Taschentücher aus Stoff – Liebe auf den 1. Griff
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Als ich zum 1. Mal von der Idee lese, denke ich: Ein innovatives, nachhaltiges Produkt, gemacht von einer energievollen Frau, die genau weiß, was sie will. Die Rede ist von StoffOS, einer Idee aus Osnabrück. Was hinter diesen norddeutschen „Nasenschmeichlern“ steckt, erfragt Elke Tonscheidt im folgenden Interview mit Silke Kretzing, die die Welt der Taschentücher aus Stoff auf den Kopf stellt.
Letztlich sind es Stofftaschentücher aus Bio-Baumwolljersey. So steht es auch auf der StoffOS Website.
Doch wenn ich diesen wollweißen Stoff allein im Werbefilm anschaue, überkommt mich das Gefühl, das bitte haben zu wollen. Und wenn ich es dann in der Hand spüre, frage ich mich: Wieso habe ich jemals ein Tempo gekauft?
Die Frau, die hinter der StoffOS-Idee steckt, erledigt dann „den Rest“ 🙂 Denn wer einmal mit Silke Kretzing gesprochen hat, weiß:
Diese Überzeugungstäterin wird vermutlich nicht Bundespräsidentin, aber ihren Stoff wird sie an deutsche Nasen bringen.
Wie will sie das machen? Warum macht Edeka schon mit? Wie groß ist das Restmüllproblem der gängigen Papier-Alternative?
Diese und andere Fragen beantwortet die StoffOS-Erfinderin, die so gerne Probleme löst und ihr Wissen fleißig teilt.
Interview mit Silke Kretzing von StoffOS
Frau Kretzing, Sie nutzen und verkaufen nach eigenen Angaben „richtig guten Stoff“ – woraus besteht er?
Silke Kretzing: Ja, in der Tat, ich verkaufe richtig guten Stoff und das nach sorgfältigster Recherche und vielen Analysen.
Eine große Rolle spielt dabei Stephanie Rabe, die Junior-Chefin der Firma „Rabe Moden“.
Das Unternehmen aus dem Teutoburger Wald? Wie das?
Stephanie Rabe hatte mich mit der Organisation zweier Events zum 100. Geburtstag des traditionsreichen Familienunternehmens beauftragt: Tag der offenen Tür mit ca. 2000 Gästen und die Gala mit 500 Gästen. Die Rabe Fashion Group ist in 38 Ländern der Welt vertreten und wird, genau, von ihrem Stammsitz im Teutoburger Wald geleitet. Das liegt bei mir quasi um die Ecke.
Stoffos – richtig guter Stoff und wunderbar glänzend
Aber da gab es StoffOS doch noch gar nicht?
Exakt. Und wegen Corona wurden bedauerlicherweise auch alle Eventpläne zurückgestellt. Zum Glück blieb mir aber eine überaus kompetente Ansprechpartnerin zum Thema Bio-Baumwolle! So hat „Rabe Moden“ maßgeblich dazu beigetragen, dass ich – damals noch ein totales Textil-Greenhorn – heute richtig guten Stoff verkaufe.
Wodurch zeichnet er sich aus?
StoffOS besteht aus einem fließenden und saugstarken Material mit wunderbarem Glanz und einer Grammatur von 160 g/qm, made in der Türkei. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich den Stoff erstmals durch meine Finger gleiten ließ. Das war wie Liebe auf den ersten Griff…
Dieser Jerseystoff war einfach ein Mega-Handschmeichler und ich wusste sofort: Der hat das Zeug, als Nasenschmeichler groß rauszukommen.
Bis wir dann final alles zusammen hatten, vergingen einige Monate mit vielen Analysen. Zunächst produzierte unser Hersteller Probestoffe mit Fäden aus Kathmandu und Indien. Später aus anderen Herkunftsländern und immer waren etliche Paketdienstsendungen mit vielen Mustern unterwegs. Aber eines Tages hatten wir das optimale Garn bei einem kleinen Bio-Betrieb in den USA gefunden, der nun endlich die gewünschte Weichheit sowie die Saugkraft sicherstellt.
Das hört sich nach vielen Herausforderungen an. Einfach nur quadratisch & gut geht anders, oder?
Richtig. Wer glaubt, das sei doch nur ein einfaches quadratisches Stück Stoff, kann sich nicht vorstellen, woran alles zu denken ist. Die Haptik stimmte nun endlich, aber die Ware, die ja eigentlich für T-Shirts produziert worden war und nicht für Hygiene-Haushaltsartikel, lief bei der 60 ° Grad Wäsche extrem ein. Diese Waschtemperatur wollten wir aber aus hygienischen Gründen unbedingt garantieren. Also experimentierte der Hersteller mit verschiedenen Vorbehandlungswäschen und Ausrüstung der Ware.
Mit StoffOS Taschentücher auf Tuchfühlung
Das bedeutet, auch Ihr Zeitplan kam durcheinander?
Geplant hatte ich ursprünglich, im Herbst 2020 mit den StoffOS auf den Markt zu kommen. Daraus wurde tatsächlich leider nichts. Die Qualität des Produktes sollte die Menschen schließlich bei der ersten Tuchfühlung begeistern und sofort bei der ersten Benutzung überzeugen. Meine Geduld, auf einen Stoff zu warten, der all diese Eigenschaften hat, wurde auf eine harte Probe gestellt.
Geduld gehört für viele nicht gerade zu den ausgeprägtesten Eigenschaften…
Ich sage immer: Was wäre das Leben ohne Herausforderungen?
Mit StoffOS fühle ich mich geradezu wie auf einem Highway der Herausforderungen.
Und daran konnte ich wieder einmal wachsen. Nun fasse ich mit StoffOS mehr und mehr Fuß – wofür ich übrigens zum einen der Münsteraner Firma Tailor Lux als auch Dibella aus dem indischen Bangalore dankbar bin. Letzterer ist mein Lieferant – in den regenfeuchten Gebieten der drei indischen Staaten Maharashta, Odisha und Andrah Pradesh betreiben 10.000 Produzenten der Kooperative Chetna Organic Farmers Assosiation (kurz COFA) seit 2004 Biobaumwollanbau. Von dort aus kommen die nächsten StoffOS, bio, fair gefertigt und GOTs zertifiziert.
Warum gibt es „so etwas“, wie Sie anbieten, noch nicht?
Taschentücher aus T-Shirt Material – ich könnte mir vorstellen, dass die schon in einigen Haushalten als DIY-Produkt existieren und vielleicht manches Lieblings T-Shirt so noch eine zweite Karriere macht.
Aber dass es das noch nicht als Alternative neben den „Papierdingern“ im Supermarktregalen gibt, liegt einfach daran, dass sich vor mir anscheinend noch niemand darüber Gedanken gemacht hat, ein so riesiges Restmüllproblem mit einer derart schlichten Lösung für ganz viele Anwender anzugehen.
Wie groß ist dieses Restmüllproblem denn?
Das Ausmaß des Müllvolumens dieser 2,6 Gramm leichten Papiertücher ist scheinbar niemandem so recht bewusst. Doch die traurige Wahrheit ist: Bei meiner Erstrecherche 2019 hatte ich den pro Kopf Verbrauch bei 375 Stück in Deutschland festgestellt. Laut der Statista werden jetzt keine Stückzahlen mehr angegeben, sondern nur noch der Pro-Kopf-Verbrauch in Kilogramm. Das bedeutet für Deutschland im Jahr 2022 ganze 1,7 kg Papiertaschentücher pro Kopf.
Bei 2,6 Gramm als durchschnittlichem Gewicht eines Papiertaschentuchs ergibt das einen Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr in Höhe von 653 Stück pro Jahr.
Kommen wir zu einem erfreulicheren Thema, Ihren ersten Testverkäufe…
Gern, denn da bin ich tatsächlich ganz aus dem Häuschen. Seit dem 4. September 2021 kann ich liefern, und bis Mitte Januar 2022 hatten die ersten 1.600 Tüten mit je 5 StoffOS „eine neue Nase gefunden“. Nach dem ersten Presseartikel in der NOZ vom 2.2.2022 waren die restlichen 800 Tüten über unseren Online-Shop schnell verkauft – und ich ausverkauft. Seit Dezember 2021 sind die StoffOS zudem in elf regionalen EDEKA Märkten rund um Osnabrück erhältlich. Also genau da, wo ich unbedingt hinwollte, direkt neben die „Markenpapierdinger“, wie ich sie immer nenne… 🙂
Neben den Taschentüchern gibt es auch Stoffservietten
Wie ist das Feedback?
Generell kommen die StoffOS gut an, in einem Drittel der Märkte bin ich mit persönlichen Promotionsaktionen vor Ort und höre viel Lob.
Jetzt kommt auch endlich Nachschub sowie unser zweites Produkt: Weiße Stoffservietten aus der bewährten StoffOS Qualität. 45 x 45 cm mit Knopfloch zum nicht ganz Knigge-konformen Befestigen an Hemd- oder Blusenknopf. Jetzt wird wieder fleißig gepackt – im Sanatorium Kassen und bei der Heilpädagogischen Hilfe, beides Partner in Bad Iburg, die mir professionell beim Verpacken zur Hand gehen. Gut kommt im übrigen auch unsere Idee an, die StoffOS zu individualisieren und zum Beispiel als nachhaltige Firmenpräsente für Unternehmen mit eigenem Logo oder Slogan anzubieten.
Haben Sie etwas speziell für den Frühling?
Ja, unsere Hatschi-Frühling-Sommer Editionen. Das Verpackungsmotiv – eine Blumenwiese mit Käfern, Bienen und Libellen – hat die Osnabrücker Künstlerin Nele Jamin von mach.werk für uns gestaltet.
Zudem kommen unsere Nasenschmeichler mit einem witzigen Gedicht zum Thema Heuschnupfen von Sean Kollak, Reimix.de aus dem Rheinland.
Menschen wie er freuen mich besonders, denn auf seiner eigenen Website nimmt Sean Kollak die StoffOS Botschaft auf und appelliert damit an Schüler*innen, Dinge zu ändern.
Eines Ihrer Vorbilder ist auch die Unternehmerin Sina Trinkwalder – warum?
Eine Freundin schickte mir deren Buch „Wunder muss man selber machen“. Ich verschlang es und sah Parallelen. Während Sie ein soziales Problem in die Hand nahm, habe ich ein umweltpolitisches Problem aufgegriffen. Wir beide haben uns getraut, in eine uns völlig fremde Branche einzutauchen und uns freizuschwimmen. Was wir nicht wissen, eignen wir uns mit „learning by doing“ oder in Gesprächen mit Experten an. Und last but not least haben wir beide eine Vision, die wir mit Vehemenz und Euphorie verfolgen. Ihre Geschichte ist eine absolute Mutmacher-Geschichte für mich.
Sie nennen 15 gute Gründe, Ihr Produkt zu nutzen. Welche drei sind die wichtigsten?
Erstens: Wir sind „Gamechanger“ in Sachen Umweltschutz, denn als Teil der Natur täten wir gut daran, uns das bewusst zu machen. Mit der bewussten Entscheidung für nachhaltige Produkte setzen die Verbraucher*nnen ein deutliches Zeichen. Wir haben es selbst in der Hand: Will ich Teil des Problems oder Teil der Lösung sein? Gerade von jüngeren Menschen höre ich dazu viel Ermutigung und könnte mir vorstellen, dass die „Greta Thunberg-Generation“ hier Trendsetter sein will.
Und zweitens?
Wer den Wechsel will, sollte alle Vorzüge bieten. Deshalb wird der Wechsel vom weichsten Papiertuch zum Stoffo nicht nur angenehm, sondern sogar angenehmer sein. Was wir geschafft haben, denn unsere StoffOS sind wolkenweiche Nasenschmeichler und so sanft zur Nase, dass sie sich sogar für besonders empfindliche Schnupfen- und Allergikernasen eignen.
Drittens der Umweltgesichtspunkt?
Richtig, wir lassen Plastik ganz weg! Langlebige Produkte sind die einzige Lösung – von „ wisch & weg“ zu „schnäuz & wasch“.
StoffOS halten mindestens 5 Jahre, Tempos keine 5 Minuten.
Sie möchten Ihre Firma Gemeinwohl-Zertifizieren lassen, stimmt das?
Ja, denn durch einen TV-Bericht bin ich auf Christian Felber und die erste Gemeinde in Deutschland gestoßen, die diese Idee bereits konsequent umsetzt. Deshalb bin ich seit Mitte 2021 Mitglied in der Gemeinwohl-Ökonomiegruppe Osnabrück und zähle zu den Klimabotschaftern der Stadt- und des Landkreises Osnabrück. Ich möchte mich mit Gleichgesinnten vernetzen, denn gemeinsam geht Vieles besser. Beeindruckt war ich zudem von den City Cleaners Germany. Mit deren Gründerin Birgit Schad möchte ich mich gerne über mögliche Synergien austauschen, weil uns einiges verbindet.
Was denn?
Sie sagt: „Wir haben es vermasselt. Wir müssen es in Ordnung bringen!“ So denke ich auch und:
Ich möchte gerne dazu mehr an Schulen machen.
Damit die Kinder schon frühzeitig einen achtsamen Umgang mit sich und anderen und natürlich auch der Natur lernen. Denn schließlich schützt man später nur das, was man auch liebt.
Letzte Frage: Was ist Ihnen für StoffOS noch wichtig?
Ich möchte einen gewissen Prozentsatz aus meinen StoffOS Umsätzen für sozial-ökonomische Projekte spenden, sobald ich in schwarze Zahlen schreibe. Darum halte ich bereits jetzt Ausschau nach einem Projekt. Mir ist immer wichtig, zu teilen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schön es ist, wenn jemand an Dich glaubt oder Dich unterstützt, wenn es Dir nicht gut geht. Da mir immer alle Menschen und Ideen zur rechten Zeit begegnen, bin ich zuversichtlich…
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Silke Kretzing bezeichnet sich selbst als „gut gelaunte Idealistin mit einer Vorliebe für heißes Wasser und dem Wunsch, dass nachhaltiges Leben für jede*n ein Stückchen einfacher wird“. Das überzeugt vielleicht nicht jeden Skeptiker – aber immer mehr Menschen, die gern auch etwas anpacken, das nicht gleich die ganze Welt verändert.
Silkes Ziel ist es, nachhaltige Stoffprodukte als Alternative zu Wegwerf-Artikeln aus Papier ins Supermarktregal zu bringen. Mit der Mission: Das StoffOS Stofftaschentuch wird das erste nachhaltige Massenprodukt, das für jede*n leistbar, leicht verfügbar und in jeder Hosentasche zuhause ist.
Die Rheinländerin lebt im niedersächsischen Exil und hat nach fast 30 Jahren selbständigem Eventmanagement ihren Job „an die Pandemie verloren und dafür ein neues Mindset gewonnen“. Wir wünschen ihr viel Erfolg!
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Interesse an der Frühlings-Edition von Stoffos? Auch Oster-Motive werden kommen…
Fotos: Dominik Pfau und privat