Der Wal und das Ende der Welt
Ich bin manchmal wirklich sprachlos, was sich Schriftsteller ausdenken. So erging es mir auch mit dem Buch Der Wal und das Ende der Welt, das mir meine Schwester aus dem Urlaub mitbrachte mit den Worten: „Unbedingt lesen!“ Und sie hatte recht. Es ist sehr lesenswert, denn John Ironmonger schreibt schon 2015 über ein Thema, das uns heute jeden Tag beschäftigt. Aber sein Roman schildert auch ganz wunderbar #volldasguteleben
Als ich anfing, das Buch zu lesen, dachte ich: Wie kann man so schnell ein Buch über unsere heutige Situation schreiben? Als ich nachschaue, sehe ich, das Buch ist schon 2015 in englisch erschienen, die deutsche Ausgabe jedoch erst 2019. Aber jetzt zu dem Roman. Die visionäre Geschichte beginnt an der Küste von Cornwall, dort liegt das kleine Fischerdorf St. Piran. Hier kennt jeder jeden, man hilft sich. Das Leben in St. Piran ist ruhig und gemächlich, bis eines Morgens ein bewusstloser, nackter junger Mann am Strand angespült wird. Die Bewohner von St. Piran eilen schnell zur Hilfe und bringen ihn zu Dr. Mallory Books, dem Arzt im Ruhestand. Dieser gewährt ihm Unterschlupf, denn Joe, so heißt der junge Mann, ist auf der Flucht. Als Mathematiker und Analyst hat er ein Softwareprogramm geschrieben, das berechnet, wovon unsere Zivilisation abhängt…
Und dann ist da noch der Wal
Der taucht am selben Tag auf wie Joe und strandet. Die dreihundertsieben Bewohner des Fischerdorfs ahnen zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, wie existentiell ihre Gemeinschaft bedroht ist. So wie das ganze Land. Und vielleicht die ganze Welt. Weil alles mit allem zusammenhängt.
Ich möchte das Ende natürlich nicht verraten, aber John Ironmonger erzählt in Der Wal und das Ende der Welt eine wunderschöne Geschichte über das, was uns als Menschheit zusammenhält. Und er stellt die wichtigen Fragen: Wissen wir genug über die Welt, in der wir leben? Was brauchen wir, um uns aufgehoben zu fühlen? Und was würdest du tun, wenn alles auf dem Spiel steht? Während ich lese, muss ich an Jared Diamonds Buch Kollaps denken, in dem Diamond das Scheitern verschiedener Kulturen beschreibt – aber auch Empfehlungen gibt, wie wir als Gesellschaft Katastrophen meistern können.
John Ironmonger zum Buch
Der Autor selbst sagt in einem Interview mit Sophie Priester: „Für mich war ein Ziel des Buches zu zeigen, wie Gemeinschaften auf Krisen reagieren, indem sie nicht selbstsüchtig, sondern gemeinsam die Herausforderungen angehen. St. Piran ist ein kleiner Ort, an dem jeder Bewohner den anderen kennt. Sie meistern die Krise, da jeder eine Rolle findet: Manche fischen, andere melken Kühe, manche holen Wasser aus dem Brunnen, andere stellen Cider her, manche kochen und so weiter. Jeder wird wertgeschätzt. Niemand ist ausgeschlossen.“
Für mich ist das die Botschaft des Buches:
Wir haben alle einen Teil beizutragen.
Ein Nebeneffekt der Isolation durch die Corona-Krise ist, dass alle mehr Zeit damit verbringen, Nachrichten zu schreiben und Videoanrufe zu tätigen, um mit Verwandten und Freunden in Kontakt zu bleiben. Das ist auch sehr wichtig. Wenn wir alle in ein paar Wochen hoffentlich wieder aus der Isolation hervorkommen, brauchen wir unser Netzwerk an Freunden. Wir erleben gerade eine außergewöhnliche Zeit in der Geschichte. Die großen HeldInnen werden die Menschen des Gesundheitswesens sein, die ihr Leben hintenanstellen, um infizierten Menschen zu helfen. Auch das ist eine Chance für uns alle, einen Teil beizutragen. So wie in St. Piran.
Über den Autor:
John Ironmonger kennt Cornwall und die ganze Welt. Er wuchs in Nairobi auf und zog im Alter von 17 Jahren mit seinen Eltern in den kleinen englischen Küstenort, aus dem seine Mutter stammte. John promovierte in Zoologie; nach Lehraufträgen wechselte er in die internationale IT-Branche. Schon immer hat er geschrieben; seine Romane wurden in viele Sprachen übersetzt. Inspiriert zu »Der Wal und das Ende der Welt« haben ihn unter anderem die biblische Geschichte von Jonas und dem Walfisch, das Werk des Gesellschaftsphilosophen Thomas Hobbes, Jared Diamonds Sachbuch »Kollaps« und viele andere Quellen der Phantasie und des Zeitgeschehens. John Ironmonger lebt heute in einem kleinen Ort in Cheshire, nicht weit von der Küste. Er ist mit der Zoologin Sue Newnes verheiratet; das Paar hat zwei erwachsene Kinder und zwei kleine Enkel. John Ironmongers Leidenschaft ist die Literatur – und das Reisen auf alle Kontinente.