DAS macht gute Freundschaften aus!
Ich sitze beim Lunch, nebenan zwei Frauen. Ihr Thema: Freundschaften. Als eine sagt, da müsse man mittlerweile „echt priorisieren“, werde ich aufmerksam. Ich sehe, sie ist schwanger – aber deshalb gleich neue Freunde?
Aufräumen im Freundeskreis. Oft bin ich über das Thema gestolpert. Immer öfter eigentlich. Kürzlich bei einem Wiedersehenstreffen der alten Firma zum Beispiel. Toll, wer alles kam, große Freude. Viele Freunde treffen sich. Schön zu sehen, in welche Richtungen sich alle weiter entwickelt haben. Aber ich merkte auch, dass sich der Draht zu einigen nicht mehr herstellen lässt, jedenfalls nicht mehr wie früher. Andere sind (aus diesem Grund?) erst gar nicht erschienen.
Sich für eine Freundschaft verbiegen?
Traurig? Nein. So ist das Leben – wie auch die Ladies beim Lunch durchklingen lassen. Man priorisiert, wer einen nächsten Lebensabschnitt mitgehen kann oder möchte. Man stellt fest, was passt – und eben auch WER passt. Und wer und was NICHT. Sich verbiegen einer Freundschaft wegen? Geht das überhaupt?
Ich erinnere mich: Als ich Anfang 2011 meinen wenige Wochen alten, hungrigen und deshalb ziemlich zeternden Sohn im Arm halte, sagt mir eine Freundin doch glatt: „Huch, genau das brauche ich nicht.“ Ich kann mich noch heute an ihren Gesichtsausdruck erinnern, die Nase gekräuselt, richtige Abwehrhaltung. Sie lachte kurz drauf, es war ihr einfach raus gerutscht. Empört war ich damals. Heute denke ich: Wie ehrlich sie war.
Alte Freunde umarmen
Anderes zu erleben, sehr gern – aber wenn die Zeit knapper wird, kommt man wohl um Feng Shui auch im Freundeskreis nicht drum herum.
Und gleichzeitig ist es eine Riesenfreude festzustellen, wenn man „richtig alte“ Freunde trifft, wo man anknüpft, als sei nix gewesen.
Bei zwei meiner Schulfreundinnen ist das zum Beispiel so. Allein dafür könnte ich sie jedes Mal umarmen. Oder wie meine Kollegin Cornelia es ausdrückt: „Es fühlt sich großartig an, einer Freundin gegenüber zu sitzen, mit der ich über 30 Jahre verbunden bin (und gruselig:-)). Gemeinsame Geschichten über viele Lebensphasen hinweg haben echt was.“
Meine Kollegin Melanie aus Sydney profitiert hier übrigens von der englischen Sprache „Wir machen uns durch die Sprache bewusst woher man sich kennt und welche Interessen man teilt: ‚I know her from work/school/sports. Bis man sagt, ‚she is a friend of mine’ … das kann dauern.“
Die Freundin mit der Anti-Baby-Haltung kenn ich heute übrigens nur noch flüchtig, weil wir schlicht in anderen Welten leben. Und: Mein Freundeskreis verändert sich gerade wieder – und ich bin ohfamoos gespannt in welche Richtung!
Fotos: privat und unsplash (Priscilla-du-Preez)

Ein guter Beitrag, ein zum Nachdenken anregender – zu einem für uns alle unheimlich wichtigen Thema – danke hierfür, liebe Elke!
Ich persönlich sehe für mich zwei Kategorien wirklich guter Freunde – und meine damit ausschließlich wirkliche Freunde, nicht nur gute Bekannte. Ich meine jene Menschen, denen ich mich sehr nah fühle, auch wenn man gerade nicht am gleichen Ort weilt. Die erste Kategorie sind die“alten“ Freunde, mit denen mich ein langes, langsam gewachsenes, vielleicht sogar noch aus Jugendtagen herrührendes und sturmerprobtes Vertrauensverhältnis verbindet. Mit ihnen ist alles wie immer, alles ganz nah, selbst wenn seit dem letzten Treffen vielleicht Jahre (oder Jahrzehnte) vergangen sind. Die zweite Kategorie, das sind die „aktuellen“ Freunde, mit denen mich jetzt, in der Gegenwart, zusätzlich zu den „alten“ Freunden ein beidseitig erfreuliches persönliches Wohlwollen und Interesse verknüpfen. Mit ihnen verbringt man in der aktuellen Lebensphase gerne und regelmäßig Zeit, oft sogar mehr als mit der ersten Gruppe, zumindest wenn man seinen Lebensmittelpunkt oft verlagerte. Und auch diese Freunde liebt man, aufgrund des durch die gemeinsame Zeit gewonnenen beidseitigen Vergnügens und des intellektuellen sowie sozialen Gewinns. Und auch dies erfüllt für mich den Tatbestand der guten Freundschaft. Ich könnte keine dieser beiden Gruppen in ihrer Bedeutung für mich gegen die andere abwägen – beide sind mir gleichermaßen wertvoll. Denn wie oben von Elke beschrieben liegt ein besonderer Reiz darin, dass sich gerade die zweite Kategorie von Freunden im Laufe des Lebens wandelt, immer neue Zu- und Abwanderung erfährt, sich mit uns verändert und entwickelt. Und das ist doch wunderbar, gerade als Ergänzung und Belebung der so wichtigen „alten“ Freundschaften!