Offene Gesellschaft: Für Demokratie und Freiheit
Schon ein paar Mal haben wir hier im Blog über die Offene Gesellschaft geschrieben. Sogar ein kleines Event dazu gemacht. So kamen in Düsseldorf 40 Leute, die sich gar nicht kannten, einen Abend zusammen. Nicht um Musik zu hören oder um lecker zu essen, sondern um darüber zu sprechen, welches Land wir sein wollen. Eine Demokratie? Was ist Freiheit wert? Also, was steckt hinter der Offenen Gesellschaft – eine Verschwörung, Sekte oder bitte was?

Wir sind’s, die Mehrheit“, titelt Spiegel Online kühn. Und lässt Harald Welzer, einen der beiden Gründer-Köpfe der Offenen Gesellschaft, einen Gastbeitrag schreiben. Der hat es in sich – denn der Sozialpsychologe (Uni Flensburg) sagt darin vor allem eins: Es stimme eben NICHT „dass die Ängste, die Besorgnisse, die Wut und der Hass, die das rechte Marketing erfolgreich auf dem Markt der Dauererregung platziert hat, in der Gesamtbevölkerung verbreitet seien“. Vielmehr würden die Bürger „stoisch“ auf die Befolgung des Asylrechts bestehen. Er verweist auf Umfragen und darauf, dass quer durch alle Schichten nach wie vor beeindruckende Hilfe für Flüchtlinge und andere Benachteiligte geleistet würde.
Wie gefährdet ist unsere Demokratie?
Alles „nur“ rechtes Marketing? Man muss fein unterscheiden. Die Offene Gesellschaft hat sich im Herbst 2015 als ein Netzwerk von Privatpersonen, Aktionsgruppen, Bündnissen und Institutionen gefunden, um sich einer Entwicklung entgegen zu stellen, die zunehmend von radikalen und populistischen Gruppierungen dominiert wird. Damit diskutieren auch Welzer und Co bestehende Ungerechtigkeiten in Deutschland nicht weg. Prominente Vertreter wie der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, oder die Schauspielerin Katja Riemann sind ja nicht blind. Wogegen sie sich wenden – und ohfamoos unterstützt das ausdrücklich – ist eine Politik der Angst und Ausgrenzung. Und sie treten dafür ein, FÜR Demokratie zu streiten. Dazu noch mal Welzer:
„Demokratie kann nur dann bestehen, wenn genug Menschen für sie eintreten. Denn sie ist nie gesichert, bedarf der beständigen Nachsteuerung in einer sich stetig verändernden Welt und muss, wenn sich die politischen Stimmungen so wie im Augenblick zu verschieben drohen, verteidigt werden, aktiv, entschieden, live und in Farbe.“
Wie sich mit Rechtspopulismus auseinandersetzen?
Das haben wir bei uns im Büro versucht (und das kann jeder in seinem Umfeld machen!); Tanja Deuß, eine wunderbare Düsseldorfer Fotografin, hat das mit Bildern und einem Interview begleitet. Seht, wie engagiert wir waren! Und wie inspiriert danach. Ein Teilnehmer, Peter Klein, hat sich danach hingesetzt und einen Offenen Brief geschrieben, wo er u.a. formuliert: „… wenn wir den Ursachen einer möglichen bedenklichen Entwicklung unserer Gesellschaft in Richtung Verrohung, Fremdenfeindlichkeit und Chauvinismus entgegen wirken wollen, bedarf es der Auseinandersetzung auch mit den Gedankengebäuden rechtspopulistischer Gruppierungen, so abstoßend es sein mag (…) Unterlassen wir dies, so sind unsere „Aktionen“ nur Löschversuche der von den Rechtspopulisten gelegten Brände, der „Zunder“ jedoch wird weiter verfügbar sein und möglicherweise geht uns – nicht zuletzt begünstigt auch durch den demografischen Wandel – irgendwann das „Löschwasser“ aus.“

Soziale Bewegungen haben eine ungeheure Kraft
Ich habe mal Soziologie studiert, lange ist es her… aber was mir gut in Erinnerung ist, ist die Kraft sozialer Bewegungen. Wo stünden wir eigentlich ohne Arbeiterbewegung, Bürgerrechtsbewegung, Frauenbewegung oder Öko-Bewegung? Wer hat Arbeitnehmerrechte erkämpft, die soziale Marktwirtschaft erstritten, Diskriminierungen abgebaut oder den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft vorangetrieben?
Leute, wir meinen es ernst, bewegt Euch doch bitte ein bisschen mit! Deutschland ist ein so tolles Land, wollt Ihr leichtfertig aufgeben, was geschaffen wurde? Dafür bedarf es nicht gleich Riesen-Aktionen; kann nicht jeder im Kleinen etwas tun? Statt zu denken: Ich habe doch keinen Einfluss! Doch, jeder hat ihn!
Schaut auch dahin, wo es gut läuft!
Der öffentliche Ton wird rauher – egal ob „die Medien“ das jetzt ungerechtfertigt hoch schaukeln oder nicht. Es lässt sich eben leichter über einen Brandanschlag berichten als über 10 friedliche Aktionen. Und damit verharmlose ich Gewalt nicht, aber ich sage: Schaut auch dorthin, wo es gut läuft und verteidigt das! Rechtspopulistische Meinungen, die auf die Gefühle und Stimmungen verunsicherter Bürger bauen, schotten ab – aber wo helfen sie wirklich? Sie tun vor allem eins: Sie vergiften unser Klima. Und lähmen unsere Bereitschaft zu helfen.
Wie sagte es jüngst die Buchautorin Jeannette Hagen in einem Interview?
„Wenn ich sage, die sind sowieso alle Terroristen, muss ich ihnen nicht helfen. Damit ist meine Untätigkeit legitimiert. Natürlich führen nicht alle Gutes im Schilde, die zu uns kommen. Aber alle in einen Topf zu werfen, bewahrt mich davor, dass ich bei der Hilfe mit anpacken muss.“

Wer kann konstruktiv sein, wenn er/sie negativ gepolt ist? Ich nicht. Um noch einmal die Offene Gesellschaft zu zitieren, die auf ihrer neuen Website schreibt: „Wir haben einfach keine Zeit für dieses ewige Gejammer der Rechten.“ Egal aus welcher Richtung, aber etwas tun, etwas bewirken kann man besser mit Zuversicht, Mut und mit anderen, die ähnlich positiv denkend unterwegs sind.
Am 29. September gibt es in Düsseldorf noch eine Veranstaltung, für die ich Offene Gesellschaft und Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen gebracht habe. Diesmal im großen Stil. Ziel ist auch hier: Orientierung zu schaffen, indem wir debattieren! Da werden rund 200 Leute zusammen kommen, ein tolles – Ihr ahnt es schon, ja ein ohfamooses – Experiment.
- Die Initiative Offene Gesellschaft ist eine bürgerschaftliche Initiative ohne Parteibindung, die für das politische Gemeinwesen so eintritt, wie es im Grundgesetz formuliert ist.
- Hier der Spiegel Online-Beitrag von Harald Welzer.
Fotos: Tanja Deuß, http://www.knusperfarben.de

Mich erschrecken der ungefilterte Hass und das unverfrorene Ressentiment in den Internetforen und neuerdings auch in der öffentlichen Debatte. Es scheint mir dringend nötig, die Erfolge und die Werte der liberalen Gesellschaft und der Europäischen Union offensiv zu vertreten. Ich hoffe, dass „Die offene Gesellschaft“ eine wirkungskräftige Plattform dafür wird.
Heute (1.10.) wollte ich mich dort anmelden, um mitzumachen, aber leider gab es dauernd Fehlermeldungen. Ich versuche es weiter.
Lieber Jacques,
danke für Deinen Kommentar, soviel ich weiß, ist die website der Offenen Gesellschaft derzeit in Überarbeitung, wenn Du mit machen willst, melde Dich am besten dort direkt bei jemanden im Team. z.B. bei Alexander Wragge.
Was ich Dir auch empfehlen kann zu dem Thema ist dieses Buch: Jeannette Hagen: „Die Leblose Gesellschaft. Warum wir nicht mehr fühlen können.“ Die Autorin zeigt darin auf, warum Menschen so viel Leid verdrängen können, aber auch was man tun kann um in der gegenwärtigen Situation engagiert zu handeln. Ich habe Frau Hagen ja oben in meinem Beitrag bereits zitiert, ihr Buch wird derzeit in einigen Medien besprochen, demnächst vielleicht auch bei uns 🙂
Liebe Elke,
nach mehreren Anläufen habe ich es nun geschafft, Unterstützer der „Offenen Gesellschaft“ zu werden. Wer es ebenfalls möchte, muss auf die Zeichenbegrenzung achten. Die Rubrik „Über mich“ darf nur 140 Zeichen, der freie Text nur maximal 255 Zeichen umfassen. Alles darüber ergibt eine Fehlermeldung.
Vielen Dank für den Buchhinweis zu Jeanette Hagen. Ich habe es überflogen. Das Anliegen der Autorin ist sehr ehrenwert. Aber trifft sie die Realität? Überall auf der Welt gibt es viele ehrenamtliche und professionelle Helfer, auch in der aktuellen Flüchtlingssituation. Anzunehmen, a l l e müssten mithelfen, ist unrealistisch. Und die, die nicht mithelfen, sind keineswegs alle hartherzig. Sympathie und Empathie unterliegen vielfältigen Bedingungen, die nicht alle und nicht in jedem Augenblick vorhanden sind. Wir leben nicht in einer überdurchschnittlich lieb- und leblosen Gesellschaft. Und war es denn früher wirklich besser? Es gibt Hinweise, dass Mitgefühl noch nie so hoch war wie in diesen Jahrzehnten. Natürlich kann sich die Menschheit auch in dieser Hinsicht steigern.
Nicht einverstanden bin ich mit der These der Autorin, eine deutsche Hartherzigkeit sei ein Erbe des Nationalsozialismus. Ich würde die Gegenthese vertreten: gerade Deutsche engagieren sich überdurchschnittlich im Kampf gegen das Elend der Welt.
So meine ich denn, dass die Autorin zur Klärung der gegenwärtigen Lage wenig beitragen kann.
Ich lese das Buch gerade und mir gefällt es sehr. Zumal die Autorin ja selbst schreibt: „Natürlich kann nicht jeder die Welt retten. Das ist auch gar nicht nötig. Es würde schon reichen, wenn wir tief in uns horchen und fühlen, was es mit uns macht, das Elend der Welt zu sehen.“ Ich glaube, ihr Ansatz ist NICHT, jeder müsse jetzt sofort etwas tun, das ist tatsächlich auch aus meiner Sicht unrealistisch. Wenn ich alles gelesen habe, melde ich mich wieder 🙂
Eins kann ich aber schon jetzt sagen: Ich frage gern jeden Menschen, der meint, irgendein Land könne tatsächlich dicht machen und sich vor weiteren fliehenden Menschen abgrenzen, wie er oder sie zu dieser Meinung kommt. Was ihn oder sie berechtigt zu glauben, die eine Nation könne privilegiert leben und die andere nicht. Das interessiert mich wirklich. Deshalb denke ich auch, dass Jeannette Hagen einen wichtigen Punkt getroffen hat: Die Frage ist nur in Gänze zu beantworten, wenn man Gefühle zu lässt. Schirmt man sie ab, kann man theoretisch Obergrenzen (oder was auch immer) ziehen. Spürt man das Leid anderer, ist das schwieriger bis unmöglich. So meine Wahrnehmung.