Wenn das Herz plötzlich schweigt
Es gibt keine Worte, die den Schmerz beschreiben können, wenn ein Kind stirbt – wenn sein Herz plötzlich schweigt. Wenn der Verlust plötzlich und unerwartet durch einen Herzinfarkt geschieht, wird der Schock von der Unbegreiflichkeit des Geschehens überlagert. Man steht da, wie gelähmt von der Stille, die das Herz hinterlassen hat. In diesem Beitrag möchte ich über den Weg durch diese unfassbare Trauer sprechen — nicht, weil es einfache Antworten gibt, sondern weil ich hoffe, dass das Teilen dieser Erfahrung Trost und Verbundenheit schenken kann.
Ein Herzinfarkt ist etwas, das viele von uns mit dem Alter oder einer chronischen Krankheit verbinden. Dass ein junger Mann, voller Energie und Lebensfreude, davon betroffen sein kann, schien unvorstellbar. Doch manchmal geschehen Dinge, die sich nicht erklären lassen. Sie geschehen, ohne unser Zutun. Die Momente nach der Nachricht sind ein Nebel aus Schock, Unglauben und totaler innerer Leere. Stunden und Tage vergehen, jedoch hat man das Gefühl die Zeit steht still. Irgendwann fängt man an und sucht nach Erklärungen, nach einem Grund, warum das Unfassbare eingetreten ist – und findet nichts.
Trauer hat keine Regeln
Nach dem Schock des Unfassbaren setzt irgendwann die Trauer ein. Und die ist sehr individuell. Jeder Mensch trauert anders, und das ist vollkommen in Ordnung. Manche finden Trost im Austausch mit anderen, während sich andere zurückziehen und die Stille suchen, ja sogar brauchen. Es gibt keine „richtige“ Art zu trauern, keine zeitliche Vorgabe, wie lange dieser Schmerz dauern darf. Was zählt, ist das Akzeptieren der eigenen Gefühle und das Wissen, dass es okay ist, sich von einem Tag zum nächsten zu hangeln. Wichtig ist, dass man sich selbst die Zeit nimmt.
Die Suche nach der Schuld
Neben all der Trauer verursacht der Tod eines jungen Menschen durch eine plötzliche Ursache wie einen Herzinfarkt auch Schuldgefühle. Hätte man die Anzeichen früher erkennen können? Hätte man anders handeln müssen? Warum er, er war doch noch so jung? Tausend Fragen, die quälend sind und doch nur selten zu Antworten führen. Nach dieser Phase kommt die schmerzhafte Erkenntnis, dass man nicht alles kontrollieren kann, dass man loslassen muss.
Trost finden ist schwer
Die Menschen um dich herum leiden mit dir, wünschen dir Kraft und Trost. Doch wie findet man Trost und die Kraft weiterzumachen? Die Erinnerungen an das Kind können Trost spenden, jedoch auch unsagbare Schmerzen bereiten.
Sein Lachen, die Erinnerung an gemeinsame Momente, seine liebenswerte Eigenart — all das bleibt für immer im Herzen.
Und auch wenn diese Wunde nie ganz heilt, wird wohl die Zeit lehren, den Schmerz erträglicher zu machen. Der Verlust meines Kindes bedeutet ja nicht das Ende meiner Liebe zu ihm. Diese Liebe lebt weiter — in vielen Erinnerungen, in kleinen Gesten, in den besonderen Momente, die wir geteilt haben. Über ihn zu reden und die Erinnerungen lebendig zu halten, hilft mir. Aber auch ehrenamtliche Aufgaben sind für mich sinnvolle Tätigkeiten, das Andenken an mein Kind aufrecht zu halten. Es würde ihn freuen.
Die Zeichen sehen
Seitdem sein Herz nicht mehr schlägt, sehe ich die Welt ein bisschen anders. Ich sehe Zeichen, dass es meinem Kind gut geht. Das es OK ist. Wie z.B. den Regen, den er so liebte, der am Tag der Beerdigung fiel, und den vollständigen Regenbogen, der die Stadt überspannte. Oder der Meteoritenschauer in der Nacht und Venus hell leuchtend neben dem Mond. Diese schönen Dinge, denen ich sonst vielleicht keine Beachtung geschenkt hätte, spenden mir jetzt Trost und Zuversicht.
Ein Freund schrieb mir dieses Gedicht von David Harkins. Ich habe es aus dem Englischen übersetzt, weil es mir hilft und dir vielleicht auch:
Wir können Tränen vergießen, weil er gegangen ist,
Oder wir können lächeln, weil er gelebt hat.
Wir können die Augen schließen und beten, dass er zurückkommt,
Oder wir können die Augen öffnen und sehen, was er alles erschaffen hat.
Unser Herz kann leer sein, weil wir ihn nicht sehen können,
Oder wir können erfüllt sein von der Liebe, die er mit uns geteilt hat.
Wir können dem Morgen den Rücken kehren und das Gestern leben,
Oder wir können uns wegen gestern auf morgen freuen.
Wir können uns nur daran erinnern, dass er gegangen ist,
Oder wir können seine Erinnerung bewahren und sie weiterleben lassen.
Wir können weinen und unseren Geist verschließen, leer sein und ihm den Rücken kehren,
Oder wir können tun, was er gewollt hätte:
Lächeln, die Augen öffnen, lieben und weitermachen.
David Harkins