so die Rechtfertigung vor mir selber. Und überhaupt – ich bin schließlich internet-affin und das sind eben die Zeichen der Zeit.
Romantisch konsumieren?
Nun steht auf meiner Einladung zum gemeinsamen Feiern vom 24. bis 26. Dezember seit eh nicht etwa: Belohnung für erfolgreiches, vorweihnachtliches Effizienz-Training. Sondern tatsächlich: Ich möchte in Liebe miteinander das Fest der Liebe feiern. Jeder nach seinem Glaubenssatz. Und ich zelebriere in diesem Jahr die Adventszeit mit allem Drumherum sehr entschieden: Kerzen, Plätzchen, in Ruhe Musik hören, Familienausflüge auf einen ausgesuchten Weihnachtsmarkt. Meine Girls, 15 und 11, fanden den Nachmittag neulich, an dem wir Lebkuchen-Häuschen bastelten, richtig toll.
Ich habe mir schon zwei Mal Zeit genommen, in Ruhe Geschenke zu besorgen. Kürzlich war ich lange in einem Fachgeschäft für Künstler- und Bastelbedarf. So viele Dinge habe ich angefasst, verglichen, mit 3 Beschäftigten dort gesprochen und tatsächlich die Zeit ein wenig vergessen. Meine Trophäen habe ich sehr zufrieden nach Hause getragen. Danach reservierte ich gleich zwei weitere Shopping-Termine im Kalender, einen davon mit anschließendem Besuch im Weihnachtskonzert. Um dem Convenience-Faktor „Internet-Shopping“ bestmöglich zu widerstehen. Denn es hat mir so viel mehr Vorfreude auf das Fest beschert, „romantisch zu konsumieren“.
Der Wunschzettel verkommt zur Bestellliste
Apropos Romantik – wir haben ein Ritual: Der Wunschzettel soll schön gestaltet und ordentlich geschrieben sein. Dann sollen die Dinge darauf mit 3, 2, 1-Sternchen gekennzeichnet werden á la Herzenswunsch, großer Wunsch, kleiner Wunsch. Was am Ende unterm dem Tannenbaum liegt, bleibt eine Überraschung. Und diese kribbelige Vorfreude baut sich in rund vier Wochen herrlich auf. Geldgeschenke oder Gutscheine gibt es so gut wie nie – ich mag sie nicht besonders. Warum fällt es Vielen so schwer Geschenke auszuwählen? Es braucht zwar etwas Phantasie, im Grunde aber nur den bewussten Blick für die, die wir beschenken wollen. Und Aufmerksamkeit. Echtes Zuhören. Ich mache mir im Laufe des Jahres Notizen, wenn eine Freundin oder mein Mann sagen „Das finde ich toll“. Dass das Schenken mittlerweile vielerorts zum Bestellvorgang mit logistischer Verschlankung degradiert wurde, finde ich echt bedenklich!
Es ist doch so: Online zu shoppen ist bequem. Es schont Nerven und ist womöglich etwas preiswerter. Es schenkt Zeit für Stunden, in denen wir entspannen oder weiteres rasch noch erledigen. Aber ich finde:
Im Internet einzukaufen ist einsamer und entfernt vom Kern der himmlischen Saison: Besinnlichkeit.
Deshalb gilt für mich dieses Jahr: Gespräche mit Kundenberatern, das Anfassen von Dingen, Erkennen von Wert und das Verpacken der schönen Dinge. Ich jedenfalls finde es ganz ohfamoos, einen Großteil meiner Präsente in diesem Jahr so „oldschool“ zu besorgen. Und freue mich schon auf mein alljährliches Vorweihnachtsritual: Dazu mache ich feine Jazzmusik an, schenke mir ein Gläschen ein, drapiere alle Geschenke um mich herum, bestaune sie und fange dann an, eines nach dem anderen genüsslich zu verpacken.
Ein paar Fakten zum Online-Shopping:
- Insgesamt werden laut Handelsverband Deutschland gut 91 Milliarden Euro im Weihnachtsgeschäft umgesetzt, davon über 12 Milliarden Euro online.
- Experten schätzen, dass die Online-Weihnachtsumsätze dieses Jahr um 12 Prozent, die im stationären Handel um 1 Prozent steigen werden.
- Sieben von zehn Bundesbürgern kaufen ihre Weihnachtsgeschenke lieber stationär als beim Onlinehändler (Umfrage EY).
- Für den stationären Handel sprechen emotionale Gründe: festliches Ambiente, ein Bummel über den Weihnachtsmarkt und die Möglichkeit, sich Inspirationen für Geschenkideen zu holen sowie die persönliche Beratung in den Fachgeschäften.
- Rationale Argumente sprechen für den Einkauf im Netz: Preis, größere Auswahl und Bequemlichkeit.
- Je höher das Einkommen, desto höher die Bereitschaft, Weihnachtsgeschenke online zu kaufen.
- 54% aller Befragten einer EY-Studie verschenken Gutscheine oder Geld.
- Unterm Weihnachtsbaum außerdem vor allem Präsente, die ohnehin überdurchschnittlich oft im Netz gekauft werden: Bücher, DVDs, CDs, Unterhaltungselektronik oder Spielzeug.
- Amazon suchte für das Weihnachtsgeschäft 2016 mehr als 13.000 Saisonarbeitskräfte.
Text: Cornelia Lütge
Cornelia beweist mit diesem Beitrag einmal wieder, wie gut sie schreiben und beobachten, aber auch reflektieren kann. Und besonders freue ich mich, dass so schön auf ältere Artikel verlinkt ist. Die Story unserer Gastautorin Christine z.B. ist wunderschön und die Erinnerungen von Gastautor Dieter ebenso. Danke für diesen vorweihnachtlichen Genuss!
Die älteren Artikel zu entdecken, die ich teils noch gar nicht kannte, war mir ein Fest, liebe Elke! Einmal mehr staune ich über die vielen, ohfamoosen Geschichten bei uns. Ach ja – merci pour les fleurs! <3
Weihnachten, oh du fröhliche, oh du selige, segenbringende Weihnachtszeit …….ups.
Das ist gemeinsamer Wunsch aller Feiernder.
Geschenke gehören natürlich auch dazu. Zu Zeiten, als das Weihnachtsfest im christlichen Kulturraum noch jung war, waren Geschenke wenn überhaupt Gastgeschenke, Ausdruck des Respekts dem Gastgeber gegenüber. Erst mit der Zeit haben sich gegenseitige Gaben durchgesetzt.
Und erst im 19. Jahrhundert wurde der Handel auf den stetig wachsenden Markt aufmerksam. Übrigens damals schon als Onlinegeschäft, zwar auf Basis gedruckter Kataloge, aber immerhin. Seitdem hat Handel und Werbung unser Denken und Handeln fest im Griff.
Aus den Gaben wurden Geschenke, aus den Überraschungen wurden Erwartungen, und wehe, die werden nicht erfüllt. So wird aus manch besinnlicher Familienfeier ein Abgrund aus Enttäuschungen, Vorhaltungen und Missstimmung. Ist das noch der Geist der Weihnacht?
Im Banne der Geschenkeindustrie und der inneren Zwänge niemanden zu enttäuschen, artet die Vorweihnachtszeit in eine hektische Phase der Unsicherheit aus. In einer Zeit des Überflusses wird es zunehmend schwieriger sich selbst gerecht zu werden, geschweige denn allen Anderen.
Jedem das Seine – aber mal ehrlich wie sehen eure richtigen und wichtigen Wünsche für euch selbst. eure Verwandten und Freunden aus?
Klar, wenn man sich nur einmal im Jahr sieht, wenn Kinder beruhigt werden wollen, ist Weihnachten sicher die Zeit das nachzuholen, was man über das vergangene Jahr versäumt hat. Ist das aber richtig, sich von seinen „Verfehlungen“ freikaufen zu wollen?
Geschenke, Gaben sollen doch von Herzen kommen.
In diesem Sinne, wünsche ich Allen ein frohes und besinnliches Fest. 😉