Was passiert, wenn Lehrer ipads in die Klasse werfen?
Meine Bloggerkollegin Melanie ist in Rage. Der Grund: Ihre älteste Tochter, gerade 7 Jahre jung, soll ein social learning tool lernen. Es gibt jetzt digitalen Unterricht mit iPads. Darüber hat die Klassenlehrerin in Sydney die Eltern informiert. Ziel ist, die Gemeinschaftsarbeit digital zu fördern. Jetzt kann man denken: Wieder so ein aufgeregtes Mutterhuhn, das Lehrer beschimpft. Bleibt dennoch die Frage: Wofür braucht man so was und vor allem ab wann?
Auch in deutschen Kitas sitzen schon Dreijährige an iPads. Erzieherinnen begründen das damit, Kinder erlebten dadurch die gesamte Welt von heute. Auch sei die Zeit, die jedes einzelne Kind davor verbringe, sehr begrenzt. Nach wenigen Minuten gilt die strenge Regel: Weiter geben, der nächste Dreikäsehoch ist dran. Gerade das sei heute nicht unwichtig: Zu lernen, dass digitale Medien endlich sind. Ich kann das gut nachvollziehen, finde das eine sehr gute Einstellung, zumal die Kinder meistens lustige, eben digitale Puzzle zusammen fügen.
Aber social media in der Grundschule?
Melanie hat natürlich erst mal recherchiert, was Edmodo, so heißt das Tool, ist und ob es taugt. Auf der Website heisst es euphorisch: „Join Edmodo, where over 50 million teachers, students, and parents are connecting to collaborate on assignments, discover new resources, and more!“ Und sie findet sehr gute Kritiken im Netz darüber, auch wenn es erst ab der 6. Klasse richtig empfohlen wird. Ihre Tochter ist in Klasse 2 – und ist übrigens damit zu jung für den Schulchor; das hat Melanie erst Recht aufgeregt: Singen lernen macht erst in einem Jahr Sinn, social media schon jetzt?
Die digitale Welt
Wer in der digitalen Welt zuhause ist – und das sind wir als Blogger natürlich – tut sich schwerer damit, dort etwas Neues abzulehnen. Uns macht es ja Spaß. Wer aber zugleich in der Elternrolle steckt, ist leicht zwiespältig: Ist das, was für mich gut ist, gleich auch richtig für mein Kind? Wie finde ich das richtige Gleichgewicht für meine Familie? So schaue ich noch mal nach, was mir der Journalist und Vater Christoph Lanz im Interview zum Thema „Wie viel Handy darf mein Kind?“ gesagt hat:
„Eltern sein bedeutet auch darauf zu achten, dass das Gespräch oder das Lesen nicht zu kurz kommt. Wer sein Kind fit machen will für das Leben, der sollte ihm so viele Facetten bieten wie möglich. Zusammen Musik zu machen ist z.B. absolut nicht out – im Gegenteil. Heute ist dabei toll, dass man das gleich mit dem Handy oder dem Tablet aufnehmen kann und die Bearbeitungssoftware ist auch auf dem gleichen Gerät – in der Tat eine schöne neue Welt.“
Was meint Ihr? Ich denke wie Christoph: Man kann digital natives – also denen, die ins digitale Zeitalter hinein geboren werden – das Digitale nicht entziehen; sie würden weltfremd. Aber es geht um das richtige Maß. Wie bei Schokolade auch. Darum geht es Melanie: Sie will verstehen, welche Konsequenzen ein neues Tool im Alltag der Kinder hat, der ja nicht nur in Australien angefüllt ist mit zig Terminen und wenig Freiräumen. Ist da nicht alles, was verzichtbar ist, besser als noch mehr drauf zu laden?
Argumente
Melanies Argumentation lautet so: „Bei Mathematik, Englisch oder Deutsch gibt es ganz genaue Lehrpläne, wie und was genau gelehrt wird. Für Medien gibt es das so detailliert nicht bzw. es fehlt da noch jede Menge Erfahrung. Da heißt es „digital“ und man wirft ipads oder eben social learning tools in die Klasse, ohne dass man über die Konsequenzen und den genauen Nutzen genug recherchiert hat.“ Darum sorgt sie sich: Sie hält das Anliegen für nicht durchdacht. Sie hat keine Angst vor neuen Tools – sie versucht jedoch zu Ende zu denken, was wann wie sinnvoll ist. Sie will den digitalen Wandel nicht zurück drehen. Sagt aber auch: „Ich will nicht verdammt sein alles einfach abzunicken und mitzumachen.“
Was ich an der ganzen Diskussion gut finde: Eltern und eben auch Lehrer lernen etwas, womit sich Kinder – ob Eltern es wollen oder nicht – schon jetzt, sicher aber später beschäftigen werden. Deshalb mein Fazit: Super, dass sich immer mehr Menschen mit den Chancen der neuen, auch sozialen Medien beschäftigen. Jemand, der meinem oder eben Melanies Kind etwas medial beibringen will, kann das Digitale nicht ausgrenzen, will er sich nicht lächerlich machen. Ob das aber gleich schon an Grundschulen mit einem social learning tool passieren muss, da bin ich skeptisch. Vor allem aber sehr neugierig, wie es in Sydney damit weiter gehen wird…
Text: Elke Tonscheidt
Animation: Erina Blok via dribble