Kommunalpolitik: Männern und ihre Posten
Bisher schien die Kommunalpolitik oft eine reine Männerdomäne, die einige Frauen duldete. Doch mit den nächsten Kommunalwahlen in Hessen scheinen so langsam auch die Frauen in die kommunalen Parlamente einzuziehen. Heike Lachnit, unsere engagierte Gastautorin, hat recherchiert und bei Frauen nachgefragt.
Insgesamt sitzen in den deutschen Kommunalparlamenten rund 27 Prozent Frauen. Im Landkreis Limburg-Weilburg, in dem Heike Lachnit journalistisch tätig ist, sind es sogar nur rund 14 Prozent. Doch ein Blick auf die Listen zur Kommunalwahl lässt hoffen, dass mehr Frauen sich für die Kommunalpolitik entscheiden und in die Parlamente einziehen werden.
Erst wenn sich Frauen wählen lassen und gut aufstellen, können sie Männern die Posten streitig machen.
In den Gemeindevertretersitzungen und Stadtverordnetenversammlungen ist das Bild immer recht ähnlich. Wenige Frauen sind in den Gremien vertreten und noch wenigere äußeren sich zu einem Thema. Wenn sie denn einen Ausschuss leiten dürfen, dann ist es meist der Ausschuss für Soziales, Jugend und Senioren. Frauen sind in der Kommunalpolitik absolut unterrepräsentiert, denn die Kommunalparlamente stellen derzeit nicht die Struktur der Gesellschaft dar. Vereinzelt treffe ich Fraktionsvorsitzende an, aber es gibt Kommunen, in denen die Kommunalpolitik nur von Männern gemacht wird.
Licht am Ende des Tunnels
Ein ähnliches Bild in den Rathäusern. Deutschlandweit wird nur jedes zehnte Rathaus von einer Frau geleitet. (Quelle: Frauen. Macht. Demokratie ) In unserem Landkreis mit 19 Kommunen gab es viele Jahre nur eine Bürgermeisterin. Doch auch da gibt es Licht am Ende des Tunnels. Bei den Bürgermeisterwahlen im letzten Herbst kam eine weitere Frau dazu und bei den anstehenden Bürgermeisterwahlen gibt es in zwei Städten eine Kandidatin. Die Listen zu den Kommunalwahlen zeugen ebenfalls von einem positiven Trend. Auf den Listen für die kommende Kommunalwahl finden sich viel mehr Frauen als bei den letzten Kommunalwahlen. Bündnis 90/ Die Grünen sowie der SPD gelingt es sogar, unter den ersten zehn Listenplätzen 50 Prozent Kandidatinnen zu haben.
Familienfreundlichere Termine
Doch was sind die Gründe, dass Frauen noch immer unterrepräsentiert sind? Familienunfreundliche Sitzungstermine, Posten fest in Männerhand oder auch wenig Interesse an Veränderung sind einige Gründe, welche Ute Jungmann-Hauff, seit 27 Jahren Frauenbeauftragte im Landkreis, in einem Gespräch nennt.
Überhaupt ist das Thema Familie und Zeit der häufigste Grund, der zur Sprache kommt. Vor den Kommunalwahlen 2019 in NRW machte Correctiv eine Umfrage, an der sich 600 Kommunalpolitikerinnen anonym beteiligten. 60 Prozent erzählten, dass sie im Rahmen ihrer politischen Arbeit schon einmal Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts oder Sexismus erlebt haben. Rund jede Fünfte kann die kommunalpolitische Arbeit und ihre Familie nicht miteinander vereinbaren. Viele beklagen Intransparenz, Klüngel und Seilschaften unter Männern. (Quelle: Correctiv)
Politisches Netzwerk für Frauen
Seilschaften kennt Ute Jungmann-Hauff auch. Um diesen etwas entgegenzusetzen und mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu bringen, gründete sie vor zehn Jahren ein Netzwerk. Von der Rhetorik bis hin zur Auseinandersetzung mit einem Haushalt für eine Kommune finden verschiedene Workshops sowie Austausch unter den Frauen statt. Inzwischen sind 140 Frauen in diesem Netzwerk und zweimal im Jahr treffen sich rund 40 Frauen aktiv. Dabei geht es nicht nur um Frauenpolitik, sondern auch um andere Themen, welche Frauen betreffen.
„Es gibt konkrete Hilfestellungen, wir machen den Frauen Mut, den Mund aufzumachen und ihre Standpunkte zu vertreten“, erklärt Jungmann-Hauff, „Ich teile ihnen auch mit, immer auf ihre Rolle als Frau zu achten. Denn manchmal sind es die kleinen Dinge, die mit einem Frauenblickwinkel den Unterschied machen.“
Während einer Podiumsdiskussion dieses Netzwerkes gab es interessante Einsichten, wie Frauen an Themen herangehen. Eine Besucherin merkte an, dass sie doch nicht über etwas abstimmen könnte, von dem sie nicht viel Ahnung habe. Eine erfahrene Kommunalpolitikerin antwortete ihr darauf, dass dies genau das Problem sei. Frauen zögern mit sich, bis sie sich zu 110 Prozent sicher sind. Sie kenne jedoch genügend männliche Kollegen, die auch nach 30 Jahren einen Haushalt noch nicht richtig lesen könnten. Mehr Frauen in die Kommunalpolitik „Wir können alles schaffen“
Blickwinkel der Frauen
Engagierte Kommunalpolitikerinnen machen auch immer wieder darauf aufmerksam, dass sie die Politik nicht in Frauenthemen und sonstige Themen unterteilt haben möchten, auch wenn Frauen einen anderen Blickwinkel haben. „Ich denke, dass Frauen aufgrund ihrer Familiensituation besonders gut neben ihrem Job, organisieren können. Sie verfügen zuhause über die Geldwirtschaft, planen den Urlaub, sie machen alles, halten den Männern den Rücken frei. Sie sind Köchin, Erzieherin, Krankenschwester etc. Dies prädestiniert sie dafür, mit einem anderen Blickwinkel in die Politik zu gehen. Sie bringen viel mehr Hintergrund und Lebenserfahrung mit, was den Blickwinkel auf die politischen Entscheidungen verändert“, so Jungmann-Hauff. Sie ermutigt Frauen, sich für die Themen einzusetzen, die sie interessieren. Und das hört nicht bei der Kinderbetreuung, Spielplätzen, Jugendarbeit oder Angebote für Senioren auf. Warum wird Frauen immer abgesprochen, eine Meinung zu städtebaulichen Projekten zu haben oder zum Haushalt? Vielleicht wären es für zukünftige Projekte gerade die verschiedenen Blickwinkel, welche am Ende den Erfolg ausmachen und die Kommunen voranbringen.
Alte Parteistrukturen
Es sind jedoch nicht nur private Gründe, welche die Frauen davon abhalten, in die Kommunalpolitik zu gehen. Männer halten an jahrzehntealten Strukturen fest. Frischer Wind wird nach außen hin zwar begrüßt, doch eigentlich möchte niemand Veränderung. Bei der CDU wird dies teilweise überdeutlich. Pressemitteilungen von Vorstandswahlen zeigen seit Jahren das gleiche Bild – nur männliche Parteikollegen sind im Anzug nebeneinander aufgestellt. Sehr selten ist in diesen Reihen eine Frau zu finden.
Auch auf den jetzigen Listen zur Kommunalwahl finden sich Frauen nur selten an erster Stelle. Viele junge Kandidaten sind gelistet, doch ebenfalls häufig auf den hinteren Plätzen. Da bedarf es schon vielen Stimmen durch Kumulieren und Panaschieren, um dann tatsächlich auch in die Gremien einzuziehen und mitzugestalten. Vieles ist pure Augenwischerei, um nach außen hin zu zeigen, dass etwas getan wird.
Durchmischen der Parlamente wäre sehr gut
Ein weiteres Problem ist, dass manche nicht loslassen können, obwohl es schon längst an der Zeit wäre. „Viele meiner männlichen Kollegen im Parlament halten an den Strukturen fest, weil es die schon immer gibt. Ich sehe auch Frauen, die schon ganz lange im politischen Geschäft dabei sind. Die agieren inzwischen auch wie die männlichen Kollegen. Also sind es die politischen Strukturen, die nicht so einfach durchbrochen werden können“, so die Frauenbeauftragte. Insgesamt wäre eine Durchmischung des Parlamentes sehr gut. Erfahrene sowie junge Politiker, Männer sowie Frauen könnten so gemeinsam die Interessen und Belange für die Region vertreten.
Für die Kommunalwahl hat Ute Jungmann-Hauff einen Wunsch: „Wenn wir an die 30 Prozent kommen wie im Land Hessen oder im Bundestag, würde ich mich echt freuen. 1/3 Frauen und 2/3 Männer ist für den Anfang ein gutes Mischungsverhältnis.“ Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen.