Die Höhle von Lascaux oder Schatten an der Wand?
Wenn Ihr öfter mal auf ohfamoos schaut, kennt Ihr Sonja ja jetzt schon ein wenig und wisst, dass sie gerne liest und viel reist. Immer wieder inspirieren sie auch Bücher zu Reisen. Kürzlich las sie das Buch Schatten an der Wand vor ihremm Trip nach Bordeaux und Ihr wurde klar: sie muss nach Lascaux.
Schatten an der Wand ist ein Buch von Martin Walker. Martin ist Schriftsteller, Historiker, politischer Journalist und Vorsitzender eines Think-Tanks in Washington. Ich hatte das große Glück, ihn vor Jahren in Dubai persönlich kennen zu lernen. Seine ‚Bruno’ Romane sind wohl bekannt, aber in ‚Schatten an der Wand’ geht es um ganz andere Sachen – um die Entstehung von prähistorischen Höhlenzeichnungen in Lascaux.
Das Buch hat mich so neugierig gemacht, dass ich beschloss, mir die Höhle von Lascaux selbst anzuschauen. Wenn Picasso diese Künstler als die wahren Meister bezeichnete und Abbé Henri Breuil die Malereien mit der Sixtinischen Kapelle verglich, musste ja was dran sein!
Ausgangspunkt war Bordeaux, eine Stadt, die an sich schon eine Reise wert ist, die aber diesmal schmählich von mir vernachlässigt wurde. Mit dem Mietwagen ging es los; vorbei an Saint-Emilion, einem bezaubernden Weinstädtchen, in dem es von Chinesen nur so wimmelte, vorbei an Périgueux mit seiner monumentalen Kathedrale, schnurstracks nach Montignac, wo man an in der Nähe der Touristeninformation die Karten zur Besichtigung der Höhle kaufen kann. Es werden am Tag nur 3,000 Karten verkauft und wenn man zu spät kommt, muss man bis zum nächsten Tag warten. Aber ich hatte Glück: keine Schlange, kein Anstehen und es gab sogar eine deutsche Führung.
Zurück ins Auto und hinauf auf den Hügel. Alle 10 Meter oder so steht am Wegrand ein Schild, das darauf hinweist, dass es an der Höhle keine Karten zu kaufen gibt. Ich musste schmunzeln, denn es erschien mir etwas übertrieben. Aber es gab wirklich Menschen, die – oben angekommen – diese Schilder missachtet hatten.
In einem Wäldchen warteten schon viele Besucher, die im 20-Minutentakt Einlass zur Höhle erhielten. Die Höhle hat auch im Sommer nur 14 Grad und die Führung dauert 45 Minuten; also war ich froh, dass ich mein Jäckchen dabei hatte.
Im ersten Raum unter der Erde erfuhr ich, dass die Höhle von Lascaux am 12. September 1940 entdeckt und 1948 für die Allgemeinheit geöffnet wurde. Jedoch führte die abgegebene Atemluft der vielen Besucher zur Bildung von Schimmel, der die Höhlenzeichnungen angriff. Deshalb wurde die Höhle 1963 für den Publikumsverkehr geschlossen und eine exakte Nachbildung des ‚Saals der Stiere’ und des ‚axialen Seitengangs’ 1983 eröffnet – genannt Lascaux 2.
Die Höhle selbst ist relativ klein und das gesamte Gangsystem nicht länger als 250 Meter. Alle Kunstwerke befinden sich fast ausschließlich im oberen Bereich der Höhle, so dass man, selbst dicht gedrängt stehend, alles gut bewundern kann. Fotografieren ist übrigens nicht erlaubt.
Der Saal der Stiere ist zweifellos der spektakulärste Abschnitt. Einige der Abbildungen sind riesig groß, wie beispielsweise der berühmte „Stier“ mit einem Ausmaß von 5,20 Meter. Je nach Untergrund gemalt, geritzt oder gespuckt (!), verströmen die gelben, roten, braunen und schwarzen Farbtöne dieser uralten Abbildungen eine eigentümliche Atmosphäre.
Auf den Wandseiten sieht man große Auerochsen, Wildpferde und auch ein Einhorn. Filigran erscheinen die Hirsche. Bemerkenswert ist, dass die Maler die Gegebenheiten der Höhle genutzt haben, um die Tiere in Perspektive erscheinen zu lassen.
Der axiale Seitengang ist ebenfalls mit Rindern und Pferden ausgeschmückt, die hier aber von Hirschen und Steinböcken begleitet werden. Zwischen den Tieren finden sich immer wieder verschiedene Zeichen, wie z. B. Stäbe, Punkte und rechteckige Muster. Man weiß leider nicht, was diese bedeuten. In Walkers Buch erfährt man aber viel über die Maltechniken der Menschen, die vor 17.000 Jahren diese Zeichnungen angefertigt haben.
Nach 45 Minuten des Staunens kommt man wieder zur Oberfläche und hat nun noch mehr Fragen als vorher. Warum ist nur ein Mensch abgebildet? Welche Bedeutung hatten die Tiere für die Menschen von damals? Wer waren die Maler?
Nun, diese Fragen werden wohl für immer unbeantwortet sein; fest steht jedoch, dass Lascaux die besterhaltenen prähistorischen Malereien Europas sind – und man sie unbedingt gesehen haben sollte.
Wusstet Ihr?
- Mehr als 2000 Figuren und Zeichen sind auf beiden Seiten eines nur 150 Meter langen schmalen Höhlenganges zu sehen
- Neuste Untersuchungen weisen darauf hin, dass ihre Entstehung bis zu 19 000 Jahre vor Christus zurückreicht.
Text: Sonja Ohly
Fotos: privat, Prof. Saxx