Elefanten im vollmundigen Wein-Talk

So ändern sich die Zeiten: Heute steigen Joschka Fischer und Roland Koch nicht mehr in den politischen Ring, heute vermarkten sie Bücher. Schmunzelt Koch selbst – und der ehemalige deutsche Vizekanzler setzt noch einen drauf: „Ich liebe Zwischenrufe! Wenn Politik überzeugen soll, gehört ein Unterhaltungswert dazu.“ Elke hat den Polit-Talk anlässlich einer Buchvorstellung im einzigartigen Ambiente des hessischen Kloster Eberbachs verfolgt.

Ein politisches Buch? Weit gefehlt. Eins über Wein, Geschichte und Kloster-Tradition. So sitzen Fischer und Koch mitten im rund 900 Jahre alten Gemäuer von Kloster Eberbach. Dort, wo der Joschka auch mit „der Madeleine“ (gemeint ist die frühere Außenministerin Albright) schon ein Gläschen Wein genossen hat. Und Roland Koch glaubt man sofort, dass sich „die Welt immer ein bisschen verändert, wenn man durch die Mauer von Eberbach fährt“. Die Atmosphäre des Klosters ist schlicht gewaltig.

Wein Talk Kloster Eberbach

Das Ambiente beeindruckt auch die rund 400 Gäste, die an diesem Abend vor allem eins tun sollen: Das gerade im Tre Torri Verlag erschienene Buch ‚Kloster Eberbach. Geschichte und Wein’ kaufen. 240 weinselige Seiten stark! „Am besten“, scherzt Martin Blach, „räumen Sie schnell die Garage frei, um es zu lagern.“ Der Geschäftsführer der Stiftung Kloster Eberbach ist gut drauf, denn das Event geht auf.

Zwei fröhlich parlierende Polit-Profis, moderiert vom journalistischen Urgestein und einem der FAZ-Herausgeber, Werner d’Inka; und ein opulenter Bildband über dieses ehemalige Zisterzienskloster dazu. Das heute als Impulsgeber weit über das Rheingau hinaus anerkannt ist. Da darf man schon mal ins Schwelgen kommen!

Vor allem wenn es um Drogen geht. „Schon in meiner Ministrantenzeit“, erinnert sich Ex-Sponti Fischer, „hatte ich eine gewisse Affinität zu Drogen.“ War es früher der „ziemlich bappige Messwein“, so lobt Fischer heute die unglaubliche Tiefe und Komplexität von richtig gutem Wein. Für den ist er bereit, „auch schon mal was auszugeben“.

Nur manchmal, da bleibt Joschka bodenständig, bricht seine schwäbische Seele in ihm durch, wenn er sich fragt: So ein teurer Tropfen – „und nachher geht man auf Toilette und das war’s dann.“

Wein und Eberbach – wer die Historie kennt, weiß: Das Thema hat schon vielen den Kopf zerbrochen. „Immer wieder sind wir jedoch zum Wein zurück gekommen“, erinnert sich Koch. Wie kann man ein solches Kloster richtig positionieren? Denn allein Instandhaltung und Restaurierung der ehrwürdigen Anlage kosten viel Geld. Ein Kulturdenkmal, ein Kleinod. Ein Ort, der auch viele Filmemacher inspiriert hat, u.a. als in den Katakomben Umberto Eco’s „Der Name der Rose“ gedreht wurde.

Kloster-Eberbach_Blick-ins-Buch_ohfamoosTre Torri Verleger Ralf Frenzel hat viel Geld in sein Buchprojekt gesteckt. Ein Werk, das auch viele gut recherchierte, tiefsinnige Texte beinhaltet. Ob man sich die Zeit nehmen will, sie auch zu lesen? – fragt sich eine ältere Dame neben mir. In jedem Fall, räsoniert Fischer, sei es jeden Euro wert, der dem Erhalt dieses Kulturdenkmals diene. Der Ort habe „fast etwas Meditatives“, sagt Fischer. Ja, etwas, was die Seele erfreut. Gern hätte ich ihn um seine Meinung gebeten, wie sehr es schmerzen muss, dass in Syrien ähnliche Denkmäler in Schutt und Asche liegen. Aber das Thema Flüchtlinge ist hier heute Abend fehl am Platz.

Also Wein. Guter Wein. „Ein herausragendes Weinjahr“ sogar, freut sich Dieter Greiner mit Blick auf 2015. Er, der dem größten deutschen Weingut vorsitzt, muss das wissen. Und das freut alle – ein guter Tropfen schmeckt nicht nur, er kann tatsächlich die Sinne beeinflussen, beruhigen oder aufkratzen.

Manchmal, lässt auch Koch tiefer blicken, „gehen mit mir die Gäule durch.“ Wenn er gute, aber eben auch teure Weine sieht. „Gute Weine haben ein gewisses Maß an Irrationalität“, sagt der Mann, den jeder doch als ganz und gar rational zu kennen meint.

Und wie beurteilen die Herren die Tatsache, dass alle Weine in Eberbach diesen Schraubverschluss haben, will der Moderator wissen? Koch bevorzugt dafür die Bezeichnung „Aromatresor“. Auch wenn er, wie Joschka, trotzdem gern immer mal wieder einen Korken zieht. Gerade für die teuren Lagerweine, gibt Joschka Fischer zu, bevorzuge er doch den althergebrachten Verschluss. Dieses Riechen am Korken! Und, ganz Entertainer, unterhält er sein Publikum mit einem abschließenden Bild: „Ich komme auch mit einem Schraubverschluss gut zurecht. Das Problem ist nur, man muss immer rechts rum drehen.“
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Text: Elke Tonscheidt
Fotos: Tre Torri Verlag

Elke Tonscheidt
Elke Tonscheidt, die selbsternannte Energiebündlerin, liebt und lebt in Köln. Neben ihrer Arbeit bei ohfamoos schreibt sie auch für andere Medien, besonders gern Porträts und Reportagen. Sie vernetzt sich gern, hat ein Start-Up mit gegründet und war einige Jahre in der politischen Kommunikation tätig.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 29. Oktober 2015 veröffentlicht
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Die Kommentare zu “Elefanten im vollmundigen Wein-Talk”
  • Dr. Dieter R. Fuchs

    Was für eine „ohfamoose“ Koinzidenz! Im Kloster Eberbach, wo dieser schöne und fast „altersweise“ kulturelle Schulterschluss zwischen den Polithaudegen Fischer und Koch stattfand, war bis vor wenigen Tagen im Klostergarten eine Skulpturen-Ausstellung der britischen Künstlerin Sophie Ryder zu sehen. Und deren überlebensgroße Metallplastiken stellten insbesondere auch ihre Schöpfung „Lady Hare“ dar, eine nackte Tänzerin mit Hasenkopf. Und genau dieses Motiv war auch namensgebend sowie der inhaltliche „rote Faden“ im Roman „Der Tanz der Häsin“, welcher im vorherigen Blog-Beitrag vorgestellt wurde und dessen Coverbild diese mystische Figur ebenfalls zeigt. Ein typisches Beispiel für den täglichen Wahnsinn und die fantastische Zufälle, welche uns allen immer wieder begegnen und die Leser dieses Blogs so lieben. Für mich war es ein magischer Moment, die beiden völlig unterschiedlichen Beiträge nun so verbunden zu sehen.

    Oder, wie die Lyrikerin Susanna Bummel-Vohland in einer Amazon-Rezension zum Roman über dieses hasenköpfige Wesen aus archaischen Mythen schrieb (Zitat):

    „… Nun hat sie sich in dieses Buch begeben und spitzbübelt uns vom Cover an. Eigentlich ist sie immer da, im Leben von uns allen, und es dürfte dieser „Hasenmoment“ sein, in welchem wir an uns Unbekannten vorbeigehen und uns den Bruchteil einer Sekunde lang etwas intensiv zu verbinden scheint.“

    Wer die Ausstellung von Sophie Ryder virtuell nacherleben will:
    https://www.youtube.com/watch?v=aXrd00BrtI4


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