Ich gönne Trump seinen Erfolg
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Aber wie steht’s mit dem Erfolg? Was ist das? Wer entscheidet darüber? Muss ich in den Augen meiner Familie, meiner Nachbarn oder Kollegen erfolgreich sein? Gastautor Uwe Alschner über eine der wichtigsten und gleichzeitig diffusesten Kategorien im Leben.
Erfolg kann jeder haben. Wer Erfolg sucht, der sollte zu Donald Trump gehen. Trump hat Erfolg im Angebot. Einhundert Milliliter für 65 Euro. Kein Scherz. ‚Success’ heisst das Duftwasser, welches unter dem Namen des umstrittenen 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten verkauft wird.
Ich kann Success nicht riechen. Möglicherweise macht mich das bereits in den Augen von Donald Trump zum Loser – aber ich schlafe dennoch ruhig, weil ich weiß, dass mein Erfolg nicht davon abhängt, welches Duftwässerchen ich auftrage. Wie ist es mit euch? Ich hoffe, ihr wisst, dass euer Erfolg auch nicht davon abhängt. Allein schon deswegen nicht, weil nach dieser Logik Frauen nicht erfolgreich sein könnten, weil es „Success for Women“ nicht gibt.
Ernsthaft, ich frage euch: wisst ihr, was Erfolg für euch bedeutet?
Ich frage nicht: wisst Ihr, was Erfolg ist. Dieser Unterschied ist mehr als bloße Semantik. Erfolg ist relativ, es gibt keinen absoluten Erfolg! Und das ist auch gut so (um es mit Klaus Wowereit zu sagen).
Wann ist Erfolg erreicht?
Wenn ich eine Definition des Begriffes Erfolg vorschlagen müsste, so würde ich etwa so formulieren:
Erfolg ist dann erreicht, wenn sich Anstrengung gelohnt hat. Wenn es Sinn gemacht hat, Energie in ein Vorhaben zu investieren. Ob es sinnvoll gewesen ist (oder sein kann, aus der Sicht ex ante), hängt von Werten ab, die mir lieb und teuer sind.
Diese Werte sind nicht notwendiger Weise materieller Natur. Mutter Teresa hat ihr Leben der Nächstenliebe und Barmherzigkeit für die Schwachen gewidmet. Weil ich sie (leider) nie persönlich getroffen und demnach eine entsprechende Frage nicht gestellt habe, bin ich nicht absolut sicher, doch ich möchte wetten: Mutter Teresa hat ein an Erfolgen reiches Leben geführt.
Donald Trump hingegen sieht seinen Lebenssinn (ausweislich seiner Biografie Art of the Deal) im Handel selbst. Deals zustande bringen bedeute ihm was, schreibt er darin. Auch wenn ich weder die Art von Deals nachvollziehen kann, noch seine Politik mögen muss, gestehe ich zu:
Ob Donald Trump erfolgreich ist, oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Und will es auch gar nicht!
Ich gönne ihm wie jedem Menschen seinen Erfolg! Wirklich jedem. Weil ich überzeugt bin, dass Missgunst, also Neid, vor allem einem schadet: mir selbst. An der guten alten Kölschen Weisheit ist viel dran: Mer muss och jünne künne! Wer dazu (zum Gönnen) nicht in der Lage ist, wird (oder ist bereits) bitter. Und damit nicht mehr in der Lage, sein eigenes Potenzial auszuschöpfen.
Warum das so ist: Auch Neid, Missgunst oder Ärger sind Gedanken, die allein zu denken bereits Energie kostet. Energie, die sich reaktiv in die Vergangenheit richtet auf ein Ereignis, mit dem emotional noch nicht abgeschlossen werden konnte. Diese Energie ist futsch, sie kann nicht mehr positiv für meinen Erfolg investiert werden.
Erfolg hat viel weniger mit Geld zu tun
Um nicht missverstanden zu werden: ich billige damit nicht jedes Mittel und erst recht nicht jedes Ziel von anderen. Aber gerade weil Erfolg viel weniger mit Geld, Reichtum hingegen sehr viel mit Erfüllung zu tun hat, kann ich guten Gewissens jedem Menschen echten Erfolg wünschen: Das letzte Hemd hat keine Taschen, und weil das so ist, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der Mensch mit dem größten Bankkonto am Ende seines Lebens hoffen, ein erfülltes Leben gelebt zu haben.
Eines der wichtigsten Bücher in dieser Hinsicht ist Bronnie Ware’s „Top Five Regrets of the Dying“ über die „fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen.“
Um dem auf die Spur zu kommen, was Erfolg für euch wirklich bedeutet, hilft es nach meiner Überzeugung sehr, einige Zeit und Energie zu investieren: um darüber nachzudenken, was jene fünf Dinge sein könnten, die ihr in eurem Leben tun, sehen oder erleben wollt, um eines hoffentlich fernen Tages ohne Reue auf ein erfülltes Leben zurück zu blicken.
Dann habt ihr ein Gefühl, was Erfolg für euch bedeutet!
Uwe Alschner, Jahrgang 1965, ist Unternehmensberater und zertifizierter Big Five for Life Coach. Er lebt mit seiner Familie in Niedersachsen und Berlin. Hier geht es zu seinem Mybigfive-Blog.
Fotos: privat, unsplash und googleads
…schöner Artikel, passt auch gut zur heutigen Großwetterlage. Erfolg ist auch eng damit verknüpft, Verantwortung zu übernehmen. Für das eigene Leben, für Andere oder für eine Sache.
Die Lindner-FDP hat sich gestern dagegen entschieden, Verantwortung zu übernehmen. Damit sind die Erfolgschancen unserer liberalen Partei für die laufende Wahlperiode bei Null. Ob Herr Lindner das im Hemd ohne Taschen einmal ebenso sehen wird?
Danke für die tollen Anregungen, einmal über die Sache mit dem Erfolg nachzudenken. Sehr zu meinem Leidwesen wird Erfolg heutzutage viel zu oft mit materiellem Reichtum gleichgesetzt. Daher freue ich mich sehr über die Betrachtungen von Herrn Alschner. Vielleicht gefällt Ihnen ja auch meine Definition von Erfolg: Das, was entsteht, wenn man sein Bestes gibt, um eine Sache gut, gründlich und richtig zu machen. Was dabei herauskommt, birgt immer einen Erfolg in sich.
Solange in dieser Gesellschaft Erfolg immer noch eher materiell als spirituell definiert wird, werden die meisten Leute als Gradmesser ihres Erfolgs auch eher ihr Bankkonto heranziehen anstatt ihr personelles Umfeld.
Ein sehr gelungener Denkanstoß, danke, Uwe Alschner! Und eine gute allgemeine Definition für Erfolg: „Erfolg ist erreicht, wenn sich Anstrengung gelohnt hat.“ Besonders wertvoll auch die Anregung, dass jeder für sich von Zeit zu Zeit hinterfragen sollte, ob er „seinen Erfolg“ richtig definiert und an den eigenen Bedürfnissen, also nicht an den gängigen Klischees und Gesellschaftsnormen, misst. Nur bei der Schlussfolgerung, dass „man jedem Menschen seinen Erfolg gönnen sollte“, kann ich nicht mitgehen. Auch einem Terroristen, der akribisch einen Anschlag plant? Einem Trump, dessen Egomanie und Kalkül übelste Ausmaße annimmt? Einer Partei, welche sich bemüht, unsere Demokratie und freiheitliche Ordnung zu diffamieren und die am rechten Rand nach Wählerstimmen fischt? Nein – nicht mit mir! Ich lasse mir nicht einreden, dass meine Verweigerung jeglichen Respekts für solche Erfolge, also mein hier „nicht gönnen können“, mit negativen Worten wie Neid oder Missgunst zu benennen wäre. Ich bin der festen Überzeugung, dass unser Widerstand und unser Verweigern von „Wohlwollen“ für solche Erfolge uns keiner Energie beraubt, sondern positive Energie in uns und für andere freisetzt.
Sehr spannend! Vielen Dank, Dieter, für diesen Einwurf! Er ist wichtig, weil er die tiefer liegende Frage beleuchtet, wie ich [jeder Mensch für sich] Sicherheit gewinnt, auf dem „richtigen“ Weg zu sein.
Erste Grundannahme [im Artikel entwickelt]: diese Tür öffnet sich nach innen. Von außen lässt sich nicht festlegen, ob es echter Erfolg ist. Mutmaßen schon, aber be-urteilen? Ich meine, es gibt keine Instanz auf dieser Welt, die befugt wäre, das für mich [jeder Mensch] zu entscheiden. Es ist MEIN Leben!
Bleibt jedoch die spannende Frage, wie gewinne ich Sicherheit, dass ich dem für mich „wahren, schönen, guten“ Erfolg auf der Spur bin. Und nicht etwa – ähnlich einem Durstenden in der Wüste – einer Fata Morgana, einer Illusion.
Diese Frage ist für mich [jeden Menschen] wichtig, weil es natürlich auch „unechten“ Erfolg gibt. Folgen eigenen Tuns oder Unterlassens, die zu (später) Reue führen. Etwa weil irgendwann die Erkenntnis folgt, dass ich mich von Prinzipien habe (ver-)leiten lassen, die als falsch, verwerflich, asozial oder wie auch immer bezeichnet werden können, und die ich von AUSSEN übernommen habe. Die MIR EIGENTLICH (im tiefen Grund meines Herzens) nichts bedeutet haben.
Bei der Betrachtung dieser Frage kommen wir (wie ich meine) auf eine, auf die metaphysische Ebene. Auf die Ebene der Rückbindung an das, was uns mit dem Ursprung verbindet, aus dem wir stammen, und mit dem wir verbunden bleiben, wie ein Kind immer mit der Mutter verbunden bleibt (auch mit dem Vater, aber um es nicht zu verkomplizieren, will ich diesen Gedanken hier nicht weiter ausführen).
Es gibt eine nicht materiell definierte Ebene nicht nur für Erfolg, sondern auch für uns selbst als Mensch. Dort finden wir die Begründung für ethisch-moralische Prinzipien und Werte. Dort findet sich letztlich die Antwort auf die Sinnfrage. Man muss nicht religiös sein, um diese Ebene betrachten zu können, aber Religionen befassen sich ebenfalls damit.
Um zur Ausgangsfrage zurück zu kommen:
Es gibt gute Gründe, kritische Distanz zu dem zu bewahren, was andere für sich als Erfogsparameter propagieren (hier das Beispiel Trump, der tatsächlich sehr intensiv damit beschäftigt ist, seinen „Erfolg“ der Welt aufzudrücken, zu „verkaufen“. Er scheint sich mit Hingabe damit zu beschäftigen, was „man“ tun und lassen soll. Als Geschäftsman hat er das auf andere Weise betrieben als nun im ungleich machtvolleren Präsidentenamt, aber es scheint ihm wichtig zu sein, speziell seinen „Erfolg“ zum Maßstab zu machen.
Ich respektiere das ebensowenig wie sie! Aber ich AKZEPTIERE es. Weil ich es nicht ändern kann. Und weil ich es nutzen kann, um mich selbst zu hinterfragen. „Ist das wichtig für mich? Möchte ich auch so sein [dieses oder jenes besitzen]? Was nehme ich mit, wenn ich ihn [oder etwas, bzw. jmd] beobachte?“
Wenn ich mir Fragen dieser Art stelle, wird mir klar, was ich möchte, auch was ich nicht möchte. Das von Ihnen erwähnte Terroristenbeispiel ist ebenfalls geeignet, mir diese Unterscheidung zu ermöglichen. Ich kann der Unterscheidung praktisch nicht ausweichen: wie verhalte ich mich dazu? Diese Frage stellt sich mir. Wie sie sich möglicherweise auch Ihnen stellt. Natürlich lehne ich das ab!
Allerdings bezweifle ich auch stark, dass es sich bei einer terroristischen Tat um etwas handelt, was dem „Täter“ im tiefen Sinne ein ERFOLGSERLEBNiS beschert. Ich bin überzeugt, dass da jemand einer Fata Morgana gefolgt ist. Einer schrecklichen Vorstellung von dem, wozu er seine Energie einsetzen solte. Einer perversen Illusion. Aber sehr wahrscheinlich keinem „Erfolg“ im tiefen, wahren Sinne. Nichts, was wirklich zählt.
Hier tut sich ein kognitiv-emotionaler Konflikt in uns auf. Wir (ich) empfinden Unbehagen. Persönlich glaube ich, dass dieses Unbehagen aus dem Spannungsverhältnis herrührt, welches unsere Individualität und unsere gleichzeitige soziale Natur erzeugen und das unser Ego nicht auflösen kann: es geht auf dieser Welt offensichtlich um mehr als nur um uns alleine!
Hier ist noch ein Vorschlag für eine Definition von Erfolg: wir sind dann erfolgreich, wenn wir es schaffen, unser Ego mit der Welt um uns herum zu versöhnen. Das Ego hat ganz natürliche Bedürfnisse. Aber diese Bedürfnisse sind (wahrscheinlich) nicht alles, was wirklich zählt!
Nochmals vielen Dank für Ihren Impuls!
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Gerade lese ich ein Buch mit sehr, sehr klugen Ausführungen: „Die Komplexitätsfalle“ von Maria Pruckner. Und ich gehe komplett mit ihrer Definition von Erfolg:
„Wahrer Erfolg ist immer die Folge eines Gelingens. Das Gelingen entscheidet man nie selbst, das entscheidet immer das System, um das es geht.“