Land, Stadt, Glück
Walter Senk (Foto) ist ein Journalist, den ich aus Österreich kenne. Sein Schwerpunkt sind Immobilien. Kürzlich hatte er den Planungsdirektor der Stadt Wien im Interview: Thomas Madreiter erklärt darin, wie und warum sich Städteplaner an gesellschaftliche Trends anpassen.
Der Titel des Beitrags „Trend plus Stadt ist Zukunft“ machte mich neugierig. Also habe ich Walter Senk gefragt, ob ich sein spannendes Interview für unseren Blog zusammenfassen darf. Durfte ich. Hier meine Kurzfassung.
Stadtentwicklung hat mit gesellschaftlichen Veränderungen zu tun – wie erkennt man diese rechtzeitig?
Madreiter: Wir setzen uns in der Stadtplanung schon seit Jahren mit Fragen der Stadtforschung auseinander, und da gehört ganz wesentlich die gesellschaftliche Trendforschung dazu. Dabei zeigen sich durchaus homogene Verhaltenstypen und -muster, die aber auch von massiven Veränderungen betroffen sind. Früher träumte man etwa von einer autogerechten Stadt – eine skurrile Fantasie –, und dementsprechend ergab sich die Wahrnehmung der Stadt als schmutzstarrender Moloch. Diese beiden Bilder können wir ins Museum räumen. Die autogerechte Stadt ist für niemanden ein attraktives Bild, und aus einem schmutzstarrenden Moloch laufen die Leute davon.
Die autogerechte Stadt gehört ins Museum?
Aktuelle Studien zeigen in diesem Bereich dramatische Veränderungen. Die Nutzung der Öffis (öffentliche Verkehrsmittel – Anm. d. Red.) hat sich bei den Jungen verdoppelt – im Gegenzug dazu ist der Wunsch nach einem eigenen Auto geringer geworden. Das ist ein Aspekt, den wir bei der Stadtplanung berücksichtigen müssen – den Trend zu einem ökologischen Verhalten. Es geht nicht ausschließlich darum, dass wir uns den Kopf darüber zerbrechen, was gut wäre, wenn es die Leute täten, sondern wir müssen auch positive Trends bestmöglich unterstützen, die schon auftreten. Das reicht in diesem Fall von Carsharing bis zu mehr Möglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer.
Gibt es Trends, die Sie in der Stadtplanung unterstützen?
Ja. Es gibt eben verschiedene Megatrends, und wenn man noch eine Ebene tiefer blickt, dann findet man abgeleitete Subphänomene. Wir bemerken aktuell, dass einige gesellschaftliche Trends uns in der Stadtplanung unterstützen. Beispielsweise eine Veränderung in den Ansprüchen, was das Wohnen betrifft. Es gibt eine steigende Bedeutung von urbanen Wohnformen im Gegensatz zu suburbanen Einfamilienhäusern. Allerdings muss man auch aufpassen, denn das trifft nicht auf alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen zu. Doch in Summe bewegt sich etwas!
Mobilität und Wohnen – können Sie darauf noch detaillierter eingehen?
Wir bemerken etwa, dass innerhalb der Stadt die Bevölkerung auffällig zunimmt, die absolute Verkehrsbelastung aber zu sinken beginnt. Es fahren mittlerweile weniger Autos. Die veränderte Wohnsituation ergibt sich aber auch aus der Lage am Arbeitsmarkt. Es wird alles volatiler und manches unsicherer. Kurzfristigere Arbeitsverhältnisse wirken sich auf die Wohnverhältnisse aus. Wer heute um die 20 Jahre ist, der wird nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit einen dauerhaften Lebensjob finden und daher vor dem Hintergrund einer wohl wechselvollen Berufskarriere auch nach anderen Wohnverhältnissen Ausschau halten. Davon abhängig wird dann auch die Nachfrage nach Wohnraum anders aussehen – und auch die Mobilität wird betroffen sein. Es verändert sich außerdem die Art, wie wir wohnen.
Inwiefern?
Es nehmen die Wohngemeinschaften zu. Das kann eine Mangelsituation, aber auch der Ausdruck eines anderen Selbstverständnisses und Lebensgefühls sein. Der soziale Trend zu größeren Wohnungen hat seine Berechtigung gehabt, aber irgendwann wurde ein Flächenniveau erreicht, bei dem ein „Mehr“ keine Verbesserung mehr bringt. Das kehrt sich jetzt ein Stück weit um.
Der Zuzug in die Stadt hält weiterhin an.
Ja. Das betrifft nicht nur Wien, das ist ein globaler Megatrend. Das Bild vieler ist ja, dass die Suburbanisierung explodiert, also dass die Menschen vermehrt in den Speckgürtel ziehen. Statistisch überprüft ist aber das Gegenteil der Fall. Ich glaube, aus Sicht der Raumplanung wird man in einigen Umlandgemeinden Modelle anbieten müssen, die den Leuten dabei helfen, die Gebäude und die Infrastruktur in den leerer werdenden Dörfern und Siedlungen weiter zu nutzen. Wie man zum Beispiel aus einem Einfamilienhaus ein Zweifamilienhaus machen kann. Wie man zu einer sinnvollen, lebenswerten Nachverdichtung kommen kann? Die Häuser sind in den 70er-Jahren nicht so unterschiedlich gebaut worden, und es ist eine architektonische und raumplanerische Forschungsnotwendigkeit, wie ich mit der Thematik umgehe.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Beim Thema Ressourcen sollten wir auch darüber nachdenken, wie viel Fläche wir brauchen und wann. Überlegen Sie einmal, wie viele Prozent der Stadt zu gewissen Zeiten leer stehen: Büros in der Nacht, Schulen zwei bis drei Monate …Es geht um ein fundiertes Nachdenken darüber, wie wir unser Zusammenleben ressourcenschonend organisieren.
Soweit das Interview.
Mein Fazit: Wir dürfen gespannt sein, wie sich z.B. allein der Gedanke der Sharing-Economy auch auf die Stadtplanung auswirkt. Nicht nur in Wien, weltweit.
Zum gesamten Interview von Walter Senk.
Und hier der Bericht über „Autos am Zimmer“.
Text: Elke Tonscheidt
Fotos/Graphik: Porträt von Journalist Senk, pixabay, CarLoft GmbH
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