Gesunde Ernährung und gutes Leben – so geht’s!
Das Gewicht halten: Ohne Heißhunger zu schieben und ohne zu verzichten. Schön wär’s, denkst Du vermutlich – aber Andrea Irle sagt: „Das geht!“ Nicht mit „Zack, zack, schnell kochen“ und auch nicht mit akribischen Diätplänen. Und ja, man darf auch in der Advents- und Weihnachtszeit schlemmen. Andrea, die sich als Expertin für ganzheitliches Wohlbefinden versteht, ist wichtig: Es kommt auf das Zusammenspiel von Ernährung, Bewegung und Resilienz an. Über diesen Dreiklang hat Elke mit Andrea gesprochen. Denn der Dschungel der Lebensmittelindustrie ist dicht…
Andrea, als Gesundheitscoach und Trainerin begleitest Du Deine Kunden dabei, ihr Ernährungs- und Bewegungsverhalten, aber auch ihre Widerstandsfähigkeit konkret zu überprüfen. Wie stark ist die Keule, die Du dabei schwingst?
Ich gehe genau auf die jeweiligen Bedürfnisse ein und den Ursachen für Dysbalancen auf den Grund, von einer Keule kann also keine Rede sein. Bewusst empfehle ich kleine Veränderungen, eine schrittweise, zielorientierte Umstellung. Wer sich peu a peu ein neues Verhalten antrainiert, hat überhaupt erst die Chance auf eine DAUERHAFTE Verhaltensänderung mit anhaltendem Erfolg.
Aber wie funktioniert das?
Nehmen wir mal das Thema Abnehmen als Beispiel: Jemand, der sich schon oft durch Diäten gequält und wenige Wochen später wieder zugenommen hat, fragt sich natürlich: Woran liegt das? Warum kann ich mein Wunschgewicht nicht erreichen oder halten? Was ist denn los mit meinem Stoffwechsel? Ich esse doch schon so wenig!
Sehr gutes Beispiel, fragen sich bestimmt viele…
Richtig, und in diesen Fällen arbeite ich erst einmal mit Wissensvermittlung und Sensibilisierung, um Überblick und Struktur in das große Ganze zu bringen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass wir mit dem Thema Stressoren oder Mindset starten (oft liegen die Ursachen nämlich da, wo man sie nicht unbedingt vermutet). Und dann können die ersten Ernährungsumstellungen viel klarer angegangen und in den Alltag integriert werden.
Gesunde Ernährung – nicht im Gleichgewicht
Du bist Ernährungstrainerin. Wie hast Du Dich ausgebildet?
Ich habe Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule studiert und eine umfassende Ausbildung u.a. in den Bereichen Anatomie, Physiologie, Sportmedizin, Didaktik und Trainingswissenschaften erhalten. Nach und nach habe ich mich dann im Ernährungssektor weiterqualifiziert. Hier lag mein Fokus auf dem Bereich Ernährungsmedizin, wie und warum Nahrung und Nährstoffe unseren Körper, unsere Gesundheit beeinflussen können.
Aber das Thema Entspannung gehört auch zu Deiner Themenpalette, oder?
Ja. Später sind noch Ausbildungen zur Resilienz- und Entspannungstrainerin hinzugekommen, um mein Portfolio für „Deine ESSENZ“ zu komplettieren. Für mich kommt es auf das Zusammenspiel von Ernährung, Bewegung und Resilienz an. Denn es sind meist diverse Faktoren, die sich ganzheitlich auf unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und somit auf unsere Lebensqualität auswirken.
Wie kann das Wissen über gezielte Ernährung und Bewegung die Schulmedizin unterstützen?
Seit Jahren erlebe ich in meinem privaten und beruflichen Umfeld: Durch unseren Lebensstil und die Schnelligkeit unseres Alltags ist einiges ins Ungleichgewicht gekommen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Erschöpfung treten vermehrt auf… Ich begleite und berate meine Kunden in Ergänzung zur Schulmedizin z.B. dahingehend, welchen großen Einfluss Ernährung auf unser Immunsystem und Entzündungsprozesse nehmen kann – positiv wie negativ.
Eigenverantwortung schaffen und sensibilisieren
Du schaffst also im 1. Schritt erst mal Bewusstsein dafür, dass man selbst am Hebel sitzt?
Genau, über den Tellerrand schauen und Eigenverantwortung übernehmen. Ich möchte Bewusstsein schaffen, sensibilisieren und aufklären, was wir mit vielfältiger Ernährung, angepasster Bewegung und einer guten inneren Widerstandskraft erreichen können.
Wichtig ist vor allem, ins Tun zu kommen.
Wir wollen doch alle möglichst gesund alt werden und fit bleiben. Plus: Unterschätzt nicht die Vorbildfunktion für unsere Kinder!
Klingt gut, aber ist es für viele nicht noch eine zusätzliche „Belastung“? Der Spagat zwischen Beruf und Familie ist ja nicht gerade klein. Viele sind froh, wenigstens noch ein bisschen Sport einzubauen…
Deshalb erarbeite ich mit meinen Kunden die Anpassungen auch schrittweise, damit diese zum Alltag passen und bestmöglich integriert werden können. Stress und die Schnelligkeit unseres Alltags sind u.a. die Probleme, die sich auch in unserer Ernährungsweise widerspiegeln. Es muss ja alles immer zack, zack gehen. Schnell einkaufen, schnell kochen usw.
Und die Lebensmittelindustrie macht fröhlich mit…
Ja, wir unterliegen den Marketingtricks der Lebensmittelindustrie enorm – sie greift nämlich genau diese Alltagsprobleme und Bedürfnisse auf (Stress, wenig Zeit, es muss schnell gehen). Vor allem Snacks und Fertiggerichte, die Gesundes suggerieren, enthalten, abgesehen von Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen, meist sehr viel Zucker oder Zuckerersatzstoffe. Und nicht zu vergessen, die Getränke.
Ein Smoothie hier, ein Riegel da, alles schnell gekauft und gegessen …
Welches Problem übersehen wir dabei?
Dass Zucker und kohlenhydrathaltige Lebensmittel unseren Blutzuckerspiegel sehr stark und schnell in die Höhe treiben. Um diesen zu senken, wird Insulin ausgeschüttet. Nach kurzer Zeit fordert der Körper Nachschub – wir brauchen wieder Energie, wir verspüren Hunger. Dagegen helfen, kurzfristig betrachtet: Kohlenhydrate oder der beliebte zuckerhaltige Snack, aber der heizt den Blutzuckerspiegel erneut stark an. Ein verhängnisvoller Kreislauf, der die Bauchspeicheldrüse und unser Immunsystem belastet und unseren Körper auf Dauer unter (Zell-)Stress setzt.
Ernährung und Trends – wie die Lebensmittelindustrie mitmischt
Aber Kohlenhydrate sind doch nicht per se „böse“? Was mich in Sachen Ernährung stört, ist: Jedes Jahr wird eine andere S.. durchs Dorf getrieben, mal heißt es bloß viel von dem, dann wieder: Bloß nicht das.
Das stört mich auch. Und im Dschungel der Ernährungstrends finden sich viele auch gar nicht mehr zurecht. Es sollte eher darauf geachtet werden, frisch, nährstoffreich und regional-saisonal zu essen. Mit dem, was ich esse, kann z.B. auch das Energielevel, die Konzentrationsfähigkeit und natürlich das generelle Wohlbefinden beeinflusst werden. Fakt ist: Solange der Körper mit der Verbrennung von Zucker (Kohlenhydrate) beschäftigt ist, wird Fett nicht verbrannt, sondern gespeichert, sprich: Ein Zuviel an Zucker wird umgewandelt in Fett. Aber natürlich kommt es auch immer auf das Bewegungspensum jedes Einzelnen sowie die Art der Kohlenhydrate an und: Die Dosis macht das Gift.
Und dann gibt es noch viele Ratgeber in Sachen Fettsäuren…
Ja, und da spielen auch Kohlenhydrate eine Rolle: Es gibt die schnellen und die langsamen. Zu den schnellen gehören u.a. zucker-/weizenhaltige Lebensmittel, die uns zwar schnell Energie liefern – diese Energie hält aber nicht lange an, wir fühlen uns müde und antriebslos. Außerdem enthalten diese Lebensmittel meist einen hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren, die eine entzündungsfördernde Wirkung haben können.
Es kommt also auf ein gutes Verhältnis zwischen Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren an.
Die Aufnahme von Omega-3 Fettsäuren (z.B. in Fisch, Leinsamen, Nüssen enthalten) sollte daher erhöht werden. Diese haben nämlich entzündungsregulierende Eigenschaften.
Und die sogenannten langsamen Kohlenhydrate?
… stecken v.a. in Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten; sie versorgen den Körper länger mit Energie und enthalten Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Diese gehören neben Proteinen und Fettsäuren zu den essentiellen Nährstoffen.
Ich kann also weiterhin mit kleinen Mahlzeiten, verteilt über den Tag, gesund leben, wenn ich darauf achte, WAS ich esse?
Ja, aber die Frage ist, warum isst du überhaupt viele kleine Mahlzeiten verteilt über den Tag und hältst damit deinen Darm und deine Bauchspeicheldrüse permanent auf Trapp? Gönne deinem Körper doch mal eine Pause und Zeit für die Verdauung.
Man muss verstehen, dass das ständige Auf und Ab des Blutzuckerspiegels und die damit verbundene Insulinausschüttung den Körper unter Stress setzen und unser Immunsystem belasten.
Darmprobleme können auf Dauer gesehen die Folge sein. Ist unser Immunsystem – und das sitzt größtenteils in unserem Darm – nachhaltig angegriffen, kann es zu weiterführenden Dysbalancen kommen. Natürlich kannst Du kleine Mahlzeiten, verteilt über den Tag zu Dir nehmen, die den Blutzuckerspiegel nicht so sehr in die Höhe treiben bzw. geringer ausschlagen lassen. Kleine Mahlzeiten führen allerdings dazu, dass man nie richtig satt und somit ständig hungrig und auf „Nahrungssuche“ ist.
Kann man grob verallgemeinern, was die Ursache für Gewichtszunahme ist?
In unserer Ernährung wird oftmals das Fett als der Übeltäter für Gewichtszunahme bezichtigt. Natürlich spielt die Art des Fettes eine Rolle. Die wirkliche Ursache dafür, dass wir an Gewicht zulegen, ist jedoch ein zu hoher Insulinspiegel (u.a. aufgrund der erwähnten kleinen, meist zuckerhaltigen Mahlzeiten und Getränke). Doch was tun wir?
Richtig Einkaufen
Wir kaufen bevorzugt fettreduzierte Lebensmittel … meinst Du diesen Trend?
Richtig, wir greifen zu den Lebensmitteln, die versprechen: Weniger Fett, schlankere Linie. Da sind wir wieder bei der Lebensmittelindustrie. Nur: Fettreduzierte Produkte enthalten meist mehr Zucker als Vollfettprodukte. Weniger Fett sättigt zudem schlechter, also essen wir mehr davon…
Wenn der Alltag aber durch viel Stress und wenig Zeit geprägt ist, was ist dann Dein Rat?
In unserem Alltag haben wir doch meist eine feste Struktur und Organisation, damit „der Laden“ läuft. Binde auch die Ernährung in dieses Konstrukt ein, plane ggf. vor. Als Snacks zwischendurch – sofern notwendig, z.B. wenn man von Termin zu Termin hetzt – eignen sich immer gut Nüsse und Rohkost. Diese enthalten gute Fette und Ballaststoffe, die Dich mit Energie versorgen.
Wenn ich zu Dir ins Coaching käme: Was erwartet mich?
Über eine ausführliche Anamnese und eine Zielformulierung wird das Ernährungs- und Bewegungsverhalten analysiert. Auch Aspekte wie (Vor-)Erkrankungen, Schlafverhalten und Stresslevel fließen mit ein. So erfolgt das sich Bewusstmachen des aktuellen Ernährungsverhaltens mit darauf bezogenen individuellen Umstellungen. Über regelmäßige Feedback-Gespräche werden individuelle Bedürfnisse erörtert und Anpassungen step by step trainiert, damit diese in „Fleisch und Blut“ übergehen und zu neuen Gewohnheiten werden.
Darf man denn dann überhaupt noch naschen?
Ja. Natürlich kommt man, wie z.B. jetzt zur Weihnachtszeit, schwer an all den süßen Leckereien vorbei. Und darf sie genießen! Nur gilt auch hier wieder: Die Dosis macht eben das Gift.
Danke für das Interview, liebe Andrea.
5 Ohfamoose Tipps
.. vielleicht nicht ganz neu, aber wir sollten sie für #volldasguteLeben vor Augen haben:
- So natürlich essen wie möglich (frische, regionale und saisonale Produkte)
- Zutatenliste/Inhaltsstoffe öfter genauer unter die Lupe nehmen
- Nährstoffreiche Lebensmittel versorgen den Körper und liefern anhaltende Energie
- Bewegung an der frischen Luft erzeugt Sauerstoff für Muskeln und Gehirn und stärkt das Immunsystem
- Bewusste Pausen fördern Entspannung und Erholung
Andrea Irle, Mutter von 2 Kindern, begleitet Menschen als Gesundheitscoach und Trainerin mit den Schwerpunkten Ernährung, Bewegung und Resilienz. Sie berät ihre Kunden individuell abgestimmt auf ihre jeweiligen Bedürfnisse und Dysbalancen/Beschwerdebilder.
Die Empfehlungen der Kölner Diplom-Sportlehrerin zielen darauf ab, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten mit kleinen Veränderungen schrittweise umzustellen und zu trainieren. Innere Widerstandskraft und Mindset spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auf das Zusammenspiel kommt es an. Sie sagt: „Gesundheit (er)halten ist nicht nur eine Frage des Wissens, sondern der nachhaltigen Verhaltensänderung.“
Fotos: privat und unsplash