Sprache ist, was ich draus mache
Rumpöntern – was ist das? Etwas Ähnliches wie Rumkugeln? Oder eher wie rumbosseln, -daddeln oder -krösen? Umgangssprachliche Wörter schleichen sich immer wieder gerne in das eigene Vokabular ein und machen es persönlich und gemütlich. Fast wie ein bisschen Heimat. Gastautorin Christine Mangold über unsere Umgangssprache.
Deshalb freue ich mich immer, wenn ich Freunde dabei ertappe, etwas Mundartliches in ihr Vokabular einfließen zu lassen, die ansonsten nur Hochdeutsch sprechen. So wie kürzlich eine Freundin im Berliner Zoo, die bei der Fütterung der Raubtiere vor einem gelangweilten Löwen enttäuscht meinte: „Der schlotzt ja nur.“
Unsere Sprache
Sippenstiftend wirken familiär gebräuchliche Wörter. Bei uns zu Hause etwa das Wort „mongelesfarben“, die Bezeichnung für undefinierbare
Mischfarben wie etwa Braun-Aubergine und Grau-Petrol. Oder „Happchendammlich“ für ein wenig bescheuert. Meine Kollegin Katrin benutzt gerne das Wort „keu“. Das bezeichnet wider Erwarten keine asiatischen Zierkarpfen, sondern bedeutet schlichtweg „Quatsch“. „Mir geht’s lilam“, heißt in ihrer Familie „nicht so gut“. „Hünzerzünzchen“ wiederum ist ein Wort für abstehende Nagelhaut, das man unbedingt in sein Vokabular aufnehmen sollte. Auch Verballhornungen sind beliebt: Bei meiner Kollegin Laura gibt es zu Hause die Diagnose „Blerpeshäschen“. Was das wohl heißt?
Als Kind hat man eine ganz klare Haltung zu richtiger Sprache und ist da zumeist auch nicht sehr kompromissbereit. Ich war früher der Meinung, „Motel“, klinge viel hübscher als „Hotel“ und schloss mich, als ich korrigiert wurde, vor Wut in die Dusche ein. Oder der kleine Sohn meiner Mitbloggerin Elke: Er ist ein großer Anhänger der Farbe „Gorange“. Verbessert man ihn, besteht er darauf: „Nein, das heißt gorange!“ Basta.
Schrecklich festzustellen, dass die beste Freundin zum Endstück des Brots nicht Knust, sondern Knäuschen sagt. Die ist ja nicht ganz knusper! Ebenfalls gängig sind Knüppchen, Knüpschen oder Kniepe. Zumindest herrscht landauf, landab die Überzeugung, dass ein „kn“ her muss. Dazu gibt es übrigens ganze Sprachatlanten. Für ein dialektales Mischwesen wie mich ist immer interessant, wer sich familiär besser durchsetzen konnte: Die Preußen oder die Schwaben.
Da kann man schnell auch mal nationalistisch werden. Ein Freund übte zu Schulzeiten mit seiner Klasse den Aufstand gegen die Französischlehrerin. Als diese ihnen klarzumachen versuchte, dass „Gruppe“ im Französischen „le groupe“ und nicht „la groupe“ heißt, stand die gesamte Klasse vor der folgenden Französischstunde auf und begrüßte die eintretende Lehrerin mit einem skandierten „la groupe! la groupe!“.
Ach, Fremd- oder Lehnwörter: Da entstehen gerne mal Grabenkämpfe. Während ich Accessoire „Aksessoir“ ausspreche, sagt Katrin „Assessoir“. Ich sage „Orchester“ mit weichem „ch“, sie sagt „Orkester“. Gab es zu dieser Thematik nicht einmal einen Song von Fred Astaire und Ginger Rogers: „I say potatoes and you say potatoes …,“ einmal amerikanisch, einmal britisch ausgesprochen?
Ich kriege immer einen Anfall, wenn der Nachrichtensprecher Chile mit weichem „ch“ sagt – was er darf – anstelle von „Tschile“. Und könnt Ihr Euch noch erinnern, in welche Turbulenzen die Anchormen und -women zu Solidarnosc-Zeiten gerieten? Da mutierte Lech Walensa (deutsch ausgesprochen), zu Walessa, zu Welensa (mit nasalem „en“). Alles falsch, sagt meine polnischstämmige Kollegin Ilona. Ich verzichte auf die phonetische Transkription …
So, genug gepöntert. Es wird Zeit, mal ein bisschen am Knust meines Rosinenweckchens rumzuschlotzen. Oder war das jetzt keu?
Text: Gastautorin Christine Mangold
Fotos: Laura Schreiber
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