“Wir gratulieren den Männern, weil sie Männer sind!”
Der internationale Frauentag am 8. März ist vielen bekannt, in Russland wird kurz vorher – am 23. Februar – der Männertag gefeiert. Ein Männertag? Wer braucht denn so was? Wir haben die Russin Olga Rimsky-Korsakova gefragt, welchen Sinn es macht, dass Frauen Männer feiern und wie sie es tut.
Welche ersten Erinnerungen hast Du an diesen Tag?
Olga: Schon als Kleinkinder haben wir Mädchen versucht, die Jungs an diesem Tag zu überraschen. Haben kleine Geschenke gebastelt, ein Konzert oder ein Essen vorbereitet. Für unsere kleine “Favoriten”… Diese Jungs sollten auf uns aufmerksam werden. Und natürlich wussten wir, dass zwei Wochen später der Frauentag kam… Konnten wir mit einer Antwort rechnen?
Und zu Hause? Wie habt Ihr da gefeiert?
Ich bin in einer “Frauenfamilie” mit Oma, Mutter und Katze aufgewachsen. Sämtliche Aufmerksamkeiten gingen an diesem Tag in Richtung meines Vaters. Jedes weibliche Familienmitglied, mit Ausnahme der Katze (lacht), bereitete ein kleines Geschenk für Papa vor.
Man muss sich das vorstellen, im damaligen Haushaltsunterricht in der Schule war das Handarbeiten von z.B. selbst bestickten Stofftaschentüchern oder Glückwunschkarten oder das Backen leckerer Kekse bereits im Lernprogramm vorgesehen! Für uns war das praktisch, so hatten wir ja gleich was zum Verschenken. Abends gab es dann ein feierliches Familienessen, mit allerhand Delikatessen wie Salami, Schinken, Kaviar und Sekt.
Eure Idee zuhause war schlicht die Familie zusammen zu bringen?
Ja, eine Ideologie steckte dahinter wirklich nicht.
Klingt ein bisschen nach Valentinstag für die Familie oder doch eine russische Version des bei uns üblichen Vatertags?
Von beidem etwas. Nur während der Tag ganz früher Anlass war, der Macht der Armee zu gedenken, steht mittlerweile “einfach” der Mann im Mittelpunkt. Die Bedeutung ist also mutiert…
Ursprünglich ging es um die Armee, nicht um Männer feiern?
Ja, der 23. Februar wurde 1918 als russischer Feiertag eingeführt, zur Ehre der ersten Siege der damals jungen Roten Armee im 1. Weltkrieg. Wenig später wurde der Tag zum offiziellen Nationalfeiertag in der Sowjetunion erklärt. Bis zur Auflösung der alten Sowjetunion hieß der 23. Februar ‘Tag der Sowjetischen Armee und Militärflotte’, danach wurde aus diesem wichtigen Feiertag der ‘Tag des Vaterlandsverteidigers’.
Der Tag hatte also eine starke militärische Note, richtig?
Ja, zu Ehren der Menschen, die uns mit Waffen beschützt hatten. Viele Russen wussten das, haben aber trotzdem anders gefeiert bzw. eben “nur” das Familienfest betont…
Männer feiern – „eine nette Kleinigkeit für jeden meine Männer“
Wie bist Du mit dieser Tradition umgegangen, als Du eine eigene Familie hattest?
Ich habe sie weiter genutzt, um als Familie etwas Schönes zusammen zu machen. Ich versuche an jedem 23. Februar eine nette Kleinlichkeit für jeden meiner Männer zu organisieren. Da ich jetzt mit meinen zwei Söhnen, meinem deutschen Lebenspartner und unserem Rüden eine “Männerfamilie” habe, fällt es mir manchmal echt schwer, neue Ideen dafür zu entwickeln, die Männer zu feiern.
Wird sich die Bedeutung des Männertags wandeln?
Ja, er muss einen neuen Sinn finden, sonst wird er bald aussterben. Das ist jedenfalls meine Prognose. Heute steht im Fokus der Zeremonie ein anderer Aspekt: Frauen ehren Männer, egal ob sie – wie früher – die Aufgabe haben etwas zu verteidigen oder nicht.
Aber für was konkret ehren Frauen heute die Männer?
Wir brauchen dafür keinen besonderen Grund. Wir gratulieren den Männern einfach, weil sie Männer sind um ihnen auszudrücken, wie sehr wir sie schätzen. Punkt. Viele Firmen veranstalten darüber hinaus richtige Feste. In einem meiner früheren Unternehmen, wo ich tätig war, haben wir beispielsweise ein “Sport-Programm” mit einem Quiz, einem richtigen Contest und einem vitaminreichem Essen für unsere Männer organisiert. Aus Anlass der Olympiade. Dazu haben wir uns entsprechend sportlich gekleidet, wie man auf dem Foto ja auch sieht.
Ihr Frauen habt also auch was davon?
Na klar, darauf achten wir natürlich sehr. Und es war ein gutes Zusammensein für unser kleines Team, hat allen Spaβ gemacht.
Machen denn russische Männer für Frauen auch mal was in der Art?
Sie bemühen sich ebenso darum, etwas Nettes für uns zu organisieren. Und immer gibt es an diesem Tag einen Blumenstrauß für jede Frau im Büro, was ich sehr nett finde.
Welchen Sinn haben solche Feiertage für Dich?
Kritiker sagen: Abschaffen. Aber kann man sich zu oft um die Menschen im eigenen Umfeld kümmern? Ich brauche dafür keine vom Staat festgelegten Tage. Nur geht es allen so? Mein Credo ist: Am besten dem eigenen Gefühl folgen: Ist Dir danach, etwas Besonderes für Männer in deiner Umgebung zu tun? Mach es. Fühlst Du anders, lass es.
Du feierst also weiter am 23.2.?
Genau. Für mich hat dieser Männertag nach wie vor viel Charme. Das hat nichts mit seinen Wurzeln vor 100 Jahren zu tun, klar. Und von außen versteht man unsere Motivation vielleicht nur schwer, aber ich verstehe den Tag als eine einzigartige Tradition in Russland. Und wir Frauen gestalten ihn gerne, denn es ist doch irgendwie “unser” Männertag, oder?
Das Interview hat Elke Tonscheidt geführt.
Olga Rimsky-Korsakova, Jahrgang 1970, lebt mit ihrer Familie in Berlin. Zuvor in St. Petersburg. Sie mag die Tradition, Männer zu feiern. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben ihrer Familie vor allem dem Lesen, Sport, Kultur und allem, was neu und interessant ist.
„Wir gratulieren den Männern“ – Beitrag gefällt mir. Passt auch ein wenig zum
SPIEGEL-Beitrag vom 6.10.2014: „Nach Jahren der Frauenförderung wird ein neues Prekariat identifiziert: Männer.“ Russland ist da wohl schon weiter in der Entwicklung als Europa.
Nach meinem Verstaendnis steht Russland noch VOR der Phase, wo Frauenrechte bewusst geschuetzt werden. Daher kann man auch schlecht sagen, dass wir in diesem Bereich weiter als Europa sind. Andererseits habe ich persönlich nicht das Gefuehl, dass meine Rechte als arbeitende Frau irgendwie den von Männern hinterher „hinken“. Aber dies ist vielleicht der Unternehmenskultur der Firmen, wo ich arbeitete und arbeite, zu verdanken, weil sie alle einfach normal sind. Kann es sein, das Gleichberechtigung eher ein Luxusproblem in Deutschland ist, und wir hier in Russland uns noch mit einigen anderen Problemen beschaeftigen muessen, die hoehere Prioritatet haben.
Was meint Ihr dazu?
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