Süßer Verzicht
Wie viele gelbe Plastiksäcke produziert Ihr so im Monat? Der 2-3 Personen-Haushalt von Michaela Steidl etwa anderthalb. Was der Hessin, die mal im Kreditbereich internationaler Banken tätig war, immer noch zu viel ist. Ganz bewusst hat sich die heutige Expertin für das Programmieren von Websites vor einigen Monaten entschlossen, das Verzichten zu lernen. Und gemerkt: Das spornt an. Aber worauf verzichtet sie und wozu? Kauft sie unverpackt? Elke hat sie gefragt!
Michaela, hast Du dieses Jahr so richtig gefastet?
Nein und Ja. Ich habe in den letzten Monaten viele Entscheidungen zum Verzicht getroffen – und die haben auch über Ostern hinaus Bestand.
Sicher gab es einen Punkt, an dem alles begann?
Ja, angefangen hat alles mit einer Haarseife vom Wiener Naschmarkt. Nie hätte ich gedacht, dass ich mir die Haare jemals mit Seife wasche – wo ich seit 25 Jahren nur eine einzige Shampoo-Marke für akzeptabel gehalten habe. Und ohne Spülung erst gar nicht.
Und dann hast Du es probiert?
Richtig, dann hab ich’s einfach mal probiert. Das war der Beginn von meinem Verzicht auf Plastik: Shampoo, Waschpulver, Reiniger, Geschirrspülpulver, alles wird selbst gemacht. Die Zahnbürste ist aus Bambus. Toilettenpapier und Taschentücher aus Bambus kaufe ich bei einem Anbieter, der ohne Plastik verpackt. Auch Obst und Gemüse werden weitgehend unverpackt gekauft (man braucht keine Plastikbeutel, um das Obst aufs Band zu legen – das geht auch ohne). Käse und Fleisch hole ich immer öfter von der Frischtheke und wo es erlaubt ist: in eigenen mitgebrachten Gefäßen. Brot und Brötchen backe ich ausschließlich selbst.
Das ist ja schon eine ganze Menge…
Schon, aber leider bin ich noch nicht so konsequent wie ich gern wäre. Noch produziert unser 2-3 Personen-Haushalt (also zusammen mit meinem Kind und meinem Lebenspartner, der nicht fest bei uns wohnt aber viel Zeit hier verbringt) ca. 1,5 gelbe Säcke an Plastikmüll im Monat. Daran arbeite ich jetzt.
Ich habe gelesen, Du verzichtest sogar auf’s Auto?
Ja, seit November 2018 habe ich kein Auto mehr. Nachdem mein eigenes seit März 2018 aus eigener Schuld nicht mehr fahrtauglich ist, durfte ich sechs Monate das Auto meiner Schwiegereltern als Dauerleihgabe fahren. Als das im November zum TÜV musste, hab ich beschlossen, dass es danach wieder in der Garage meiner Schwiegereltern stehen darf und habe es nicht mehr zurück genommen.
Das wäre mir früher undenkbar erschienen.
Warum, was verbindest Du so stark damit?
Ein Auto ist Freiheit, Lebensgefühl … man denkt, es geht nicht ohne. Aber ich habe eine Bushaltestelle keine drei Gehminuten vom Haus, von der aus alle 30 Minuten ein Bus fährt. Zehn Minuten zu Fuß in die Innenstadt, 20 Gehminuten zum Bahnhof, ein Kilometer bis zum nächsten Supermarkt. Und das, was ich nicht zu Fuß oder mit dem Bus erreiche, fahre ich mit dem Taxi. Durch die eingesparte Kfz-Steuer und Versicherung sind quasi alle Taxifahrten übers Jahr mehr als gedeckt.
Fehlt Dir das Auto trotzdem manchmal?
Natürlich, es wäre Quatsch zu sagen, so etwas kann man ganz ohne „Sehnsucht“ einfach abstellen. Wenn zum Beispiel Mistwetter ist und ich noch dringend zum Einkaufen muss, dann zum Beispiel. Aber es geht trotzdem ohne. Es ist alles eine Frage der Überwindung.
Auf was verzichtest Du noch?
Seit Jahresanfang verzichte ich auf Industriezucker. Jedenfalls auf den offensichtlichen: Keine Süßigkeiten mehr. Pfannkuchen, Waffeln etc. werden mit Obst, maximal mit Ahornsirup oder Kokosblütenzucker gesüßt. Und zwischenzeitlich erkenne ich auch versteckten Zucker in Lebensmitteln, weil mir vieles, was sichtbar keinen Zucker enthält (z.B. Brötchen oder Fertigpizzateig) einfach viel zu süß ist.
Danke für das Interview!
Michaela Steidl, Jahrgang 1975, lebt und arbeitet in der Pfalz (Neustadt an der Weinstraße). Die allein-erziehende Mutter eines elfjährigen Sohnes findet man in ihrer Freizeit entweder in ihrem Garten oder kletternd (am liebsten in den schönen Felsen der Südpfalz). Viele Jahre hatte sie Führungsverantwortung für in der Spitze über 20 Mitarbeiter in drei Ländern, doch das Bankengeschäft füllte sie auf Dauer nicht aus. Anfang 2011 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit, zunächst im Bereich der virtuellen Assistenz. Schnell begriff sie, dass ihre wahre Leidenschaft das Gestalten von Websites mit WordPress ist: Seit 2012 ist sie Inhaberin des WordPress Bistros.
Und nicht nur Michaela möchte wissen: Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Denn es ist doch spannend, wie sich eigenes Verhalten durch ungeplante Zufälle in eine Richtung ändern kann, die man sich nie hätte vorstellen können… Auch Michaelas Verzicht war anfänglich nur für 90 Tage gedacht – heute fällt es aber leicht, fast ganz auf Schokolade, Gummibärchen, Nutella und süße Crêpes zu verzichten!
Fotos via Michaela und: Unsplash (Karina Tess)
Übrigend: Die Unverpackt-Szene wächst schnell: Wo Du heute schon unverpackt einkaufen kannst!
Und hier ein Beispiel aus dem Süden, unverpackt in Bad Tölz.