Mut – nicht Häme – braucht das Land
Ich bin entsetzt. Was sich da gerade in diversen Medien und den sozialen Netzwerken abspielt, ist weder harmlos noch lustig. So sehe ich auf Facebook das GIF von einer unglücklichen Melania Trump, was sich als Fake herausstellt, oder das Bild in dem zwei kleine Kinder ein Poster in die Kamera halten auf dem steht: „Fuck Donald Trump“. Kinder vorschieben, was Eltern sich nicht trauen zu sagen? Hallo, geht’s noch? Die Wahrheit ist: Donald Trump hat sich nicht an die Macht geputscht, er ist in einem demokratischen Land gewählt worden. Das seltsame Wahlsystem der USA ist nicht auf seinem Mist gewachsen. Auch ist er nicht für die Gesetze verantwortlich, denen er sich bedienen kann. Die gab es schon vorher.
Aber die USA, und nicht nur die, sind in Aufruhr. Die amerikanischen Frauen zeigen es am deutlichsten und gehen nach der Amtseinführung Trumps in großen Massen auf die Straße – zu spät!
Insgeheim hofft man, dass Trump seine Wahlversprechen nicht einhält – zu spät! Gleich in den ersten Tagen kündigt er das Transpazifische Handelsabkommen, stoppt finanzielle Hilfen für Organisationen die im Ausland Schwangerschaftsabbrüche durchführen, er genehmigt zwei Pipelines, die sein Vorgänger Barack Obama gestoppt hatte, und nimmt die Mauer zu Mexiko in Angriff.
President Trump ist ein klarer Fall von WYSIWYG – What you see is what you get!
Er hält, was er verspricht. Das muss man ihm lassen und ihn ernst nehmen, denn der Narzisst hat eine dünne Haut. Häme und Spöttelei helfen da nur wenig und kommen zu spät! Trump benutzt in seiner Politik meisterhaft verschiedene Taktiken, um die Aufmerksamkeit von harten politischen Fragen zu weicheren sozialen Fragen zu lenken. Er bedient sich bei Joseph Overton, dem Politologen. Dessen Konzept Overton Window erklärt, wie eine Idee, die anfangs als extrem betrachtet wird, im Laufe der Zeit durch allmähliche Verschiebungen in der öffentlichen Meinung normalisiert werden kann. Twitter dient Trump dabei als taktische Waffe, er schlägt auf Gegner ein und bläst zur Attacke. Die Medien geben ihm Sendezeit und berichten massenhaft, so wird seine Politik salonfähig. Making America Great Again – eine Idee mit wenig Substanz, aber offensichtlich großem Reiz, denn Amerika hat ihn schlussendlich gewählt.
Ist es für Europa zu spät?
Was heißt das für uns in Europa? Ich persönlich glaube, Trump und seine WählerInnen sind ein Phänomen unserer Zeit. Georg Seeßlen analysiert Donald Trump „als Produkt der Kulturindustrie und verwendet das ‚Modell Trump‘ als Beispiel für den Zusammenhang populistischer Politik und medialer Vor-Bilder. Er zeigt den Inszenierungscharakter in Trumps Auftritten, die irrealen, emotionalen Verabredungen zwischen ihm und seinen Wählern, kurzum: den Popstar im Politiker“.
Trump praktiziert was auch bei uns in Europa passiert. So schreibt Sina Trinkwalder in einem Facebook-Post:
Politiker pflegen Rassismus, Menschenverachtung, treten das Grundgesetz mit den Füssen, schürfen kalkuliert an der Volksverhetzung vorbei und haben eine große Freude daran, Dinge kaputt zu machen. Selbst die Demokratie“.
Aber Sina ruft auch zum Mut auf, denn es stehen im Frühjahr Wahlen in den Niederlanden und Frankreich, im Herbst die Bundestagswahl in Deutschland an. Dazu fand letzten Samstag ein Gipfeltreffen der bekanntesten Rechtspopulisten Europas in Koblenz statt. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sagte vor rund 1000 Teilnehmern, in den USA habe Trump „einen Weg aus einer Sackgasse“ gewiesen – und „genauso wollen wir das für Europa tun“. Es ist den Petrys, Wilders und Le Pens mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen.
Mut braucht das Land
Ich denke, wir sollten Trumps Tiraden nutzen. Er ist ein Weckruf für uns alle. Warum wohl reagieren so viele etablierte Politiker entsetzt? Weil sie nun ihre eigene Politik selbstkritisch auf den Prüfstand stellen müssen! Es wird Zeit, dass wir aus unseren Komfortzonen herauskommen.
Wir sollten nicht zu spät aufstehen, sondern uns jetzt mutig engagieren.
Wir brauchen keine unwissenschaftlichen, psychologischen Ferneinschätzungen, Häme oder Spöttelei zu Trump zu betreiben. Das lenkt nur ab! So lange wir selbst wie die 3 Affen auf der Mauer hocken und zuschauen, hoffend, dass es so schlimm schon nicht werden wird, werden alternative Dinge auch in Europa passieren. Wir brauchen mutige Menschen die sich politisch engagieren, die Verantwortung tragen mit ihrer Stimme, mit ihrem Engagement. Wir müssen uns bewegen, sonst ist es auch bei uns vielleicht – zu spät!
Fotos: @pixabay
Man kann jedes Wort unterschreiben, das Sonja Ohly in diesem Artikel wohlbegründet setzt. Und: ´Häme´ verbietet sich schon aus der Begriffsbedeutung selbst heraus, denn dies steht für ´schadenfreudigen Spott´ – und wer sollte Schadenfreude empfinden, wenn er selbst auch den Schaden trägt! Wir brauchen einen dringend notwendigen und wünschenswerten politischen, inhaltlich fundierten Ruck gegen solche populistischen Tendenzen, auch in Europa. Ob jedoch nicht dennoch und zusätzlich auch eine breite, den Irrsinn entlarvende Reaktion in den Social Media und traditionellen Medien hilfreich ist, auch mit Sarkasmus und Verspottung, muss man fragen dürfen. Das Schwert der ´Lächerlichmachung´ wird zwar als zweischneidig beschrieben, kann aber eben auch wachrütteln und Nachdenkt-Effekte schaffen. Vielleicht brauchen viele Menschen auch zur Zeit ein solches ´Ventil´, um ihr Entsetzen, ihre Ängste und ihre Empörung verarbeiten zu können, hinauszuschreien in die Welt. Ob dies bei den Trump-Anhängern und -Wählern ein Umdenken bewirken kann, wage ich zu bezweifeln. Aber es tut vielen gut, sich auf diese, ihre Weise zu äußern. Und in einer (Meinungs)freien Welt sollte dies erlaubt sein.
Grundsätzlich richtig.
Was wir aber in den „etablierten“ Parteien brauchen sind Menschen die eine klare Sprache sprechen. Eine Sprache die verstanden wird. Wir leben nunmal in Zeiten wo man nicht viel Interlekt braucht um seinen Senf weitmöglichst zu streuen und wo mit simplen Phrasen zufriedene Menschen einfach zu erreichen sind. Darauf muss man sich einstellen. Klare Kante, klare Sprache, simple Logik. Wer damit unterfordert ist findet schon einen Weg um tiefer einzusteigen.
Hallo Thorsten,
das unterstreiche ich, leider wird in den etablierten Parteien nicht immer Klartext gesprochen, was aber teilweise echte Gründe hat. Ich empfehle Dir morgen dazu ein Interview, das ich mit einem „politischen Kommunikator“ geführt habe… 🙂 Der wird Dir aus der Seele sprechen… LG, danke für Deine Meinung.