Die Demokratie, Rotkäppchen und der Wolf
Voll das gute Leben, so soll es sein und gerne bleiben! Aber manchmal ist es wichtig, voller Aufmerksamkeit den Blick darauf zu richten, was ganz schnell nicht nur dem ohfamoosen Leben anderer, sondern auch der eigenen Demokratie gefährlich werden kann. Meint Uwe Forgber als unser heutiger Gastautor. Uwe hat in seinem Leben schon einiges erlebt – dabei nicht nur einmal im letzten Moment den Kopf aus der Schlinge gezogen. Die aktuellen Entwicklungen weltweit, aber auch bei uns in Deutschland, erinnern ihn daran: Unheil kommt oft auf leisen Sohlen und wird oft erst dann erkannt, wenn es schon fast zu spät ist…
Wie im Märchen, so scheint es derzeit auch in den westlichen Demokratien immer schwieriger die Großmutter vom Wolf zu unterscheiden. Als unschuldige Rotkäppchen tappen wir derzeit im Wald umher, sammeln Blumen, wärmen uns an der Sonne – um dann flux zu Großmutters Häuschen zu ziehen und diese mit unseren Gaben zu beschenken.
Jede(r) einzelne von uns handhabt das so in unserer Demokratie, festen Glaubens, dass unsere Beiträge durch Steuern und das Befolgen von Geboten doch nur dem Guten dient. Aber weit gefehlt. Vorbei sind die Zeiten, wo nur ein Aufgeweckter behaupten könnte, dass das, was um uns herum geschieht, noch Volkes Wille sei. Ein Blick auf die großen Themen wie Ernährung, Gesundheit oder die Friedenssicherung genügt; und wir sehen schnell, dass hier Schein und Sein weit auseinanderklaffen. Ob bei der nach wie vor hemmungslosen Vergiftung unserer landwirtschaftlichen Flächen mit Neonikotinoiden, der mangelnden Sicherstellung von Pflege und Versorgung im Alter oder bei der Begrenzung der Rüstungsausgaben auf ein Minimum.
Nirgends richtet sich die Politik nach Volkes Willen.
Stattdessen fletscht der Wolf die Zähne und erzählt uns Lügenmärchen, z.B. von Terroristen und Gefährdern, denen nur mit Krieg und einem neuen EU-Datenschutzgesetz beizukommen sei. Allein an diesen beiden Punkten lässt sich recht einfach darstellen, wie weit der Zerfall unseres westlichen Demokratiegedankens fortgeschritten ist; und die Gefahr existenzieller Bedrohungen direkt vor unserer Haustüre aktuell ist.
Illegal im Sinne des Völkerrechts
Spätestens seit 1999 haben wir uns mit den völkerrechtswidrigen Nato-Angriffen auf Serbien und damit an den systematischen Rechtsbruch durch unsere westlichen Demokratien gewöhnt. In vielen Wiederholungen wie z.B. in Afghanistan 2001, im Irak 2003, in Libyen 2011 sowie im syrischen Stellvertreterkrieg seit 2012 wurden weit über eine Million Menschen massakriert – ursächlich durch illegale Nato Angriffe und vorsätzlich durch angezettelte Regime Change Aktivitäten im mittleren Osten. Eines der jüngsten Beispiele hierfür ist der am 14. April von den USA geführte Raketenangriff auf Ziele in Syrien. Auch dieser Angriff war nicht nur illegal im Sinne des Völkerrechts, sondern auch noch unbegründet. Der vorgegebene Grund, ein Giftgasangriff der syrischen Regierung auf Guta, ist bis heute nicht bewiesen. Dennoch erdreisten sich unsere Volksvertreter wie z.B. Bundeskanzlerin Angela Merkel den Angriff mit “Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen“ zu bewerten. Rein völkerrechtlich betrachtet ist das Gegenteil der Fall. Solche Handlungen stellen für mich einen Bruch internationalen Rechts dar (so auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags am 20. April 2018). Die Unterstützung durch die Bundeswehr sowie die Sanktionierung durch unsere Volksvertreter gehört meines Erachtens demnach rechtlich auf den Prüfstand und mutmaßlich vor den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Wir, die Bevölkerung, lassen uns aber von unseren Volksvertretern und Medien einlullen, glauben an die gute Großmutter Demokratie und übersehen im Tiefschlaf den Wolf, welcher lediglich Kreide gefressen hat.
Aber damit nicht genug. Gut zwei Wochen später am 1. Mai 2018 behauptet der Israelische Ministerpräsident Netanyahu in einer skurril angelegten Pressekonferenz, der Iran hätte das Atomabkommen von 2016 gebrochen und besitze Unterlagen zum Bau von Atomwaffen. Auch hier sehe ich wieder nichts als Schall und Rauch; eine lächerliche Schießbudenaktion, wenn es nicht der Auftakt zum unbegründeten Vertragsbruch des Atomabkommens durch die Trump-Regierung am 8. Mai 2018 gewesen wäre. Jetzt steht Europa vor der fast unvermeidlichen Spaltung – und Israel sowie die USA vor dem Beginn eines offenen und seit langem herbei gesehnten Krieges mit dem Iran.
Brandaktuell fällt auch der vom Glauben ab, wer sich die Entwicklungen rund um den aktuellen G7-Gipfel in Kanada wach anschaut. Da fordert der amerikanische Präsident Trump – man kann ihn mögen oder auch nicht – Russland wieder an den Tisch der G8 zu bitten. Und prompt wird dies von unseren Volksvertretern, so auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, in der aktuellen Fragestunde im Bundestag bereits im Vorfeld mit dem Verweis „Die Annexion der Krim ist ein flagranter Bruch des Völkerrechts gewesen“ verworfen. Jeder aufmerksame Demokrat sollte meines Erachtens doch wissen dass die Behauptung, Russland habe die Krim annektiert, völkerrechtlich eine Lüge ist; den Vorgang beschreibt vielmehr der Begriff der Sezession treffender (siehe dazu z.B. einen Artikel in der FAZ vom 08.04.2014). Dies wird umso skandalöser, da unsere Bundeskanzlerin die Mitgliedschaft Russlands im Kreise der G8 ablehnt und auf die Einhaltung des Völkerrechts verweist, welches doch von ihrer Regierung und weiteren G7-Staaten in den vergangenen Jahren immer wieder gebrochen wurde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Dabei wären Mäßigung und der Dialog mit Russland das Gebot der Stunde! Stattdessen schicken viele Europäische Staaten und Nato-Partner dieser Tage nicht nur Fußballer nach Russland – sondern auch Soldaten und massenhaft Kriegsgerät in das Aufmarschgebiet der russischen Anrainerstaaten (Operation „Saber Strike“). Ich frage mich und Euch: Sind wir noch zu retten?
Und wo stehen wir?
Die internationale Dimension dieser Entwicklungen wird viel zu wenig diskutiert. Dass es dabei auch um unser Überleben und die Zukunft unserer Kinder geht, scheint genau sowenig zu interessieren wie die Tatsache, dass auch zuhause die Rechtsstaatlichkeit auf dem Rückzug ist.
Der Umgang unserer Volksvertreter mit der neuen EU-Verordnung DSGVO spricht dabei Bände. Sieht noch Artikel 85 dieses Gesetzes vor, diese Verordnung auf nationaler Ebene mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen, so ist von einer Debatte im Bundestag zum Thema, und dazu die DSGVO in Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen, nichts zu hören. Dabei geht der Artikel 5 unseres Grundgesetzes “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern…” jeden einzelnen von uns an. Es geht ums Überleben unserer Großmutter Demokratie.
Aber was können wir und jeder einzelne von uns tun? #Schlafschaf: Hingucken und selbst die größeren Zusammenhänge unter die Lupe zu nehmen, ist für mich der einzige Weg um Desinformation, Polarisierung der Meinungen und letztlich der Spaltung unseres Volkes mit klarem Blick zu begegnen. Eigentlich eine ur-demokratische Haltung!
Wir, jede(r) von uns, haben also die Wahl. Reden wir mit unseren Kindern, Freunden, Nachbarn und Kollegen und schärfen so das Bewusstsein in unserem Umfeld für diese schwierigen Entwicklungen. Oder machen wir es wie Rotkäppchen, öffnen die Flasche Rotwein und leeren diese in einem Zug. Den Rest erledigt dann der Wolf!
Uwe Forgber ist Wahl-Bayer und studierter Architekt. Als Mitgründer der conject AG hat er viele Jahre im Ausland verbracht. Uwe ist immer an neuen Themen interessiert – manche verfolgt er mit einer Leidenschaft, die für andere schon mal schwer verdaulich ist. Seit 2012 ist er als unabhängiger Berater und Software-Unternehmer tätig, wobei er sich auf das Real Estate Information Management, organisatorische Umstrukturierung und erneuerbare Energien spezialisiert hat.
Fotos: Jerry Kiesewetter/Unsplash, pixabay, privat
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