AfD: In der Flüchtlingskrise versagen unsere Eliten
Wer wünscht sich das nicht? Dass EU-Politiker in der Flüchtlingskrise gemeinsam Lösungen schaffen. Deshalb werden wir aufmerksam, als wir lesen: „AfD präsentiert Anti-Asyl-Papier“. Kennt die Alternative für Deutschland wirksame Mittel? Oder meldet sie sich vornehmlich, um nach der Spaltung im Sommer politisch wieder „sichtbarer“ zu werden, wie manche Journalisten kritisieren? Elke hat bei der AfD-Fraktion im Erfurter Landtag nachgehört, da in Thüringen ein ähnliches Positionspapier wie das der AfD auf Bundesebene kursiert. Lest hier unser Interview mit Stefan Möller, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Erfurter Landtag.
Herr Möller, Ihre Bundesvorsitzende Frauke Petry wird zitiert, Deutschland habe sich durch falsche Anreize zum „Flüchtlingsmagneten“ innerhalb Europas entwickelt. Welches quantitative Ziel sollen Grenzkontrollen Ihrer Ansicht nach erreichen, d.h. welche Zuwanderungszahlen halten Sie in welchem Zeitraum für handelbar?
Stefan Möller: Die AfD war nur die erste in Parlamenten vertretene Partei, welche auf die Problematik der Fehlanreize, welche Hunderttausende veranlasst, auch ohne politischen Verfolgungshintergrund nach Deutschland zu kommen, hinweist. Aktuell ist es nach meiner Überzeugung nicht möglich bzw. unseriös, sich auf konkreten Zahlen für eine verkraftbare Zuwanderung festzulegen. Klar ist, dass Deutschland durch die Einwanderung über das Asylrecht in der derzeitigen Qualität völlig überfordert ist.
Die Stärke und die Konsequenz des Anpassungsdrucks unserer Gesellschaft auf Migranten, Deutsche zu werden, ist der bestimmende Faktor, wie viel Zuwanderung unser Land verträgt.
Leider ist dieser Anpassungsdruck seit langem viel zu gering, um eine Erosion unserer christlich-humanistisch geprägten Gesellschaft zu verhindern. Das betrifft nicht nur den Erhalt unserer traditionellen Lebensweise, unser Rollenverständnis von Mann und Frau, das Verhältnis zwischen Politik, Recht und Religion in unserer Gesellschaft, sondern auch das Vermeiden einer Entstehung von Parallelgesellschaften.
Ich habe 1988 auf der Uni Entwicklungspolitik studiert, damals hieß es schon, die Festung Europa komme ins Wanken. Wer hat was in den letzten 27 Jahren verpasst?
Die aktuelle Krise ist vor allem ein Versagen der Eliten unseres Landes. In erster Linie betrifft das natürlich die handelnden Akteure der Bundesregierung und Landesregierungen. Hier wurde die Chance verpasst, rechtzeitig dem System von Fehlanreizen für eine Zuwanderung in unser Sozialsystem entgegenzuwirken. Die deutsche Botschaft in Prishtina warnte bereits im Februar dieses Jahres vor einer Ausreiselawine nach Deutschland, die uns aufgrund der Untätigkeit der Bundesregierung auch mit voller Wucht traf.
Hinzu kommt eine Signalwirkung, die in weiten Teilen der arabischen Welt als Botschaft verstanden, dass der Landweg nach Deutschland frei sei. Außenpolitische Fehlleistungen der Vergangenheit ergänzen dies: So hat die Bundesregierung die destabilisierende Politik der Amerikaner, Briten und Franzosen im Nahen Osten, dort vor allem Syrien, aber auch im Bereich des südlichen Mittelmeerraums (Libyen) mitgetragen. Ein weiterer wichtiger Baustein der heutigen Völkerwanderung ist die höchstrichterliche Rechtsprechung. Besonders gravierend dürften die Auswirkungen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012 gewesen sein, indem dieses ohne Not feststellte, dass die Leistungen für Asylbewerber ungefähr auf das Niveau von Sozialhilfe bzw. Hartz IV erhöht werden müssten.
Aber es gab doch warnende Stimmen?
… die oft ignoriert wurden! Auch fehlt es an Ehrlichkeit und Redlichkeit in der öffentlichen Diskussion. Hieran haben die führenden Medien, aber auch die Spitzenorganisationen der so genannten „Zivilgesellschaft“ ihre Mitverantwortung. Frühzeitige warnende Stimmen wurden nach meiner Wahrnehmung häufig zudem in tendenziöser Weise als rassistisch und menschenfeindlich dargestellt, später dann als Schlaumeierei abgewertet.
Sorgt Sie eine mögliche Aufladung des rechtsextremen Meinungsspektrums nicht?
Ich sehe es so: Es muss doch möglich sein, für den Erhalt unserer nationalen Identität einzutreten, ohne gleich sozial geächtet zu werden! Negative Aspekte der Zuwanderung, wie z.B. Kriminalität und das Festhalten an inakzeptablen archaischen Regeln, hat man häufig versucht kleinzureden. Im Gegenzug werden die vermeintlich positiven Aspekte der Zuwanderung überbetont.
Sie meinen die Chancen einer qualifizierten Zuwanderung?
Für mich ist das schlicht ein Märchen, mit dem versucht wird, die Migrationsbewegungen auch noch als nützlich darzustellen.
Dabei ist Deutschland im Vergleich zu anderen wohlhabenden Zuwanderungsnationen für qualifizierte Fachkräfte wenig attraktiv, da es die eigenverantwortliche Lebensführung durch eine hohe Steuer- und Abgabenlast bestraft. Aufgrund des verminten öffentlichen Diskurses ist auch nie eine ausgewogene Diskussion geführt worden, ob Deutschland ein klassisches Einwanderungsland ist oder sein soll.
Direkt vor Ort „in stabilen südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers und des Nahen Ostens“ sollen Ihrer Meinung nach Aufnahme- und Asylverfahrenszentren eingerichtet werden. Inwiefern würde das die akute Problematik positiv beeinflussen?
Alle Versuche, illegal in Mitgliedstaaten der europäischen Union einzureisen, müssen vorläufig in einem solchen exterritorialen Aufnahme- und Asylverfahrenszentrum enden und zwar um potentiellen Migranten vor Augen zu führen, dass eine illegale Einreise nicht zum Ziel führt. Zudem wird die Unterbringung und Versorgung von Menschen in solchen Aufnahmezentren kostengünstiger sein. Schließlich erschwert man so auch den Menschenschmugglern ihr Geschäft. Für die Wirksamkeit des ganzen wäre aber ein konsequentes Grenzregime an den EU-Außengrenzen unabdingbar.
Der – mittlerweile abgesetzte – australische Premier Tony Abbott hatte seinen Wahlkampf u.a. mit der Kampagne „Stop the boats“ gewonnen, um Indonesier, Malayen und Burmesen abzuhalten. Sie präferieren das sogenannte australische Modell, warum?
Weil das Modell effektiv und ehrlich ist, insbesondere keine falschen Hoffnungen weckt. Nicht zuletzt handelt es sich hierbei um das erfolgreiche Konzept eines demokratischen Rechtsstaats und kann daher auch auf Europa angewendet werden.
Immer mehr Bürger fordern einen pragmatischen Schulterschluss der politischen Parteien über fraktionspolitische Interessen hinweg. Wie kann die AfD dazu beitragen?
Als Ostdeutscher erinnert mich das Reden vom Schulterschluss zunächst einmal an die „Nationale Front“ der DDR – und die hatte mit Demokratie nichts zu tun. In der Demokratie geht es um den Wettbewerb unterschiedlicher Perspektiven und Konzepte. Die AfD will neue Lösungsansätze und Sichtweisen in die Debatte einfließen lassen.
Als rechtskonservative politische Kraft werden wir uns mit unserem asylpolitischen Konzept dafür einsetzen, dass das Asylrecht dadurch im Kern akzeptiert und erhalten bleibt, dass es ausschließlich denjenigen zu Gute kommt, die vor staatlicher Verfolgung flüchten.
Wir werden zudem darauf hinwirken, dass das Recht auf Asyl nicht gleichbedeutend mit dem Recht ist, das Land mit den attraktivsten Sozialleistungen auszuwählen. Im Gegenzug stehen wir für die Modernisierung unserer Zuwanderungspolitik nach australisch-kanadischem Vorbild, welche nicht nur dem kurzfristigen Fachkräftemangel entgegen wirken kann, sondern auch Aspekte der Integrationsfähigkeit und -willigkeit berücksichtigt.
Das Interview führte Elke Tonscheidt.
Fotos: privat und pixabay
Stefan Möller gelingt es einmal mehr, in diesem Interview sachlich und klug zu argumentieren und so seiner Partei nachvollziehbare Positionen und anscheinend verantwortungsbewusstes Handeln zu attestieren. Wer jedoch die anderen Akteure und die Basis der AfD in den Medien, in Fernsehdiskussionen oder gar real auf Veranstaltungen, beispielsweise bei PEGIDA erlebt, erkennt, was unter dem verhüllenden Schafspelz steckt: Ein scharfmachender Wolf, der dort Aggressionen weiter schürt und zupackt, wo entsprechende Tendenzen bereits gegeben sind und so am rechten Rand der Gesellschaft weiter Stimmenfang erfolgreich möglich ist. Dieser perfide Spagat wird zwar immer wieder offenbar und eigentlich für jeden vernünftigen Bürger sichtbar – wenn er mit wachem Verstand und nicht bereits indoktriniert hinsieht. Ich kritisiere hiermit keineswegs, dass man der AfD in diesem Blog ein weiteres Forum bietet – dies muss in unserer Demokratie erlaubt sein. Ich bedaure vielmehr nur, dass wohl bei manchen Lesern eine Verwässerung und Verharmlosung des wahren Gedankenguts hinter der AfD erfolgen könnte – und hoffe bei möglichst vielen auf einen breiteren Blick auf diese Partei. Nicht einzelne, smarte Interviews sollte man als Maßstab nehmen, sondern das gesamte, für mich eher erschreckende und abstoßende Profil und Handeln.
Lieber Herr Dr. Dieter R. Fuchs,
es ist stets interessant zu beobachten, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein können. Persönlich teile ich Ihre Sicht der Dinge und würde dem scharfmachenden Wolf gern „einen Maulkorb verpassen“. Mit Hinblick auf dieses Interview lese ich zwei Passagen, die mir den Wolf deutlich zeigen (s. u.). Journalistisch betrachte ich diese Art der Fragestellung als feine Einladung, die Zähne zu zeigen – distanziert-demokratisch-fragend. Und die hat das Schaf angenommen.
Herbstgruß, Cornelia Katinka Lütge
1. Sorgt Sie eine mögliche Aufladung des rechtsextremen Meinungsspektrums nicht?
Ich sehe es so: Es muss doch möglich sein, für den Erhalt unserer nationalen Identität einzutreten, ohne gleich sozial geächtet zu werden! Negative Aspekte der Zuwanderung, wie z.B. Kriminalität und das Festhalten an inakzeptablen archaischen Regeln, hat man häufig versucht kleinzureden. Im Gegenzug werden die vermeintlich positiven Aspekte der Zuwanderung überbetont.
2. Sie meinen die Chancen einer qualifizierten Zuwanderung?
Für mich ist das schlicht ein Märchen, mit dem versucht wird, die Migrationsbewegungen auch noch als nützlich darzustellen.
Liebe Cornelia,
danke für Ihre Meinungsäußerung, ja, viele erkennen wie Sie auch in der Wortwahl und an den Zwischentönen solcher rhetorisch geschulter Politprofis deren wahres Denkgebilde. Aber ganz viele andere eben leider nicht, da bleiben nur die deren eigenen Ängste und Vorurteile gezielt ansprechenden Parolen hängen und wirken nach. Was ohne Gegenwehr liberaler und demokratischer Menschen bedenkliche Folgen haben könnte.
Ich wünsche noch einen sonnigen Rest-Herbst,
beste Grüße
Dieter
Sie unterstellen der Partei, dass sie insgeheim Forderungen hat, die Möller hier nicht nennt. Welche sollen das denn bitte sein? Mein Eindruck ist vielmehr, dass die AfD genau für diese Forderungen, die hier in dem Interview gestellt werden und die Sie vernünftig nennen, von den politischen Gegnern scharf angegriffen werden. Ob die AfD mehr „Wölfe im Schafspelz“ und Scharfmacher in ihren Reihen hat als ihre politischen Gegner(man denke an Fahimi, Stegner, Beck, Söder …), ist eine reine Ansichtssache.
Sehr geehrter Herr Jankalert,
ich erlaube mir hiermit, richtig zu stellen, dass ich die Forderungen von Herrn Möller keineswegs „vernünftig“ genannt habe. Ich habe lediglich festgestellt, dass er durch seine Argumentation „…der AfD nachvollziehbare Positionen und anscheinend verantwortungsbewusstes Handeln attestiert.“ Er, nicht ich! Außerdem unterstelle ich keinesfalls „insgeheime Forderungen“, dies ist nicht nötig, man muss nur die bestens bekannten AfD-Parolen zitieren, die uns leider nicht erspart bleiben und eine unerträgliche weitere Aufhetzung von ausländerfeindlichen Tendenzen darstellen. Es darf Sie daher nicht wundern, dass ich auch in Ihrer Entgegenhaltung nur einen weiteren Beleg dafür sehe, dass die AfD und ihre Sympathisanten Sachverhalte immer wieder (mehr oder weniger geschickt) bewusst verdrehen.
Nun mit „allseits bekannt“ und „ausländerfeindlich“ liefern Sie eine recht schwammige Argumentation. Die AfD lehnt wahrscheinlich die meiste Migration ab, die gerade stattfindet, und vorher schon die Armutseinwanderung. Außerdem ist die AfD sicher islamkritisch. Ist das für Sie ausländerfeindlich?
Danke für die Präzisierung und Bestätigung. Und dafür dass Sie erneut an meiner Formulierung vorbei zitieren: Ich hatte die AfD nicht als ausländerfeindlich bezeichnet, sondern darauf hingewiesen, dass AfD-Parolen eine „… weitere Aufhetzung von ausländerfeindlichen Tendenzen darstellen“. Aber dies scheint symptomatisch zu sein. Im übrigen verharmlost der Ausdruck „islamkritisch“ eine diskriminierende Haltung dieser Religion gegenüber, indem indirekt gefährlicher und verabscheuungswürdiger Islamismus damit gleichgesetzt wird. Die AfD ist damit im Dunstkreis von PEGIDA zur Rettung unseres ach so christlichen Abendlandes bestens beheimatet! Damit verabschiede ich mich aus unser beider Geplänkel und hoffe auf weitere Meinungsbilder von anderen Lesern dieses Blogs.
Liebe Diskutanten,
ich freue mich über die im ganzen sachliche Debatte über das Interview mit Herrn Möller. Das ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich.
Ich finde die Neigung interessant und aufschlussreich, dass man jetzt in Sachen AfD sehr schnell mit Unterstellungen über eine „hidden agenda“ bei der Hand ist. Die Äußerungen (z.B.) von Herrn Möller seien nur Tarnung, in Wahrheit gehe es um etwas anderes (das ist ja mit „Wolf im Schafspelz“ gemeint). Da hülfe es, vielleicht doch noch einmal genauer hinzuschauen. Was die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag (für die ich arbeite, Vorsicht also) treibt, ist öffentlich und nur einen Mausklick entfernt. Etwa hier:
http://afd-thl.de/2015/10/21/diffamierungsversuche-befoerdern-spaltung-der-gesellschaft/
@ „islamkritisch“: Kritik ist ein Zentralbegriff der europäischen Aufklärung (Kant: Kritik der reinen Vernunft etc.; Karl Popper: Kritischer Rationalismus; Adorno et al.: Kritische Theorie etc.), und es war Karl Marx, der die Religionskritik als Voraussetzung aller Kritik bezeichnete. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber ganz gewiss gehört Kritik zur Aufklärung und zu unserem freiheitlichen Selbstverständnis. Warum also sollte man ausgerechnet den Islam nicht kritisieren dürfen? Nur, weil es viele Muslime nicht wollen? Also nehmen wir dann alles so hin, weil der Prophet es so mitgeteilt hat?
Einen schönen Gruß!
Michael: schämst du dich nicht doch ein wenig, dich hier auch noch auf Kant, Adorno und Popper zu berufen?! Eine Partei, die bei Lichte betrachtet volksgemeinschaftliche Sehnsüchte bedient und unterstützt, mag sich auf alles Mögliche berufen – aber sicher nicht auf die Traditionen und Ideale der Aufklärung!