Kehrtwende in der Rushhour des Lebens
Burnout bei Bauern, Managern, Müttern und Kindern. Rushhour des Lebens. Die gehetzte Generation. Quatsch, alles Marketing-Mache für Kliniken und Berater. Das Informationspotpourri will nicht abreißen, als ich an meinem Läppi recherchiere und dabei zufrieden ins Grüne schaue. Haben wir es etwa verlernt, ein gutes, gesundes Leben zu führen? Sind die Politik, unmenschliche Arbeitgeber und die Globalisierung Schuld? Wenn schon. Wir müssen ja doch für uns selber sorgen! Das Modell der ‚5 Säulen der Identität‘ hilft bei der Ist-Analyse, beim Prioritäten setzen und führt zu Entscheidungen, die vermutlich erstmal unbequem sind. Cornelia Lütge erklärt, wie es geht.
Offen gestanden empfinde ich die täglichen Herausforderungen hin und wieder als echt mühsam. Mit zwei (pubertierenden) Töchtern, deren Eltern beide selbständig arbeiten sowie dem herrlichen Wahnsinn, den das alles mit sich bringt, bleibt so manches auf der Strecke. Dann führen Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern heftigste Debatten über den Sinn- und Unsinn meiner Lebensentscheidungen. Und wenn ich aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis wieder höre, dass jemand „Burnout hat“, dann frage ich mich:
Was ist nur los heutzutage?
Ich wette, dass du auch jemanden „mit Burnout“ kennst. Dabei streiten sich ja Fachleute darüber, ob’s das überhaupt gibt! Die WHO sagt Burnout sei keine Krankheit, sondern eine Befindlichkeitsstörung. Eine Mode-Diagnose, so das Deutsche Ärzteblatt. Schlicht eine von der Gesellschaft akzeptierte Schönformulierung für Depression, so der Psychiater Manfred Lütz. Und gleichzeitig sind Krankschreibungen wegen Ausgebranntseins längst ein gesundheitsökonomisches Problem: In den letzten 10 Jahren haben sich die Krankentage wegen psychischer Erkrankung verdoppelt!
Burnout-Bremse für den Schweinsgallopp
Oft rennen wir im Schweinsgalopp durch den Alltag, funktionieren und reagieren. Dabei können wir schrittweise (wieder) gut für uns sorgen. Und mit kleinen, machbaren Änderungen gleich heute damit beginnen, statt es immer wieder aufzuschieben. Dazu sollten wir wissen, was uns ausmacht, was uns wirklich wichtig ist und stärkt. Die sogenannten ‚5 Säulen der Identität‘ sind Soziale Beziehungen, Leistung und Beruf, Körper, Materielle Sicherheit sowie Werte und Ideale. Bröckelt eine, stürzt das Ganze ein: Krise, Burnout oder Depression sind die Folge.
Schweinsgallopp oder gesundes Intervall-Training? Deine Entscheidung!
Um dem täglichen Wahnsinn immer öfter ein Schnippchen zu schlagen, weniger fremdgesteuert zu sein und damit eine bewusstere Lebensführung zu erreichen, hilft natürlich die Entscheidung, es wirklich zu wollen! Hier sind zwei kleine Übungen mit Aha-Effekt für erste Schritte. Du brauchst dafür ungefähr 20 Minuten Zeit.
Erste Übung:
- Lade dir das Bild der ‚5 Säulen der Identität‘ herunter und drucke es aus.
- Notiere an jeder Säule eine Zahl zwischen 1 (gar nicht) bis 10 (perfekt) als Antwort auf die Frage „Wie standfest und gesund ist die jeweilige Säule für dich aktuell?“
- Notiere zu jeder Säule: „Welche aktuellen Themen könnten die Stabilität gefährden oder tun es bereits?“
- Schreibe jeweils dazu, bei welcher Säule du was konkret und wie genau verändern möchtest, um sie stabiler zu machen.
Zweite Übung:
Stell dir vor, du feierst deinen 75. Geburtstag. Jemand, der dir nah steht, hält eine Rede für dich. Schreibe spontan (!) 15 Sätze auf wie „ist immer noch topfit, ist ein großer Familienmensch, hatte eine beeindruckende Karriere, spielt virtuos Klavier, ist sich stets treu geblieben.“ Nun ordnest du diese Aussagen den 5 Säulen der Identität zu. Voilá – du hast ein recht gutes Bild davon, was dir in deinem Leben wirklich wichtig ist!
Wie soll es schön_er sein? Kleine machbare Schritte gehen!
Abschließend nimm dir 2 Säulen bzw. Dinge vor, die du ab morgen ändern möchtest und kannst. Beschreibe genau, was, wann, wie und mit wem du das machen wirst. Vielleicht informierst du jemanden über dein Vorhaben. Pinne einen Spruch dazu an deinen Kühlschrank oder schicke dir regelmäßig eine Erinnerung auf dein Smartphone. Denn dein innerer Schweinehund wird lauern und dich liebend gern herausfordern.
Meine persönliche Bilanz zeige ich dir an diesem Beispiel: Die Säule „Körper und Leiblichkeit“ bewerte ich mit 5-6. Das ist typisch für mich nach dem Winter. Weil ich so ungern bei eiskaltem Wind und Minusgraden laufe. Ich habe mich für einen Lauf mit Freundinnen und mit meinem Mann im Juni verabredet. Jetzt muss ich trainieren. Und ich bin sicher – die Säule wird stabiler werden. Das Schöne ist, dass ich jetzt schon weiß – die anderen bekommen davon etwas Gutes ab. Denn ich bin, wenn ich regelmäßiger laufe, leistungsfähiger, schalte dabei ab und bin einfach zufriedener. Es braucht viele, kleine Manöver, die einen Tanker in Bewegung bringen. Ein ohfamooser erster Schritt, für eine Kehrtwende in der Rushhour des Lebens.
Das Modell der 5 Säulen der Identität hat Hilarion Petzold 1986 erstmals erwähnt und ist eine bewährte Methode in verschiedenen Beratungskontexten.
Und hier ausgesuchte Links für euch zum Weiterlesen:
http://www.brandeins.de/archiv/2013/motivation/selbstzuender/
Foto: David Marcu
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