Dieter Brandecker: Endstation Sehnsucht
Rastlose auf der Suche nach Geborgenheit – um so einen Typen dreht sich die Geschichte eines Detektivthrillers, der in Düsseldorf entwickelt wird. Das Drehbuch wurde bereits von der Filmstiftung NRW gefördert, der bekannte Schauspieler Dieter Brandecker will die Hauptrolle spielen. Thematisch geht es um die Vertreibung aus alten Stadtvierteln und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit. ohfamoos hat mit Filmemacher Florian Siebert und Dieter Brandecker gesprochen.
In der Director’s Note heißt es: „Zugehörigkeit definiert sich über gemeinsame Erfahrungen und Werte, die ein empathisches Miteinander ermöglichen.“ Tatsächlich habe ich Florian kennen gelernt, weil ich mit ihm seit kurzem ein Gemeinschaftsbüro teile. Er ist einer von 7 Kreativen, die als Selbständige nicht allein vor sich hin werkeln wollen. Dieter Brandecker, dessen Stimme allein Millionen lieben, kommt hinzu. Nachdem ich seine Stimme genug angehimmelt habe 😳 ,sprechen wir über das Filmprojekt, für den Florian jetzt Produktionspartner sucht.
Florian, Stichwort Zugehörigkeit. Wenn Menschen sich sozial nicht (mehr) verorten können, bricht dann die Gesellschaft zusammen?
Florian: Als letzte Konsequenz, ja. Und erste Risse im Konstrukt sehen wir aktuell an Phänomenen wie Pegida oder der polarisierenden Asyl-Debatte. Viele Menschen haben Angst abzustürzen, finanziell nicht mehr gesichert zu sein. Und dann nicht mehr dazu zu gehören. Als Gegenreaktion schürt die Angst bei einigen den Drang andere auszuschließen, damit man selbst zugehörig bleibt.
Dein Film hat den aktuellen Bezug „Einfluss internationaler Finanzkonzerne auf das städtische Wohnen“. Warum?
F: Ich finde, schönes und bezahlbares Wohnen sollte ein gemeinsames, selbstverständliches Gut sein. Es geht dabei nicht so sehr um die Frage nach Luxus oder Wohlstand.
Man darf nicht nach Wohlstand streben?
F: Doch, solange es nicht auf Kosten anderer geht. Allerdings hat sich die Entwicklung im Wohnungsmarkt von der breiten Masse der Bevölkerung entfremdet.
Dieter: Das ist es, genau: Menschen werden an den Rand gedrängt, müssen aus ihren Vierteln raus, weil sie es nicht mehr bezahlen können. Schönes, Altes wird niedergerissen, um die platt gemachten Grundstücke mit völlig gleichförmigen Gebäuden zu bestücken. Verrückt.
Wie sieht das konkret aus?
F: Auswärtige, meist internationale Unternehmen attackieren die natürliche soziale Entwicklung eines Stadtteils durch den Bau exklusiver Luxus-Appartements oder sogar ganzer Luxus-Siedlungen, teilweise mit Pförtner, welche die, die nicht dazugehören, abhalten sollen. Viele davon sind Spekulationsobjekte bzw. Statussymbole.
Ihr meint, es geht nicht mehr um schönes Wohnen allein…
F:…sondern um erkauften Status auf der einen und Kontrolle und Einfluss auf der anderen Seite.
D: Das schafft dann absurde Situationen: Stadtviertel, in die Menschen mal gezogen sind, weil sie als Lebensraum bewusst die Mischung aus Menschen mit großem und kleinem Portemonnaie haben wollten, mutieren zu etwas ganz anderem. Weil eben alle die, die es sich nicht mehr leisten können oder wollen, weg sind.
Eigene Erfahrung?
F: Ja, leider. Unser Büro in Düsseldorf Flingern mussten wir räumen, weil ein ganzer Hof mitsamt umliegenden Gebäuden in Appartements des „gehobenen Segments“ umgewandelt wird. Ein Paradebeispiel: Ehemals Arbeiterviertel, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, dann fand in den 90ern eine Durchmischung statt: mit Migranten, Beamten, Künstlern und ihren Galerien, Selbständigen und Besserverdienern.
Und dann wird so ein Stadtteil plötzlich „in“, auf Kosten Alteingesessener?
F: Genau, Investoren greifen massiv in die natürliche Entwicklung ein: Unser Hof war einer der identitätsstiftenden Orte des Viertels mit Kreativen, einem unabhängigen Theater, einem kleinen Fitnessstudio, einer Frauenberatungsstelle und einem sehr beliebten Club. Dort hab ich übrigens meine Frau kennen gelernt.
D: (ironisch) Vielleicht mieten sich die neuen Siedlungen demnächst Künstler, die dann täglich diese Orte besuchen, um wieder Leben rein zu bringen…
Warum ist Düsseldorf die richtige Kulisse dafür – warum nicht Frankfurt oder Hamburg?
F: Düsseldorf ist unter den deutschen Großstädten etwas Besonderes, ein Spannungsfeld. Keine der international bekannten Millionenstädte, und doch verschwindet sie nicht unter dem Radar – national wie international.
Wie meinst Du das?
F: In Düsseldorf entsteht Kunst und Kultur von teilweise internationaler Bedeutung, viele der weltweit größten Messen finden in Düsseldorf statt, Unternehmen wie Henkel oder die Metro-Gruppe sitzen hier. Aber die Stadt will oft mehr sein und mehr haben, als sie ist und kann. Das führt zu teilweise komischen Ergebnissen wie einem Biathlon-Weltcup-Rennen, in dem immer im Kreis gefahren werden muss, weil gar nicht genug Platz ist. Im Oktober. Mit reinem Kunstschnee.
Klingt nach Dubai Skihalle, nur die Wüste fehlt…
F: Die Skihalle hat dann nebenan Neuss gebaut… Aber im Ernst: Die „Schizophrenie“ der Stadt macht sie zu einer Film Noir Stadt – so entstehen geradezu solche Skurrilitäten.
D: Ganz dubios wird es, wenn Mieter ihre Vermieter nicht mehr kennen, weil z.B. ausländische Banken Gebäude aufkaufen und dann Ansprechpartner sind, ohne wirklich da zu sein. Wie Kraken, die weltweit alles kapern, was sich zu Geld machen lässt.
Fühlt sich Düsseldorf minderwertig?
F: Düsseldorf trägt einen Minderwertigkeitskomplex mit sich herum, der immer wieder zu großspurigen Ergebnissen führt, ja. Und trotzdem ist Düsseldorf meine Stadt, wo ich gern lebe und Geschichten finde…
Wie wichtig ist Deine Hauptfigur, also Dieter Brandecker als gescheiterter Detektiv?
F: Ein Kinofilm braucht eine zentrale Hauptfigur als Identifikationsangebot, sie spiegelt das Wirkungsfeld des filmischen Themas, sie ist der emotionale Träger. Dieter Brandecker ist vielen bekannt durch seine Rolle in der sehr erfolgreichen Fernsehserie „Adelheid und ihre Mörder“ mit Evelyn Hamann, Burghard Klaußner und Tilo Prückner. Und er hat in vielen Kino- und Fernsehfilmen gespielt.
Also die ideale Besetzung?
F: Dieter passt total vom Typ zu dieser Figur. Und er vermittelt auch privat aus vielen desillusionierenden Entwicklungen der heutigen Zeit heraus einen Spürsinn und einen investigativen Antrieb, der ja auch die Hauptfigur Fred Schilling auszeichnet. Und Dieters Stimme! So etwas gibt es kaum im deutschen Film. Das ist die Stimme eines enttäuschten, rauchenden, trinkenden Detektivs, der sich „die da oben“ mal vorknöpft.
Einen Qualitätsstempel habt Ihr schon durch die Förderung der Filmstiftung… wie schwer war es, die zu überzeugen?
F: Schwer zu sagen. Ich glaube, dem Gremium hat gut gefallen, dass es ein mutiges Projekt ist, das in Düsseldorf spielt und auch dort produziert wird.
Das Interview führte Elke Tonscheidt.
Fotos: Elke Tonscheidt
„Der Letzte Schilling“ ist als moderner Film Noir konzipiert, in dem der Privatdetektiv Fred Schilling nach dem verschwundenen Politiker Max Behrens sucht und dabei seine eigene, düstere Vergangenheit ausgräbt. Die Einsamkeit lastet schwer auf Schilling. Er ist ein Rastloser auf der Suche nach Geborgenheit in der sich wandelnden Stadt Düsseldorf. Die Ermittlungen führen Schilling in das Spannungsfeld zwischen Kunstszene, Rotlichtmilieu und Landespolitik. Dabei stößt Schilling auf Erkenntnisse, die seine Leidenschaft wieder erwecken und ihn antreiben, sehr tief zu graben, bis schließlich das Schicksal der ganzen Stadt in seinen Händen liegt.
Derzeit läuft ein Crowdfunding: https://www.startnext.com/der-letzte-schilling
Weitere Infos auch unter www.DerLetzteSchilling.de
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