„Habt Mut zum Scheitern!“ – Florian Schroeder im Interview
„Warum leben wir heute die Ethik der Askese, rauchfrei, alkoholfrei, koffein – und glutenfrei?“, fragt Florian Schroeder, Kabarettist, Komiker und Buchautor. Man kennt ihn aus dem Fernsehen oder Radio, und Elke hat ihn auf Einladung einer Freundin im Düsseldorfer Kom(m)ödchen gesehen. Auch ein Interview hat Schroeder ihr gegeben.
Ich liebe ja das schnelle Einkaufen. Will nicht vor dem Marmeladenregal im Supermarkt 55 Erdbeermarmeladen sehen, mir reichen wenige zur Auswahl. Und doch ertappe ich mich dabei, mich manchmal fast schwindelig zu googeln. Vielleicht gibt es beim nächsten Anbieter doch noch ein T-Shirt, das im Preis-Leistungsverhältnis besser ist?
Florian Schroeder im Interview
In Schroeders Programms „Entscheidet Euch!“ klingt das so: „Ständig müssen wir uns entscheiden und werden dabei verrückt. Und vor allem unzufrieden. Wir jammern und grübeln, was richtig ist und bereuen dann doch die Entscheidung, die wir getroffen haben. Hätte ich doch mal das andere genommen. Wir sind überfordert mit all den Optionen!“ Das beginnt schon beim Aufstehen: Gleich raus aus dem Bett oder endlos „snoozen“, also ganz sanft, am besten gar nicht richtig aufwachen?
Florian Schroeder, Sie bezeichnen sich selbst als „schnellen Aufsteher am Morgen“, mit welchem Shampoo waschen Sie sich die Haare?
Schroeder: Gute Frage, müsste ich nachgucken. Ich glaube, „Multivitamin“. Ich dachte, es kann ja nicht schaden, ein Shampoo zu benutzen, das so heißt wie die Fruchtsäfte, die schon in meiner Kindheit als Allheilmittel galten.
Weshalb entscheiden Sie solche Fragen so schnell und subtil wie eine Frau?
Das tut fast jeder. Es liegt ganz einfach daran, dass bei diesen „kleinen“ Entscheidungen, bei denen wir zwar sehr viele Optionen haben, das Reue-Potenzial recht gering ist. Stelle ich nach zwei Tagen fest, dass ich den Geruch des Shampoos nicht mag, kaufe ich ein Neues. Der Verlust hält sich in Grenzen. Das ist bei einem Auto natürlich anders. Hier die falsche Entscheidung zu treffen, hätte gravierendere Folgen.
Sie sagen: Come down, habt Mut zum Scheitern. Welche echte Niederlage hatten Sie zuletzt?
Bevor ich das Buch über Entscheidungen geschrieben habe, wollte ich lange über das Thema Political Correctness schreiben. Ich war in der Recherche schon recht weit und je mehr ich erfahren hatte, desto größer wurde meine Distanz zum Stoff. Ich habe festgestellt, dass ein Buch über dieses Thema nur dann funktioniert, wenn man sich in radikaler Einseitigkeit positioniert. Das hat dann Potential zur Sprengkraft. Oder eben umgekehrt, indem man die Errungenschaften von Political Correctness verteidigt.
Und das wollten Sie nicht?
Plötzlich sah ich mich dazu nicht in der Lage. Mich begeisterte das Thema aus einer anthropologischen Perspektive: Warum schafft sich eine bestimmte Zeit ein gewisses Regelwerk? Warum lassen wir uns von der Politik vorschreiben, wie wir zu leben haben? Warum leben wir heute die Ethik der Askese, rauchfrei, alkoholfrei, koffein – und glutenfrei? Das ist dann später im Rahmen eines Kapitels in das Entscheidungsbuch eingeflossen und ist dort nun auch an seinem Platz. Dem ist aber eine große Krise voraus gegangen und letztlich auch eine Niederlage.
Stichwort Eltern: Was geht Ihnen am meisten auf die Nerven, wenn sie deren Zwang zum Perfektionismus beobachten?
Die Verbissenheit, alles richtig machen zu müssen, das Militante im Auftritt, verbunden mit der permanenten Verteidigung des eigenen Lebensentwurfs als des Besseren und Eigentlichen. Hinzu kommt die Heiligsprechung der eigenen Brut. Es gibt doch kaum noch ein Kind, das nicht qua Geburt hochbegabt ist. Nur, bei den allermeisten wird diese Hochbegabung blöderweise nie entdeckt, man könnte auf den ketzerischen Gedanken verfallen, dass schlicht nichts da ist. Ich meine, der Optimierungswahn in der Erziehung führt nicht zu einer besseren Generation. Er führt nicht zu Neugierde, sondern zu aufgeschreckten, hysterischen Biographien.
Auf Ihrer Facebook-Seite schreiben Sie: „Wenn Kinder dank social freezing nicht mehr Cheyenne Savannah, sondern Frozen Margarita heißen, können wir´s eigentlich auch bleiben lassen.“ Wie kommt man auf solche Gags?
Das ist mir nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema irgendwann zugeflogen. Wenn ich mich selbst beobachte, würde ich sagen, die besten Pointen kommen, wenn man nicht auf sie wartet. Je tiefer man in einen Problemhorizont eintaucht, umso mehr ergeben sich die Gags von selbst, wenn man in der Lage ist, halbwegs assoziativ zu denken.
Text und Interview: Elke Tonscheidt
Schroeder hatte schon mit 14 Jahren seinen ersten kurzen Auftritt in Harald Schmidts Fernsehsendung „Schmidteinander“ (1993). Da parodierte er Prominente, was er auch heute noch gern und richtig gut tut.
Nach dem Abi tourte er drei Jahre lang mit dem Kabarett-Ensemble „Heinz!“, einer Hommage an Heinz Erhardt. Seine Kunst gilt als eine explosive Mischung aus politischer Satire und Comedy. Sein neues Buch ist seit Herbst 2014 auf dem Markt.
Hier findest Du diverse Werke von Florian Schroeder
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