Passt die Politik unserer Zeit an!
Kurz nach der Europawahl hatten wir unsere ohfamoosen Leser um ihre Meinung gebeten. Rezo und andere Youtuber hatten da gerade gesprochen. Anlass für mich, über die neue politische Lage ein Interview zu führen. In dem Video kamen besonders Themen wie Vertrauen in die Politik aber auch Sachthemen wie Klimaschutz zur Sprache. Und wir fragten: Was denkt Ihr darüber? Welche Rezepte würdet ihr Parteien empfehlen? Michèle Halders Kommentar dazu war so vielschichtig, dass aus ihm dieser Beitrag wurde.
Die Politik ist mittlerweile irgendwo angekommen, wo sie den Menschen – egal ob jung oder alt – als ein vom Alltag entferntes abgehobenes Konstrukt erscheint. Sie wird mehr als ein notwendiges Übel denn als ein nützliches Instrument gesehen, welches das Zusammenleben und Zusammenwirken von vielen verschiedenen Menschen und Interessengruppen regelt, mit Gesetzen versieht und die in einem Land lebenden BürgerInnen nach innen und die Interessen des Landes nach außen vertritt.
Von der Tatsache einmal abgesehen, dass Politik ja ein Teil unseres Lebens ist und dort in jedem Bereich eine Rolle spielt – seien es die Preise für Lebensmittel, Mieten oder Energie, seien es die Anzahl der Lehrer an diversen Schulen oder Zukunftsthemen wie Renten, Umwelt oder, oder, oder… Politik ist das, was ein Land funktionieren lässt. Oder, wie wir es nicht nur in vielen Entwicklungsländern beobachten können, ruiniert.
Ich denke, das Problem ist nicht die Politik. Das Problem sind die Politiker. Meine 1. These ist:
Politik wird leider nicht mehr auf der Straße gemacht, sondern in den Chefetagen von großen Konzernen.
Es werden weder die Interessen von den Bewohnern eines Landes vertreten noch die großen Aufgaben angegangen, die weltweit anstehen. Die heutige Politik wird von eben diesen Konzernen (wie immer sie auch heißen mögen), die untereinander sehr gut vernetzt sind, benutzt, ihr Kapital immer weiter zu erhöhen, immer mächtiger zu werden.
Nehmen wir die Autoindustrie. Dass fossile Brennstoffe die Umwelt belasten, wissen wir nicht erst seit gestern. Ich bin sicher, dass die Entwürfe für alternative Antriebe schon Jahrzehnte in den Schubladen schmoren. Aber hier sind die Vernetzungen mit den Ölmultis ausschlaggebend. Also wird alles dafür getan, weiterhin Verbrennungsmotoren zu produzieren.
Nehmen wir die Energiekonzerne. Die bezahlen gerne dafür, weiterhin Braunkohle abzubauen und zu verfeuern. Auch hier könnte die Politik eingreifen und dafür sorgen, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Energie aus Abfall zu gewinnen und damit für doppelt umweltfreundliche Energieversorgung zu sorgen. Die Energiegewinnung aus Abfall ist regenerativ, denn Müll entsteht täglich neu in rauen Mengen. Und müsste dann nicht unter Zuhilfenahme von Verbrennungsmotoren in ferne Länder exportiert werden. Meine 2. These ist:
Die Politik erreicht nicht nur junge Menschen nicht mehr, sie erreicht alle nicht mehr.
Die Zeit ist über überreif: Nationalismus, wirtschaftlicher Protektionismus und Politik im Stil der Aufbruchsstimmung nach dem zweiten Weltkrieg oder der Euphorie der 90er Jahre des letzten Jahrtausends sind nicht mehr nützlich. Die Welt hat gemeinsame Probleme und die müssen endlich auch gemeinsam angegangen werden. Das sehen junge Menschen ganz deutlich, denn es geht um ihre Zukunft, die durch die unzeitgemäße Politik alter Frauen und Männer in großer Gefahr ist.
Mein Rat daher: Passt die Politik unserer Zeit an und kommt im aktuellen Jahrtausend an. Dann erreicht Ihr auch die Menschen, deren Interessen zu vertreten Ihr Politiker versprochen habt.
Michèle Halder ist eine von mehr als einem Dutzend GastautorInnen unseres Blogs, die immer wieder gemeinsam mit uns ihre Stimme erheben. Ob über politische Themen, die leider nicht immer #volldasguteleben verkörpern, oder über Themen, die in unseren Rubriken Liebe und Elan Platz finden. Eins gilt für alle Artikel, die hier veröffentlicht werden: Auf ohfamoos wird mit Herzblut geschrieben und wir tauschen uns aus – auch über Themen, die aufregen. Aber so, dass wir die Thesen Andersdenkender anerkennen. Solange wir uns auf einen Ton und Stil festlegen, der andere nicht verunglimpft sondern einlädt eine dringend notwendige Debatte über unsere Zukunft zu führen.
In diesem Sinne laden wir weiter ein: Nutzt unsere Plattform auch für Eure Meinung und schickt uns gern auch strittige Gedanken zu an sonja@ohfamoos.com oder elke@ohfamoos.com
Fotos: Pixabay und privat
Kurz, knapp und absolut passend.
Stimme uneingeschränkt dieser Meinung zu.
zu 1) Solange wir einen Ex-Bundeskanzler haben, der im Aufsichtsrat eines russischen Gaslieferanten sitzt, gilt Erdgas als eingeschränkt anrechnungsfähig auf den nach EneG zwingend geforderten Einsatz REGENERATIVER Energien im Hausbau.
Das ist kein Witz.
Ich fürchte, wenn man hier einmal anfängt …..
Deutschland. Das Land der Denker und Nörgler.
Es wird einem gerne vorgeworfen, man meckere auf sehr hohem Niveau.
Das hat auch bis vor einiger Zeit gestimmt. Aber die Politik hat inzwischen zuviel Tafelsilber verkauft (marode Schulen, Strassen, Brücken, …). Es geht so langsam ans Eingemachte.
So wie das „Weiter so“ auf den Wahlplakaten prankte und prankt, geht es halt nicht mehr.
Ein Umbruch muss her. Lasst es keinen radikalen Umbruch werden.
Vielen Dank für die Zustimmung. Und ja, ja, ja, lass uns die Wähler für einen radikalen Umbruch stimmen. Auch und gerade auf Kosten unserer eigenen Bequemlichkeiten. Flugreisen für Kleingeld, bezinfressende SUVs damit wir uns sicherer fühlen, billiges Fleisch von unglücklichen Tieren, extensiver Versandhandel mit unmöglichen Arbeitsbedingungen, lasst uns darauf verzichten und dafür unsere Welt verbessern. Lasst uns nicht einschüchtern von den Drohungen Arbeitsplätze abzubauen, Produktionen ins billige Ausland zu verlagern und uns mit der wunderbaren polemischen Phrase, das ökologisches Denken uns zurück in die Steinzeit versetzen würde. Ich könnte hier noch ausufernd weiterschreiben, denke aber lieber über einen neuen Text für den Blog nach. Liebe Grüße schickt Michèle