Du erbst – und dann?

Erben ist gar nicht so einfach – vor allem für Frauen

Wer eine Erbschaft macht, hat eigentlich keinen Grund sich zu beklagen. Wer träumt nicht davon, ganz ohne Arbeit, ganz ohne Zeiteinsatz plötzlich über eine kleinere oder größere Summe verfügen zu können? Ulrike Scheffer, Journalistin und Erbin, hat ein Buch über das Erben geschrieben, und – man ahnt es schon – ganz so einfach ist die Sache nicht. Wir haben Ulrike gebeten, uns dieses tabubehaftete Thema näher zu bringen. Und zu erklären, warum sich „Erben für Anfängerinnen“, das sie zusammen mit der Finanz-Coachin Irene Genzmer verfasst hat, ausdrücklich an Frauen richtet.

 Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich vielleicht auch denken: „Solche Probleme möchte ich haben!“ Denn das ist eine typische und wohl auch verständliche Reaktion, wenn Leute, die geerbt haben, über Schwierigkeiten sprechen, mit der neuen Situation zurechtzukommen.

Doch beim Erben geht es eben immer auch um Emotionen.

Da ist die Trauer um einen geliebten Menschen und sehr oft kommt es nach einer Erbschaft zum Familienstreit. Da ist Scham, weil man plötzlich mehr besitzt als gute Freunde und dafür nicht einmal etwas leisten musste. Selbst Angst kann eine Erbschaft erzeugen, denn wer etwas besitzt, muss fürchten, es wieder zu verlieren.

Wie soll ich nur meine Erbe verwalten?

Als mein Erbe auf meinem Konto und in meinem Depot sichtbar wurde, konnte ich nicht mehr schlafen. Dabei wusste ich seit Jahrzehnten, dass dieser Tag kommen würde. Ich hatte mir jedoch nie Gedanken gemacht, wie ich mein Erbe verwalten oder anlegen könnte. Daher fühlte ich mich völlig überfordert, als ich von einem Tag auf den anderen für sehr viel Geld verantwortlich war.

Was, wenn ich es durch falsche Entscheidungen verlieren würde? Was, wenn für meine Kinder nichts mehr übrigbleibt?

Für Irene Genzmer, an die ich mich mit meinen Sorgen wandte, war meine Reaktion keine Überraschung. Frauen, so weiß ich heute, schieben Geldfragen gern von sich weg. „Geld ist nicht wichtig“, lautet ein beliebter Glaubenssatz, den Irene als Finanz-Coachin von Frauen zu hören bekommt. Dabei ist Geld in einer kapitalistischen Gesellschaft wie der unseren sogar besonders wichtig. Steigende Mieten und Lebensmittelpreise können Menschen mit geringem Einkommen schnell in Existenznot bringen. Annehmlichkeiten wie ein Urlaub sind ohne Geld ebenfalls nicht zu haben.

Warum also arbeiten so viele Frauen trotzdem in schlecht bezahlten Jobs und kümmern sich lieber um die Familie als um ihre Rente? Weil soziale Normen, die längst auf dem Müllhaufen der Geschichte liegen sollten, uns weiter im Griff haben. Danach sollen sich Frauen ums Soziale, sprich um das Wohlergehen ihrer Liebsten kümmern, während Männer als vermeintliche Versorger ihr Leben darauf ausrichten Karriere zu machen und Geld zu verdienen. Das ist zwar sehr pauschal beschrieben, doch in der Tendenz stimmt es.

Schließlich verzichten auch heute noch deutlich mehr Frauen als Männer auf Einkommen, um sich um die Familie zu kümmern. Frauen beschäftigen sich auch deutlich seltener als Männer mit Geldanlagen. Sie haben im Durchschnitt weniger Finanzwissen und trauen sich seltener zu, Entscheidungen über Geldanlagen treffen.

Erben
ohoo-Gastautorin Ulrike Scheffer

Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass viele Frauen nach einer Erbschaft mit negativen Gefühlen zu kämpfen haben. Deshalb entschieden Irene und ich, einen Erbratgeber speziell für Frauen zu schreiben. Seit er erschienen ist, kontaktieren mich aber auch Männer und bitten um Rat, weil eine Erbschaft ihr Leben mehr verändert, als sie erwartet hatten.

Natürlich sind das auf eine gewisse Weise Luxusprobleme, doch diese Probleme existieren nun einmal. 400 Milliarden Euro werden in Deutschland laut einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung jährlich vererbt. Etwa die Hälfte der Deutschen hat entweder bereits geerbt oder rechnet mit einer Erbschaft. Allein in den nächsten Jahren werden fast 40 Prozent der 40-64-Jährigen eine Erbschaft antreten.

In den meisten Familien wird über das, was später zu verteilen ist, allerdings nicht gesprochen. Die Eltern möchten nicht mit Forderungen konfrontiert werden und natürlich ist es unangenehm, über den eigenen Tod nachzudenken. Kinder, die das Thema aufbringen, werden meist abgekanzelt. Der Vater einer Freundin, der nach der Scheidung von ihrer Mutter Ende der 1960er eine neue Familie gegründet hatte, wies ihre Fragen zur Nachlassregelung mit den Worten zurück: „Streiten könnt ihr euch, wenn ich tot bin.“ Das ist keine seltene Reaktion.

In unserem Buch geben wir Tipps, wie ein Gespräch mit den Eltern gelingen kann.

Eine Klärung von Fragen zur Nachlassregelung noch zu Lebzeiten der Erblasser ist wichtig. Wenn sie erläutern, warum sie bestimmte Festlegungen getroffen haben, kann ein Erbstreit meist vermieden werden. Wollen sie ihr Haus beispielsweise nur einem Kind übertragen, muss das nicht bedeuten, dass sie dieses Kind bevorzugen. Vielleicht hoffen sie einfach, dass Sabrina oder dass Thomas am ehesten in ihrem Haus wohnen bleibt und es nicht verkauft. Ohne Aussprache wäre ein Streit in diesem Fall fast schon programmiert, denn emotional hängen vermutlich alle Kinder an ihrem Elternhaus und würden sich zurückgesetzt fühlen, wenn sie die Beweggründe der Eltern nicht kennen.

Wer es selbst besser machen möchte, dem erklären wir, wie man seinen eigenen Nachlass gut regeln kann. Gar nicht so einfach ist übrigens auch, den Hausstand einer verstorbenen Person aufzulösen oder aufzuteilen. Und manchmal hinterlässt jemand sogar Schulden. Als Erbin oder Erbe muss man dann schnell handeln und das Erbe innerhalb von sechs Wochen ausschlagen. Auch darauf gehen wir ein.

Trotz vieler Herausforderungen ist eine Erbschaft aber natürlich ein Glücksfall, der das Leben positiv verändern kann. Sie kann helfen, einen lang gehegten Traum wie eine Weltreise zu verwirklichen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, früher in den Ruhestand zu gehen oder für die Rente vorzusorgen.

Booster mit 10 Take-Aways 

In unserem “Booster” mit den 10 wichtigsten Take-Aways für ein besseres Geld-Selbstvertrauen heißt es: “Mach’ Geld zu deinem Werkzeug! Bevor du entscheidest, wie du deine Erbschaft anlegen willst, solltest du einen Schritt zurücktreten. Das Erbe wird dein Leben nur bereichern, wenn du damit Dinge verwirklichst, die dich glücklich machen. Frage dich daher zunächst, wie du in Zukunft leben möchtest und wie Geld dir helfen kann, deine Ziele und Träume zu verwirklichen. Wenn du weißt, wie du leben möchtest, kannst du Geld zu deinem Werkzeug machen. Denn nicht das Geld macht dich glücklich, sondern das Leben!”

Um am Ende gute Entscheidungen treffen zu können, kommt frau um ein solides Finanzwissen allerdings nicht herum.
Ulrike Scheffer

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so kompliziert ist, sich Finanzwissen anzueignen. In „Erben für Anfängerinnen“ vermittelt Irene schon wichtige Basics zu unterschiedlichen Anlageformen, zu nachhaltigen Investments und Anlagestrategien. Und sie beschreibt, wie man seine ganz persönliche „Zufriedenheitssumme“ findet.

Gastautorin Ulrike Scheffer, geboren in Westfalen, lebt seit mehr als 20 Jahren in Berlin. Seit 2019 arbeitet sie freiberuflich, für zahlreiche Medien und schreibe Sachbücher. Seither moderiert sie auch partizipative Erzählsalons, die Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenbringen und kontroverse Themen durch persönliche Erfahrungsberichte fassbar machen. Zuvor hat Ulrike Scheffer als politische Korrespondentin 18 Jahre lang für den Berliner Tagesspiegel recherchiert, analysiert und publiziert – in der deutschen Bundeshauptstadt, in Afghanistan, dem Kosovo, Japan, Kambodscha, Frankreich, den USA und vielen anderen spannenden Orten. 

Hier findest Du mehr über das Buch.

Ulrikes Beratungsangebot für Erbinnen

 

Elke Tonscheidt
Elke Tonscheidt, die selbsternannte Energiebündlerin, liebt und lebt in Köln. Neben ihrer Arbeit bei ohfamoos schreibt sie auch für andere Medien, besonders gern Porträts und Reportagen. Sie vernetzt sich gern, hat ein Start-Up mit gegründet und war einige Jahre in der politischen Kommunikation tätig.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 20. Juli 2025 veröffentlicht
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