Flucht und Migration – Ein Kunstwerk

Seit Jahrtausenden sind Menschen auf der Suche nach besserem Leben. Sie hoffen auf neuen Wohlstand, fliehen vor Gewalt oder Hunger. Dafür bringen sie enorme Opfer und nehmen in Kauf, dass sie in den Zielländern gehasst werden. Gastautorin Heidemarie Blankenstein legt uns das Buch zweier mexikanischer Autoren ans Herz, gerade weil es ein für uns Europäer so aktuelles Thema Flüchtlinge berührt. José Manuel Mateo und Javier Martínez Pedro haben mit ‘Migrar, Weggehen’ etwas Einzigartiges geschaffen.

Javier Martinez Pedro_Migrar_Portrait_Flucht_smallDer junge Javier Martinez Pedro machte sich vor 15 Jahren aus Süd-Mexiko nach Nordamerika auf; vorbei an stachligen Kakteen und giftigen Schlangen, so dass Haut und Füße bluteten. Am Ziel fand er einen Job als Erntearbeiter auf US-amerikanischen Feldern. Dieses kümmerliche, karge Leben hat er nur einige Monate ausgehalten. Er ging in sein Dorf Xalitla im Bundesstaat Guerrero zurück, in ein Dorf mit 1300 meist indigenen Einwohnern, von denen 200 Analphabeten sind. Sie leben von Feldarbeit und von der Malerei auf Holz, Porzellan – und auf Amatl-Papier, ein Produkt prähistorischen Ursprungs, das aus der Rinde des Jonote Baumes hergestellt wird. Schon Maya und Azteken benutzten es, meistens als Geschenk für ihre Götter.

Auch ein Geschenk für Kinder ist das neue Buch des Berliner Verlags Edition Orient.

Ein bibilophiles Künstlerbuch

Aber nicht nur ein Geschenk für Kinder ist es, für die es als Wimmelbuch daher kommt und zum Entdecken einlädt; sondern auch für Jugendliche, für die es ein politisches Buch über Flucht und Migration ist.

Flucht und Migration
Heidi Blankenstein und Enkelkinder

Erwachsene schätzen es wahrscheinlich als bibliophiles Künstlerbuch.

Das mit spärlichen Texten versehene Buch, das eigentlich ein gefaltetes Tafelbild von 140 cm Länge und 32 cm Breite ist, stellt die Etappen der Migration durch Mexiko in die USA dar. Ein kleiner Junge folgt mit seiner Mutter und seiner Schwester dem vermissten und fehlenden Vater. Als blinde Passagiere auf Güterzügen und auf vielen verschlungenen Pfaden haben sie Gefahren zu bestehen, bis sie ihr Ziel erreichen. Aber der Leser erfährt nicht, was am Ende aus ihnen wird.

Etwa 50.000 Kinder machen sich jedes Jahr auf den Weg in die USA. Etwa die Hälfte dieser Kinder ist ohne jede Begleitung unterwegs. Sie riskieren beschimpft, bestohlen, geschlagen zu werden oder Opfer organisierter Krimineller zu werden.

Ein künstlerisches Werk auch für Kinder

Schicksale wurden von den beiden mexikanischen Autoren in schlichte Bilder und knappe Worte gefasst. Ich empfehle dieses künstlerische Werk, das uns hilft, vergleichbare Situationen anderswo nicht aus den Augen zu verlieren. Weltweit sind 250 Millionen Menschen zu menschenwürdigerem Leben unterwegs.

Wusstet Ihr?

Das Buch wurde vor drei Jahren in spanischer Version auf der Kinderbuchmesse von Bologna mit dem Ragazzi Award ausgezeichnet.

Der Verlag Edition Orient hat das Werk jetzt ins Deutsche übersetzt und beim internationalen literaturfestival berlin (ilb) durch Javier Martínez Pedro persönlich präsentieren lassen.

Heidi_Blankenstein_ohfamoos_smallGastautorin Heidemarie Blankenstein ist seit 1990 als Freie Journalistin aktiv. Zu ihren bisherigen Lebensmittelpunkten zählten asiatische, afrikanische und europäische Hauptstädte. Von Madrid und vom Sultanat Oman aus berichtete sie beispielsweise für diverse Wochenzeitungen und Magazine. Mittlerweile schreibt sie von Türkisch-Zypern und Berlin aus.

Fotos: privat

Dieser Beitrag wurde erstmals am 22. Oktober 2015 veröffentlicht
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