Einladung zum Ausgehen …
Manchmal tut es einfach gut: Ausgehen mit sehr viel jüngeren Leuten. Was fühlt man sich gereift und wohl in seiner leicht angekräuselten aber abgebrühten Haut. Neulich flog eine Einladung zu einem Geburtstag ins Haus. Gemeinsames Abendessen in einer sehr angesagten Gegend in Sydney. Eher jüngeres Publikum. Nicht so das tägliche Revier von Melanie Blankenstein, aber natürlich sind sie und ihr Mann gerne hingegangen. Raus aus dem Familienvorort und rein in die junge Welt. Ein Ausflug in eine lange, unbekannte Nacht. Mit Überraschungen und Euphorie, so wie damals.
Die Kinder werden bestochen, um ein Stündchen Mittagsschlaf zu ergattern und der Samstagnachmittag damit verbracht, das ein oder andere Fältchen weg zu pudern. Wir schlängeln uns durch die Bar, vorbei an den sogenannten ‚digital natives‘.
Mir fällt auf, dass ich die Einzige bin, die der Saison angebracht gekleidet ist. Warme Strümpfe, Stiefel und Jacke. Habe ich was verpasst? Bei 7 Grad haben die Mädels ihre in ‚nude’ lackierten Fußnägel in Sandalen stecken. Darüber leichte, luftige Maxi-Kleider im Bohemian Stil.
Ausgehen – Ist nur mir so kalt?
Es ist laut. Ich kann meinem Gegenüber nur von den Lippen ablesen, hätte ich meine Brille dabei. In leichter körperlicher Schräghaltung und Haar hinters Ohr geklemmt folge ich einer Konversation. Mein Beitrag beschränkt sich auf zustimmendes Nicken. Dann wird unser Tisch frei. Wir wandern in den Restaurantteil. Endlich wird es leiser, eher Spotify „Saturday Chill Musik“. Ich lese mich durch das übersichtliche Menü – Tapas style, slow cooked, organic und sauteuer. Alles klein gedruckt, alles zum Teilen.
Die durchaus adrett gekleidete nette Bedienung mit lockerem Dutt auf dem Kopf rezensiert die Spezialitäten des Tages.
Ich kann mich kaum konzentrieren. Meine Augen bleiben an ihrer Haarpracht hängen.
Offensichtlich war sie in Eile und hatte keine Zeit mehr, sich um diese zu kümmern. „Messy Bun“ (unordentlicher Knoten) nennt man diese Frisur. Nicht zu empfehlen, selbst beim häuslichen Frühlingsputz trage ich meine Krause ordentlicher. Geduldig liest die Bedienung von ihrem Spickzettel die lange Liste der Tagesspezialitäten vor. Im Gegensatz zu ihr habe ich meinen Schreibblock vergessen und kann mich nach den ausschweifenden Informationen über Herkunft und Zubereitung des Essens nur mit viel Mühe an die ersten Gerichte erinnern.
Gespannt auf die Geschichten der Generation nach mir
Gesprächspartnerin eins sitzt mir gegenüber, frisch geschieden und sehr müde. Immerhin hatte sie die letzten zwei Wochen aufgrund der Ferien die Kinder „twentyfour-seven“. Also ihre eigenen Kinder. Das muss man schon dazusagen, anders hat man für diese Aufopferung wenig Verständnis.
Die Dame neben mir erzählt mir von ihrer Start-Up Idee, bei der sie endlich ihr eigener Boss sein wird. Wenige Angestellte. Mehr sei zu viel Verantwortung, die sie eigentlich nicht tragen möchte und man sei auch flexibler mit dem Urlaub und wo und wann man arbeitet. Der jetzige Job sei zwar sicher, gut bezahlt und herausfordernd, sie käme auch viel rum, aber ihr gehe es nun mehr um „purpose“, also Sinn.
„Work life balance you know“
Jetzt wird es interessant. Ich will ihr zurufen: „Das, was Du gerade machst, ist supersinnvoll, work life balance you know“. Aber es sei auch viel einfacher selbst alles unter Kontrolle zu haben. So mit Mann und Karriere (und vielleicht Kindern). Vielleicht sollte sie sich mit dem Ex-Mann meiner Gesprächspartnerin von gegenüber austauschen…Die Tapas trudeln ein. Erst die Beilagen, dann der Salat, nach etwas Warten das Hauptgericht, in 3er oder 5er Portionen. Ich wundere mich. Andere scheinen andere Auffassungen von Teilen zu haben.
Das Paar, er mit Hipster Bart (so, nun hätten wir auch dieses Klischee bedient) auf der anderen Seite, unterhält sich über die neueste Staffel von „Game of Thrones“. Ich lerne, dass dies kein Brettspiel sondern eine ernstzunehmende Fernsehserie ist. Ich lerne auch im Laufe der Konversation, dass Glotzen mehr ‚in‘ ist als je zuvor. Zwischen Kochen, Yoga und Lebenskontrolle.
So ein Wochenende mit Netflix, wenig sozialer Interaktion (im real life selbstredend), Wollsocken und Pizzaservice hat schon was.
Man klärt mich auf. Hygge „hoo-ga,“ heisst es. Das dänische Wort für einen faulen Fernsehabend in Jogginghosen und Dutt (siehe oben). Oder einfach mal früh ins Bett gehen. Höre ich richtig? Aus diesem Leben dachte ich gerade stundenweise einen Ausflug zu machen.
Kurz nach halb elf wird das Telefon gezückt. Man bestellt sich ein UBER. Das Wort Taxi scheint so altmodisch zu sein wie mein Wille, drei Scampi gerecht durch vier teilen zu wollen. Die Generation, die lieber zu Hause Netflix guckt, verabschiedet sich erstaunlich schnell. Ich glaube, den Damen ist kalt und sie vermissen ihre Wollsocken!
Photo by pan xiaozhen on Unsplash und pixabay
Wow. Aber so richtig zu sagen hatte sich niemand etwas, oder?
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