Chatte mit mir!
Sieben Jahre und kein bisschen leise: Emil aus Hamburg ist genervt von seinen Eltern. Die schauen ständig auf ihre Handys. Da denkt er sich: Eine Kinder-Demo soll her. Und Papa Rustige hilft ihm, die Sache auf die Beine zu stellen.
Vor zwei Wochen marschieren also gut 150 Demonstranten durch Hamburgs St. Pauli ins Schanzenviertel. Echt kleine Knirpse und ihre Eltern. Auf Transparenten liest man Appelle wie „Chatte mit mir!“ und „Spielt mit MIR, nicht euren Handys!“. Emils persönlicher Ruf lautet: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr nur aufs Handy schaut.“.
In den Wochen zuvor fühlte die Familie sich von Anfragen von Medienvertretern geradezu überrollt, heißt es. Die Handynutzung in Familien ist eben heutzutage ein heißes Eisen. Ob das noch Emils Demo sei oder inszenierten vielmehr Erwachsene ein heikles Thema, nutzen gar ihren Sohn als kleinen Helden? Kritische Fragen, die das Kindeswohl berücksichtigen. Oder argwöhnen Journalisten etwa unlautere Absichten der Eltern? Typisch destruktiver Journalismus?
Kinder an die Macht
Mit „Kinder an die Macht“ hielt Herbert Grönemeyer uns Erwachsenen einen Spiegel vor. Ich erinnere mich gut: Der Song war recht erfolgreich. Manch einer fasste sich an die Nase. Und ließ sie rasch wieder los. In Emils Fall, lese ich, fühlt sein Vater sich ertappt. Er und seine Frau haben Emil bei der Umsetzung der Kinder-Demo unterstützt, weil sie seine Idee ernst nahmen. Und wirklich etwas verändern wollen.
Nun ist der Hamburger Jung erst sieben. Ein Vierzehnjähriger würde sich vermutlich nicht über den übermäßigen Handykonsum der Eltern beschweren. Der Aufmarsch der Knirpse macht sehr deutlich, was Kinder sich von uns Erwachsenen wünschen: Aufmerksamkeit. Und zwar ungeteilte. Dass sie sie brauchen und ihnen zusteht, ist sicher unbestritten (über das wie und wieviel kann man natürlich diskutieren).
Diese fluch- und segensreichen kleinen Kommunikations-Dinger haben uns Erwachsene aber mächtig im Griff.
Die Kurzen von der Hamburger Kinder-Demo haben im Grunde auch den Erwachsenen mal wieder einen Spiegel vor die Nase gehalten! Indirekt gelten die kindlichen Appelle genauso zwischen uns Großen:
- Chatte mit mir!
- Spiel mit mir!
- Du schaust mehr aufs Handy als zu mir!
Ich habe jedenfalls schon oft gehört, dass die Handynutzung für Zündstoff in Beziehungen sorgt.
Lieber Emil, ganz ohfamoos, was du auf die Beine gestellt hast! Ich fass‘ mir auch mal an die Nase!
Text: Cornelia Lütge
Bildquellen: anna-kolosyuk-551398-unsplash und pavel-nekoranec-800922-unsplash
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