Integration am Backofen

Was macht ein 16jähriger Junge aus Kabul in einem Düsseldorfer Vorort abends mit 40 Frauen? Arbeiten! Und freuen! Darüber, dass er für die Damen backen darf. Ermöglicht hat ihm das sein „Ziehvater“ Dino, der im heimeligen Angermund die dortige KAMPS-Filiale leitet. Und das Verrückte daran: Dino, der gebürtige Bosnier, war noch nicht einmal dabei.

Ihr erinnert Euch an die Geschichte, die ich im November über Hasib, eben den 16jährigen Flüchtling aus Afghanistan, geschrieben habe? Hasib ist ganz allein nach Deutschland geflohen – hatte dann in Düsseldorf das große Glück auf Dino, der vor fast 30 Jahren aus Bosnien hierher geflüchtet war, zu stoßen. Die zwei sind seitdem ein gutes Team. Mich hat diese Geschichte einer gelungenen Integration so berührt, dass ich daraus mehr machen wollte.

Integration – gemeinsam möglich!

Gemeinsam mit Dino und Miriam, einer seinen liebsten Kundinnen, machte ich mich daran, den Faden ‚Integration’ aufzugreifen. Und fragte Dino ganz offen, ob er sein schönes Café abends nicht einmal öffnen wolle. Er wollte. Und so konnten Miriam und ich die Idee weiter „spinnen“. Organisierten und vernetzten uns.

Syrische Flüchtlingsfrauen im Kamps-Café.
Heba (rechts neben Elke) brachte Freundinnen mit.

Am Valentinstag 2017 war es dann soweit: Mehr als 40 Frauen hockten „plötzlich“ zusammen in der KAMPS-Filiale Angermund. Zum Valentinsbacken. Von draußen mussten wir Stühle hinein holen, eng zusammen rücken. Hat es so etwas schon mal in Düsseldorfs nördlichsten Vorort gegeben? Wohl kaum.

Das ist aber gar nicht mein Punkt, weshalb ich darüber so glücklich bin. Es war deshalb VOLL DAS GUTE LEBEN, weil wir ein Experiment gewagt hatten – und dieses mehr als aufging.

Hasib backt Brot.
Hasib backt Brot nach einem Rezept aus Kabul.

Den Anstoß zur Idee hatte Hasib mir gegeben: Im Interview erzählt er mir von seiner Mutter; sie, zuhause in Kabul, habe geraten: Junge, back doch zu Weihnachten etwas für Deine neuen Freunde in Deutschland. Hasibs Vater war Bäcker in Kabul.

Und wer nur einmal gesehen hat, wie Hasib den Teig durch seine Hände gleiten lässt, ihn bearbeitet und beackert, der weiß: Der Junge hat Talent. Und ein sehr freundlicher, fleißiger junger Mann ist er obendrein.

Am Valentinstag kamen jetzt aber nicht die jungen Männer, für die er vor dem heiligen Fest backen sollte. Nein, es war ein typisches Netzwerk-Event – ich habe die, die ich in Düsseldorf und Umgebung kenne, angesprochen, gerade auch die Flüchtlingsfrauen, die mir vor Ort aus Kindergarten und Flüchtlingshilfe bekannt sind. Reine Mund-zu-Mund-Propaganda und  gute Nachbarschaftshilfe in Sachen Integration.

Gebacken, gegessen und gelacht

Und so haben wir gebacken und gegessen und gequatscht und gelacht. Hasibs Brot schmeckte köstlich, Hebas syrischer Fattusch (ein Gemüse-Brotsalat) war eine Augenweide dazu, Angelas Börek einfach nur lecker und Sarahs Nachspeise aus Tunesien namens Samsa machte den perfekten, süßen Abschluss.

Gemeinsam kochen, Salat zubereiten.
Fattusch zubereiten – Frauen aus Syrien zeigen wie!

Das Allerschönste und Bewegendste aber war die Stimmung, die Atmosphäre. Diese Augen. Von allen. Glücklich. Fröhlich. Zuversichtlich.

Keine Angst vor Fremden. Keine Panik, dass etwas nicht klappt. Keine Spur von Trauer – und ich sage ja jedem, ob er/sie es hören will oder nicht: Was diese Menschen mitgemacht haben, davon haben viele Deutsche, zumindest die jungen, keine Ahnung.

Wie auch, in unserer Wohlstandsgesellschaft? Und ich meine das so neutral wie möglich: Niemanden kreide ich an, wenn er/sie Angst hat. Das ist normal, wenn man etwas nicht kennt. Wer aber seine Angst nutzt um damit Stimmung zu machen, der/die wird es schwer mit mir haben…

Gemeinsam Samsa backen macht Spaß.
Sarah (2.v.l.) mit alten und neuen Freundinnen.

Und doch gab es etwas, was das voll gute Vergnügen etwas trübte: Denn Dino – der Mann, in dessen Café wir drei Stunden fröhlich waren – konnte nicht mit dabei sein. Ein Todesfall in seiner Familie führte dazu, dass er wenige Stunden vor Beginn unseres Valentinsbackens in seine bosnische Heimat fliegen musste. Per SMS hielt ich ihn auf dem Laufenden, schickte Bilder statt Worte. Und als er mich nach der Veranstaltung anrief und fragte, wie es gelaufen sei, da konnte ich ihm „nur“ entgegnen:

„Dino, wir sind alle so glücklich, wir danken Dir.“

Text und Fotos: Elke Tonscheidt

 

 

Elke Tonscheidt
Elke Tonscheidt, die selbsternannte Energiebündlerin, liebt und lebt in Köln. Neben ihrer Arbeit bei ohfamoos schreibt sie auch für andere Medien, besonders gern Porträts und Reportagen. Sie vernetzt sich gern, hat ein Start-Up mit gegründet und war einige Jahre in der politischen Kommunikation tätig.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 16. Februar 2017 veröffentlicht
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