Gut verpackt – wie lange können wir Not ausblenden?
„Das ist ja eine Katastrophe!“ Kennt Ihr den Spruch? Wenn es z.B. ums Wetter, um den Autobahnstau, einen vergriffenen Konsumartikel geht. Der Spruch kommt uns öfter über die Lippen. Flug annulliert? Was für eine Katas….. Oder so was wie: „Heute bin ich aber zu einer unmenschlichen Uhrzeit aufgewacht.“ Aber welche Katastrophen passieren anderswo? Elke versucht in der Weihnachtszeit, die Flüchtlingsdebatte vor Augen, das (Un)Menschliche ein bisschen zu sortieren.
Als sich mein Sohn kürzlich den Fuß quetschte und einen Zehennagel abriss, dachte ich erst: Au Weh! Und nach kurzer Zeit: Wie froh können wir sein! Wir haben hier Ärzte. Wir dürfen den Krankenwagen rufen. Wir bekommen anderntags sogar den Verband gewechselt. Einmal mehr freute ich mich in meiner kleinen Notlage an unseren deutschen Standards; parallel kamen mir jedoch gleich Gedanken, wie man sein Kind wohl als Flüchtling versorgt, wenn etwas passiert. Ein kleiner Fuß ist schnell verletzt, wenn man auf beschwerlichen Reisen ist.
Kleine Katastrophen, große Not. Sarah Connor, die eine syrische Mutter mit fünf Kindern in ihrem Haus aufgenommen hat, schrieb kürzlich in einem mich sehr bewegenden Artikel in der ZEIT, was sie lange versucht hat:
„… ich kann nicht so tun, als wüsste ich nicht vom Leid der Menschen, die hier Zuflucht suchen. Ich habe es probiert. Wegzusehen. Den Fernseher auszuschalten. Aber es fühlte sich verlogen an.“
Und ich fühlte mich ertappt. Ja, ich unterstütze ein Patenkind in Afrika. Ja, ich mache auch dies und das darüber hinaus, setze mich ein, wenn es ungerecht zugeht. Wer mich kennt, wird mir keine unmenschliche Ader zusprechen. Aber reicht das?
Gerade jetzt, wenn in der Weihnachtszeit das große Fest der Liebe vorbereitet wird, frage ich mich, wie die vielen Deutsche, die in der Flüchtlingsfrage negativ denken, das packen werden: Feine Menülisten zu erstellen, sich schwer zu tragende Geschenke gleich schicken zu lassen, den Urlaub zu Silvester (und Ostern gleich mit) zu planen.
Ich bin absolut nicht dagegen. Ich frage mich nur, wie das geht: Zu behaupten, wir sind an der Grenze der Zumutbarkeit und gleichzeitig am Schampus-Gläschen zu schlürfen.
Wie kriegt man das hin, sein Gewissen zu beruhigen, wenn man weiter wie bisher macht? Wenige können sofort alles liegen lassen und an die Grenzen fahren, um direkt vor Ort zu helfen. Aber jeder kann doch etwas tun, oder? Wird die Welt nicht gleich in kleinen Teilen besser, wenn jeder in seinem Umkreis ein bisschen umsichtiger handelt?
Und: Wie weit dürfen wir Blogger uns überhaupt aus dem Fenster lehnen und Ignoranz und Selbstbezug thematisieren? So hat unsere Gastautorin Cornelia Lütge den Eindruck, mittlerweile seufzten viele, wenn mit Bezug auf die Flüchtlingskrise an ihr moralisches Gewissen appelliert wird. Sie erkennt „so eine Art Betroffenheits-Inflation“. Sagt aber auch klipp und klar: „Überflutung darf nicht zu dem Missverständnis führen, die Anderen werden sich schon engagieren”.
Beispiel Talk-Shows. Wie oft wird gerade dort öffentlich skandalisiert? Frank Plasbergs Sendung ‚hart aber fair’ ist nur eine von vielen; Anfang November hatten die Kölner jedoch eine echt starke Diskussionsrunde, in der sich sogar jeder ausreden ließ. Einer von ihnen war Holger Michel, der in Berlin eigentlich eine PR-Agentur hat, seit Wochen aber die meiste freie Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft schafft. Auch er appelliert: Man solle nicht von einer Katastrophe reden, sondern von Situationen, für die Lösungen gefunden werden müssten und oft auch könnten. Als Beispiel dienten die vor Ort in der Unterkunft verwendeten Matratzen – einigen stammen aus Krisenbunkern, originalverschweißt von 1963. Man brauchte dringend Betten, die Feuerwehr konnte so helfen.
Wenn Menschen sich untereinander helfen, kommt etwas Gutes dabei heraus. Im Dezember bringen wir Tipps, wie das mit einfachen Mitteln gehen kann!
ohfamoose link Verweise:
Ein Protokoll, wie Flüchtlingshilfe konkret aussehen kann:
Mehr über Sarah Connor und wie sie sich engagiert: www.zeit.de/2015/42/sarah-connor-hilft-fluechtlingsfamilie-syrien
Text: Elke Tonscheidt
Foto: www.freeimage.com Mohammad Al-Ghossein.
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