Muss eine katholische Kita Flüchtlingskinder aufnehmen?
Ist es vorstellbar, dass Kindergärten die Aufnahme von Flüchtlingskindern verweigern? Gerade kirchliche Einrichtungen? In einem wohlhabenden Düsseldorfer Stadtviertel gibt es dieses üble Gerücht, leider versagt die Leitern der katholischen Kita jede Auskunft. Dafür hat der Leiter des Jugendamtes klare Worte gefunden. Im Interview mit Elke sagt Johannes Horn u.a.: „Verweigerungen sollten sofort dem Jugendamt angezeigt werden; hier gibt es klare Vereinbarungen mit allen Trägern.“ Das Beschwerdemanagement des Jugendamtes gehe allen Anzeigen nach.
Ich bin selten platt. Aber als ich endlich, nach diversen Versuchen telefonischer wie schriftlicher Art, die Leiterin der katholischen Kindertagesstätte am Ohr habe, dauert unser Telefonat nur wenige Sekunden. Sie könne mich gut einordnen, sagt sie zur Begrüßung. Ich freue mich; dann hat sie offenbar meine Mails, die seit 13 Tagen unbeantwortet blieben, gelesen oder den Anrufbeantworter abgehört. Dann aber rattert sie drei Fakten runter: 1. Sie wolle keine Stellung beziehen; 2.wenn, dann müsse sie ohnehin den Träger fragen und 3. habe sie sowieso keine Zeit. Klack. Aufgelegt. Und dabei habe ich das Gerücht noch nicht einmal thematisiert, weder schriftlich noch jetzt. Nur gefragt, wie sie grundsätzlich zum Thema Aufnahme von Flüchtlingskinder stehe…
Ich frage also im Jugendamt der Landeshauptstadt nach. Johannes Horn leitet es und ist sofort bereit. Er nimmt sich Zeit.
Herr Horn, wie regelt Düsseldorf das grundsätzlich: Die meisten Kitas werden keine oder nicht viele freie Plätze haben, können die städtischen Einrichtungen verpflichtet werden, Flüchtlingskinder aufzunehmen? Wie sehen die gesetzlichen Regelungen aus?
Johannes Horn: Ja. Derzeitig sind in Düsseldorf 170 Flüchtlingskinder zu versorgen. Dies gelingt in städtischen Kindertageseinrichtungen sowie in Einrichtungen freier Träger sowie Tagespflegestellen. Bei neu geplanten Unterkünften (für 200 Menschen) werden auch Räume für die Betreuung von Kindern eingerichtet. Sobald im Umfeld Plätze frei werden, können diese angeboten werden. Zudem werden in den nächsten 15 Monaten rd. 17 neue Kitas an den Start gehen, dazu rd. 20 Großtagespflegestellen. In Düsseldorf gibt es eine Vereinbarung mit den freien Trägern. In der Regel sollten 1 bis 5 Kinder aufgenommen werden, wenn Plätze da sind. Wenn jede Kita einen Platz anbietet, ist der Bedarf z. Z. gedeckt (mit Zuwachs). Aufnahmen erfolgen nach den Aufnahmekriterien bzw. sozialen Belangen (Kindeswohl).
Wissen Sie, ob kirchliche Einrichtungen das anders handhaben (können)? Allein aus Gründen der Nächstenliebe würde man ja meinen, dass gerade diese zumindest im Geiste offen sein müssten, die Herausforderung anzunehmen …
Die Aufnahme ist mit allen Trägern in der Arbeitsgemeinschaft Kinderbetreuung nach § 78 SGB VIII abgestimmt.
Und wie sehen Sie das persönlich, wer sollte etwas tun müssen und was ist die Stadt bereit zu tun?
Die Stadt Düsseldorf hat in der Jugendhilfeplanung 4 zusätzliche Kitas eingeplant, da die Anzahl der Kinder steigt. Die Betreuung aller Kinder erfolgt im Regelsystem und deshalb werden keine Kitas speziell für Flüchtlingskinder geschaffen. Die Integration, einschließlich Sprachförderung, wird so realisiert. Der Rechtsanspruch gilt für alle Kinder und damit wird auch die Versorgung in allen Stadtteilen sichergestellt.
Sollten auch die städtischen Einrichtungen keine Kapazitäten haben: Was kann man in einer Ausnahmesituation wie dieser nun konkret tun, was tut Düsseldorf?
Der Bedarf an Kita-Plätzen wird in Düsseldorf für Kinder über 3 Jahren gedeckt (Quote einschl. Flüchtlingskinder – Planzahl z.Z. 250)! Mit den neuen Einrichtungen kommen neue Plätze hinzu. Die Bedarfsdeckungsquote liegt in Düsseldorf für das kommende Kindergartenjahr für Kinder über 3 Jahre über 100 %.
Können sich Kitas kurzfristig schlicht verweigern Flüchtlingskinder aufzunehmen? Wie sieht das mittel- und langfristig aus?
Verweigerungen sollten sofort dem Jugendamt angezeigt werden; hier gibt es klare Vereinbarungen mit allen Trägern. Der I-Punkt Familie sowie das Beschwerdemanagement des Jugendamtes gehen hier allen Anzeigen nach und regeln dies.
Vielen Dank für das Interview!
Wusstet Ihr…
Auch die private Kindertagesstätte im selben Stadtviertel gibt sofort Auskunft. Man sei grundsätzlich „natürlich bereit Flüchtlingskinder aufzunehmen“, habe auch schon erste Gespräche mit einer syrischen Familie geführt. Da private Einrichtungen jedoch von Elternbeiträgen abhängig sind, „müsse hier eine Lösung gefunden werden“. Bei der Stadt habe man deshalb schon angeklopft, um finanzielle Fragen zu klären – aber auch, welche Hilfe man in Sachen psychischer Unterstützung bekommen könne.
Über die genannte katholische Kita, deren Leiterin mich so abgebügelt hat, heißt es auf einer Website: „Kinder brauchen gerade in der heutigen Zeit christliche Werte, an denen sie sich orientieren können. Diesen Grundüberzeugungen folgend, sind wir im täglichen Umgang miteinander offen, tolerant und respektvoll und gehen freundlich und hilfsbereit aufeinander zu und versuchen, die christliche Lehre zu leben.“ ohfamoos fragt sich: Christen, Katholiken, Nächstenliebe: Nur wenn es passt?
Die städtische Kita hat bereits ein 1. Flüchtlingskind aus Palästina integriert; das Aufnahmegespräch mit einer 2. Familie ist gelaufen.
Der Träger der evangelischen Einrichtung äußert sich so: „Über die Aufnahme von zusätzlichen Kindern entscheidet grundsätzlich das Jugendamt der Stadt Düsseldorf.“ Ob zusätzliche Kinder aufgenommen werden könnten, sei abhängig von der sog. „Betriebserlaubnis“. Eine Überbelegung sei „demnach bislang nur in einem begrenzten Rahmen möglich“.
Anfang November erschien ein Überblick, in dem erläutert wird, ob Flüchtlinge überhaupt das Recht haben, ihre Kinder in einem deutschen Kindergarten unterzubringen. Der Autor setzt sich auch damit auseinander, welche Probleme auftreten und welche Alternativen es gibt. Ohfamoos findet: Lesenswert!
Fotos: pixabay, Stadt Düsseldorf