Designerdüfte: Das riecht wie … aber wie?
“When is the smell of ‘World War I’ going to be over?” Diese Frage stammt nicht etwa von Politikern oder gar Kritikern der aktuellen Weltlage, sondern von der Tochter der berühmten Sissel Tolaas, die Designerdüfte kreiert. In Tolaas’ Wohnung in Berlin entstand dieser außergewöhnliche Duft mit dem Namen ‚World War I’ anlässlich einer Ausstellung des Militärhistorischen Museums in Dresden. Nicht nur Gastautorin Melanie Blankenstein fasziniert das sehr.
Ich interessiere mich für Menschen, die Außergewöhnliches tun. So stieß ich beim Browsen im Internet auf diese tolle Frau, leider konnte ich sie (noch) nicht persönlich kennen lernen.
Eine Kombination von Wissenschaft und Kunst. Die norwegische Professorin für unsichtbare Kommunikation und Rhetorik an der Harvard Business School, Künstlerin und Geruchsforscherin sammelt und kreiert Gerüche aller Art. Inzwischen besitzt sie laut SZ Magazin über 7000 Gerüche in ihrem Labor, zu Hause in Berlin. Darunter Düfte mit den Namen: ‘Smoky/fishy. Senegal. 1994.’ oder ‘Sweat. Argentine.’ Ich kenne nicht viele Menschen, die so einer Leidenschaft nachgehen. Wie oft hab ich mich schon über die Körpergerüche ‚anderer’ im Flugzeug oder der Straßenbahn gewundert. Selten fielen mir Wörter wie originell oder gar interessant in diesem Zusammenhang ein.
“Ich habe mir jeglichen Ekel abtrainiert” (Sissel Tolaas)
Wo andere in Badezimmer rennen, fühlt Sissel Tolaas sich erst richtig wohl: Für eine Ausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden hat Sissel Tolaas den Geruch des 1. Weltkrieges zusammenstellen. Dafür befragt sie Soldaten aus aktuellen Kriegen sowie Kriegsveteranen nach deren Erfahrungen, analysiert den Duft von Leichen, Kriegsgerätschaften, Blut, Eiter usw. und das alles in ihrem Research Lab in ihrer Wohnung in Berlin. Kein Wunder, dass die Tochter irgendwann die Nase voll hatte.
„Wir haben eine erstaunliche Hardware genannt Körper und diese erstaunliche Software unsere Sinne. Wir verwenden die meiste Zeit das Seh- und Hörvermögen, um die Wirklichkeit wahrzunehmen. Unsere Nase hat in der westlichen Welt wenig zu tun – es sei denn im Zusammenhang mit Parfüm. Wir kommunizieren Geruch in unserer Gesellschaft eigentlich nur durch Parfüm. Ich finde das schade.“ (Sissel Tolaas)
Das riecht wie … Im Gegensatz zu Farben gibt es für Gerüche keine Bezeichnungen. Sissel Tolaas hat ihre Nase trainiert und kann weit mehr als Emotionen riechen und diese auch bezeichnen, chemisch und emotional. Eine genaue Analyse der chemischen Zusammensetzung eines bestimmten Geruches, sowie dessen Reproduktion, ist für sie ein Kinderspiel. Und damit führt sie die Menschen sozusagen an der Nase herum: Einmal kam sie laut Aesop zu einer Filmpremiere in einer Designerrobe – dazu trägt sie selbstbewusst den Duft eines Obdachlosen, zusammengesetzt aus Schweiß, Erbrochenem, Alkohol und Staub. Der Geruch war signifikant, aber niemand vermutete Sissel Tolaas als Ursprung des Übels, wo sie doch so schick angezogen war…
Offensichtlich gibt es eine sehr schnelle Verbindung von Geruchsempfinden und Vorstellungskraft, doch diese wird überholt von der optischen und akustischen Wahrnehmung. Was passiert also, wenn wir uns genau diesen Prozess bewusst machen, sprich erst den intensiven Geruch einer Person wahrnehmen und dann das Bild ‚optisch’ ergänzen? Hätte ich mich freiwillig bei der Filmpremiere neben Sissel Tolaas niedergelassen, hätte ich sie erst gerochen? Ich glaube nicht.
Seid tolerant! Irgendwie ist das alles nicht neu – aber keiner hat es bisher so ausgedrückt wie Sissel Tolaas und sie hat mich am meisten beeindruckt mit ihren bewussten Provokationen: Nehmt also Eure Umwelt wahr, mit allen Sinnen. Lernt zusammen auszukommen und den anderen zu akzeptieren, so wie er ist. Und Sissel Tolaas hat Recht, von dieser Toleranz brauchen wir alle eine Essenz mehr. Du und ich!
Übrigens Parfüm oder Deo trägt Sissel nie!
Wer mehr über Sissel Tolaas erfahren möchte:
Ein Interview ohne Worte.
So riecht Berlin!
Fotos gefunden bei: SZ Magazin, Alfred Steffen, Huffington Post und Aesop
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