Lass die neue Liebe nicht die Suppe auslöffeln!
Auch bei Markus*, heute 49, lief es vor fast zehn Jahren wie so oft: Er realisierte, dass es eine Affäre gab. Seine Frau hatte sich neu verliebt. Ein plötzlicher Schock, vor allem weil Kinder ‚im Spiel’ waren. Das Konstrukt Familie hing in den Seilen. Markus erklärt im ohfamoos-Interview, dass man verletzten Stolz und sein Ego beiseite lassen muss – und welche Schlüsse er noch aus der Trennung zieht.
Eure Trennung ist fast 10 Jahre her. Für Dich gab es plötzlich einen neuen Mann an der Seite Deiner heutigen Ex-Frau. Was lief so falsch? Ein Grund war, dass wir über die Zeit das ‚Wir’ in der Beziehung aus den Augen verloren hatten.
Wir waren irgendwann nur noch Eltern – und jeder war mit seinem Alltag beschäftigt.
Mir war das damals nicht bewusst. Meiner Ex-Frau schon, und in einer Zeit der Unzufriedenheit ist ihr dann der falsche Kerl zum falschen Zeitpunkt begegnet. Die Affäre hat letztendlich alles ins Rollen gebracht.
Eine neue Liebe als Auslöser?
Ja, und dadurch gab es keine Chance mehr an der Beziehung zu arbeiten. Dass er aber nur ein Symptom war, wurde mir klar, als die Affäre nach einem 3/4 Jahr zu Ende war und meine Ex-Frau in eine schwere Sinnkrise und depressive Phase geraten ist. Das entschuldigt nichts, erklärte aber Vieles. Die Chance auf eine weitere gemeinsame Zukunft ist in dieser Zeit allerdings kaputt gegangen.
Wie ging es weiter?
Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, was einige Wochen dauerte, wurde mir langsam klar, dass kein Böswille hinter allem steckte. Es waren zwar Dinge vorgefallen, die mich sehr verletzt hatten und die ich nicht so schnell entschuldigen konnte.
Aber ich wusste, dass sie nicht auf einmal ein schlechter Mensch geworden war und sie immer noch die Mutter unserer Kinder ist. Außerdem hatten wir super Jahre zusammen. Das wird in solch schlechten Momenten viel zu oft vergessen.
Kinder werden in Trennungen schnell instrumentalisiert – wie konntet Ihr das umgehen?
Niemand hat etwas davon, wenn man den Ex-Partner den Kindern gegenüber schlecht macht. Außer dass die Kinder in einen nicht lösbaren Gewissenskonflikt kommen. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn Kinder erleben müssen, dass Beziehungs- und Elternkonflikte mit Anwälten ausgetragen werden. Uns war es auch wichtig, dass sich keiner von uns als alleinerziehend fühlt und wir in der Erziehung der Kinder weiterhin an einem Strang ziehen.
In einer Trennung an die Kinder denken
Wie sah das im Alltag aus?
Als ich damals ausgezogen bin, haben wir sofort einen für die Kinder klaren und nachvollziehbaren Rhythmus etabliert. Damit die neue Situation für die Kinder möglichst schnell zur Normalität wird. Dadurch konnten wir hin und wieder Ausnahmen machen und uns zu viert treffen. Da keiner von uns in den ersten Jahren einen festen Partner hatte, war dies natürlich recht unkompliziert möglich.
Ob das alles so richtig war, kann ich nicht sagen. Für mich war oder ist es der einzig machbare Weg. Und wenn ich mir unsere Kinder ansehe, scheint es nicht ganz so falsch gewesen zu sein.
Du hörst heute häufig, wie gut Ihr das hingekriegt habt. Was war ausschlaggebend dafür?
Wir beide (ich sicher etwas mehr J) haben es geschafft, den verletzten Stolz und das Ego beiseite zu lassen. In unserem Umfeld hatten wir auch zu viele schlechte Beispiele mit bekommen.
Du lebst seit mehreren Jahren wieder in einer festen Partnerschaft.
Ja, aber die ersten Jahre musste ich erst mal lernen wieder alleine klar zu kommen. Für eine neue Beziehung war ich lange nicht bereit. Mir wurde bewusst, dass ich mich selbst zu oft in der Beziehung und Familie vergessen hatte. Ein positiver Nebeneffekt einer Trennung ist, dass man wieder zwangsläufig Zeit für sich hat.
Was hast Du gelernt?
Seit der Trennung habe ich wieder mit der Malerei angefangen und bin inzwischen ein recht passabler Hobby-Schreiner geworden. Der Alltag in einer Beziehung ist ein ganz mieser Typ; wenn ich nicht aufpasse, falle ich gerne wieder in alte Muster zurück.
Und erst als ich realisiert hatte, welche Narben und Ängste die Trennung bei mir hinterlassen hatte, konnte ich mich voll und ganz auf die neue Beziehung einlassen. Das wollte ich lange nicht wahrhaben und hätte deswegen beinahe die neue Beziehung beendet. Eine neue Partnerin sollte nicht die Suppe auslöffeln, die jemand anderes vor Jahren gekocht und versalzen hat.
Hast Du Ratschläge für Menschen in ähnlichen Situationen?
Sobald Kinder im Spiel sind, sollte man sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Und niemals die Kinder in die Situation bringen, sich zwischen den Eltern bzw. deren Sympathie entscheiden zu müssen. Das was zwischen den „Großen“ passiert, sollte die „Kleinen“ nicht zusätzlich belasten. Eine Trennung alleine ist schon schwierig genug.
In der Regel wacht niemand eines Tages auf und sagt sich: Ab heute betrüge oder verletze ich meinen Partner. Es sind immer zwei, die die Beziehung bis zum „turning point“ entwickeln.
Was ist gerade nach einer Trennung entscheidend?
Anstelle in oder nach der Trennung gegeneinander zu arbeiten, sollte man lieber die Energie darauf verwenden gemeinsam den zukünftig getrennten Weg zu gestalten.
Eine Trennung ist immer schmerzhaft aber glücklicherweise nicht lebensbedrohend. Das Leben geht weiter, und es könnte viel schlimmer sein.
Und mit etwas Abstand kann man in einer Trennung manchmal auch die guten Seiten sehen. Es heißt doch so schön, auch aus Steinen die einem in den Weg gelegt werden, kann man wunderschöne Dinge bauen.
Deine Lehre aus allem in drei Sätzen?
Lieber ist man glücklich geschieden (was für mich zutrifft), als dass alle Beteiligten unzufrieden und unglücklich nur der Familie wegen zusammen bleiben. Durch gemeinsame Kinder wird man den Rest des Lebens miteinander verbunden bleiben. Das sollte man sich in einer Trennungsphase, auch wenn es hart ist, immer wieder bewusst machen.
* Der Name wurde geändert.
Fotos: Privat