Brötchen? Nicht ohne Deine Nummer!
Alles klar, habe verstanden – die Sache mit dem Nummernziehen für Service ist alter Kaffee. Gibt es international ganz oft und auch in Deutschland nicht nur auf dem Amt. Ein Freund aus alten Schultagen kommentiert meinen Facebook-Post zum Beispiel wie folgt: „Nummer ziehen ist in Argentinien gang und gäbe. Ohne Nummer geht hier nix.“ Genau das ist auch an einer Kölner Brötchentheke so: Erst an einem Automaten eine Nummer ziehen, dann die Brötchen oder den Milchkaffee bestellen!
Ein guter Prozess? Ich frag mich, warum „so was“ gemacht wird. Im Kölner TEMMA, der von REWE 2009 eingeführten Bio-Kette, gibt es diesen knallroten Automaten, weil es zuvor unter den Wartenden heftige Dispute gab; die, so eine Verkäuferin, „man nicht wiederholen möchte“. Der Automat habe die Lage auf beiden Seiten deutlich entspannt.
Nun ist TEMMA schon immer anders gewesen. Aber seht Ihr nicht auch die wenig erfreuliche Tendenz, dass wir alle partout nicht mehr warten wollen, ja können? Diese Wippen und Wackeln an der Supermarktkasse, wenn es sich nur ein wenig staut. Diese mit den Hufen scharren, wenn in einem Geschäft drei Leute vor uns stehen. Wie erklärte mir eine Blumenhändlerin: „Nein, wir binden nicht mehr, wenn nur eine Verkäuferin im Laden ist. Wenn das draußen jemand sieht, kommt kein Kunde mehr rein!“ Ich war allein in diesem Blumenladen, keine Schlange vor oder hinter mir, aber die Floristin blieb hart. Blumen? Ja, gerne. Aber am besten der Kunde packt sie schnell ein und geht auch wieder schnell raus.
Was würde mein Lieblingsbäcker, Dino von der Bäckerei-Kette Kamps, zu so einem Automaten sagen? Wenn an seiner Theke gedrängelt wird, schreitet er ein – kürzlich wieder geschehen, als ein Kunde ein Kind „übersieht“ um schneller einzukaufen. „Das Mädchen ist zuerst dran“, regelt Dino, ganz automatisch, den Kaufprozess. Da habe der gute Herr ziemlich sparsam geguckt, berichtet er mir…
Ja, ich weiß, das geht in kleinem Kontext. In größeren Unternehmen braucht man entweder richtig gut geschulte Leute, die schon jetzt überall Mangelware sind – oder eben Technik.
Manchmal hilft jedoch auch: Nicht gleich hektisch werden, wenn es etwas dauert. Ein paar Minuten „verschenken“, geht das wirklich nicht mehr?
Das Leben läuft nicht immer reibungslos und was bringt es Krakeelern wirklich, die im Supermarkt als Erste schreien: „Können se nicht mal ne neue Kasse aufmachen?!“
Und, ja, ich weiß auch: Das Wort Achtsamkeit ist bei vielen verschrien. So wie Gutmensch. Hilfe, die sind doch schräg. Und doch glaube ich, dass es hilft, in der nächsten Schlange mal Fünfe gerade sein zu lassen und sich nicht gleich krass benachteiligt zu fühlen, dass da wer schneller dran kommt als man selbst.
Zu TEMMA gehe ich übrigens nach wie vor gerne, auch wenn REWE das Biomarkt-Experiment in anderen Städten als Köln nicht weiterführt. Und ich bin gespannt, wie die ehemalige REWE-Managerin die zwei verbliebenen Märkte entwickeln wird. Ich wünsche Christiane Speck jedenfalls viel Glück dabei – ob mit oder ohne Automaten.
Fotos: Unsplash und privat