Ernährung mit Kokosöl: Zwischenruf für mündige Bürger
Habt Ihr auch viel, vielleicht sogar „pures Gift“ gegessen? Freunde von Kokosöl müssen nach dem Auftritt von Prof. Dr. Dr. Karin Michels alarmiert gewesen sein. Nein, müssen sie nicht, meint unser Gastautor. Denn Dr. Uwe Alschner hat zwar nicht im Fachbereich Medizin promoviert, verfügt jedoch über ein gutes Gespür für solche Meldungen. Und appelliert, sich als mündiger Bürger gerade in Fragen der Ernährung und Gesundheit durchaus andere Gedanken zu machen! Ein ohfamooser Zwischenruf auf den vieldiskutierten Vortrag der Freiburger Medizinprofessorin.
Behandlungskosten für und Häufigkeit von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Alzheimer und Krebs steigen kontinuierlich an. Schon auf mittlere Sicht drohen sie, unsere Gesundheitskassen zu sprengen. Umso wichtiger ist es, die Menschen zu mehr Eigenverantwortung für einen Lebensstil zu bewegen, der diese Krankheitsrisiken minimiert oder gar ganz verschwinden lässt.
Für diese Aufklärung ist nicht zuletzt auch die Wissenschaft zuständig. Neben der Forschung an neuen Erkenntnissen zählen auch die Lehre und die Information der Öffentlichkeit zu den Aufgaben der Wissenschaft. Universitäten erhalten viel Steuergeld auch für solche Aufgaben. Der Vortrag der Freiburger Medizinprofessorin Karin Michels sorgt nun bei Verbrauchern für Unsicherheit und Verwirrung. Besonders im Internet erregen sich die Gemüter.
Kokosöl – das reine Gift
Kokosöl sei „das reine Gift“, so formulierte es Prof. Dr. Dr. Karin Michels am 30. Juni im vollbesetzten Hörsaal 1010 der Freiburger Uni. Es gehe „direkt in die Herzkranzgefäße“ und sei noch gefährlicher als Schweineschmalz. Begründung: es habe noch mehr gesättigte Fettsäuren. Die „verstopfen ihre Herzkranzgefäße und führen zum sicheren Herztod. Je mehr Kokosöl (…) je höher das Risiko eines Herzinfarktes.“ Es sei „eines der schlimmsten Nahrungsmittel“, die man überhaupt zu sich nehmen könne. Punkt. Ende. Aus. „Daten“, welche die Professorin eingangs ihres Vortrags angekündigt hatte, wurden ausgerechnet zum Thema (Kokos-)Fett nicht präsentiert.
Nachfrage in Freiburg
Erst auf Nachfrage veröffentlichte die Freiburger Uniklinik einige Aufsätze, von denen sich jedoch keiner spezifisch mit Kokosöl auseinandersetzte. Nicht enthalten war dagegen eine brandneue Untersuchung von März diesen Jahres, wonach Kokosöl gerade eine ähnliche Wirkung auf das vermeintlich „schlechte“ LDL Cholesterin hat wie „gutes“ Olivenöl und eine bessere als Butter.
Noch bedenklicher ist jedoch die Tatsache:
Prof. Michels stützt ihre Warnung vor gesättigten Fettsäuren als Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf eine inzwischen sehr umstrittene Theorie – und nicht auf Beweise.
Meiner Meinung nach gehört es zur wissenschaftlichen Redlichkeit gerade einer Repräsentantin einer Spitzenuniversität wie Freiburg, den Paradigmenwechsel mindestens zu erwähnen, der sich seit einigen Jahren in der internationalen Wissenschaft hinsichtlich der Ursachenforschung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vollzieht.
Demnach gibt es namhafte Stimmen, die darauf hinweisen, dass LDL-Cholesterin keinesfalls der Bösewicht ist, für den es auch Frau Professor Michels noch zu halten scheint. Im Gegenteil: Gerade für Ältere ist ein hoher Wert für LDL-Cholesterin sogar mit besserer Gesundheit in Verbindung gebracht worden. Dagegen wird – offensichtlich auch von Frau Michels – nicht unterschieden, welche Art von LDL im Spiel ist, wenn Herzerkrankungen auftreten: nämlich vLDL. Moleküle, die so klein sind, dass sie an den Epithelzellen der Blutgefäße anhaften. Diese Form von LDL und die ebenfalls zu den Blutfetten gehörenden Triglyzeride entstehen aber gerade nicht beim Verzehr von Fett sondern von Zucker und anderen raffinierten Kohlehydraten.
Warum wettert Frau Michels so gegen Kokosfett?
Über die Gründe, weshalb Prof. Michels ihren Beitrag über Kokosfett so anlegte, wie sie es tat, kann ich nur spekulieren. Tatsächlich hat Kokosfett seine Popularität auch der vorzüglichen Eigenschaft als hitzestabiles Bratfett zu verdanken. Hier verdrängt es zunehmend die (wegen ihres hohen Gehalts an entzündungsfördernden Omega6-Fettsäuren eben gerade auch nicht unbedenklichen) klassischen Pflanzenöle.
Wenn Prof. Michels von der Kokosnuss-Industrie spricht, muss bei Pflanzenölen ein Superlativ wie Mega-Industrie verwendet werden. Die Agrarlobby hinter den Erzeugern von Mais, Soja oder Raps hat ganz sicher ein Interesse daran, solche Statements wie die von Prof. Michels politisch und gegenüber den Verbrauchern verwenden zu können.
Mündige Bürger!
Vielleicht ist es aber auch ganz einfach: Die Publikationsliste von Professorin Dr. Dr. Karin Michels verzeichnet nicht einen einzigen Beitrag in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift, der sich mit Ernährung befasst. Ihr Fachgebiet ist ausweislich der Fachbibliothek PubMed die Gynäkologie und Krebsforschung. Bei der Ernährung hat sie – offensichtlich unkritisch – andere Meinungen übernommen. Das sollte man nie tun. Nicht als Wissenschaftler, aber auch nicht als mündiger Bürger. Für mich hat #volldasguteLeben auch damit zu tun, Dingen auf den Grund zu gehen und Informationen zu hinterfragen.
Pressemitteilung der Uniklinik Freiburg
Gastautor Uwe Alschner, Jahrgang 1965, ist Unternehmensberater und geht als promovierter Historiker den Dingen gern via Quellenstudium auf den Grund. Dabei hilft ihm – gerade bei Themen der Gesundheit – sein Anglistikstudium. Er ist Absolvent des Concours COM/A/770 der Europäischen Kommission und kommuniziert in einem eigenen Blog zum Thema Vitalstoffe. Er ist überzeugt: Eine ausreichende Versorgung mit Vitalstoffen (Vitamine, Mineralien und Spurenelemente) ist wichtig ist für die persönliche Leistungsfähigkeit; hinzu kommen eine optimistische Lebenseinstellung sowie körperliche Betätigung und ausreichend Bewegung. Mit seiner Familie und Hund lebt er in Niedersachsen und Berlin.
Fotos: Unsplash (Lukas Beer und Michal Pechardo); via Uwe Alschner
Kleiner Nachtrag: Harvard distanziert sich von Professorin Michels:
https://www.facebook.com/383667448333400/posts/2112128608820600/