Mehr Deutschland – weniger Italien
Lutz Spenneberg hat ein Häuschen in Italien, aber diesmal ist ihm Deutschland lieber. Er meint: mehr Deutschland – weniger Italien. Was ihn dazu bewegt, hat er für uns aufgeschrieben.
Kürzlich war ich mal wieder in Italien. Wir haben dort ein Häuschen, deshalb bin ich jedes Jahr mehrere Monate in Bella Italia. Oben auf dem Brenner-Pass hatte ich bislang immer das Gefühl, jetzt wird alles gut: das Wetter, der Espresso, die Panini, die Pasta, der Vino, die lustigen Menschen, immer freundlich und vergnügt, nicht unterzukriegen.
Diesmal war alles anders. Das Grenzschild „Italia“ löste bei mir mehr Beklemmung als freudige Erwartung aus. Über der Talfahrt nach Bozen lag wie Mehltau ein Gefühl der Depression. Das chaotische Land südlich vom Po hat seinen Zauber verloren.
Sicher, die Toskana, meine zweite Heimat, sieht immer noch so liebreizend aus wie zu Leonardos Zeiten, Michelangelos David schmückt immer noch die Piazza della Signoria in Florenz, der Palio in Siena ist immer noch mörderisch spannend. Aber die Buchungszahlen sinken. Touristen meiden das teure Vergnügen auf dem Markusplatz in Venedig und aalen sich lieber im günstigen Griechenland am Strand als auf den teuren Liegen von Rimini oder Viareggio.
Speziell die Deutschen haben die Nasen voll. „Più Italia, Meno Germania“ steht auf den Wahlplakaten der Berlusconi-Partei „Forza Italia“. Mehr Italien, weniger Deutschland – das liest man nicht so gern. Dabei ist es gar nicht solange her, dass die Toskana-Fraktion, die Freunde Italiens in Politik und Kultur, diesen Satz ohne Bedenken unterschrieben hätte. Statt des spießigen, langweiligen Deutschland mehr Dolcefarniente, mehr Cappuccino statt Filterkaffee, mehr Pizza als Saumagen.
Ich bin sie leid, diese romantische Italienverklärung. Wer endlos auf dem Rathaus wegen eines Behördenstempels ansteht, in langen Warteschlangen auf der Post seine Steuern zahlen möchte, fünfmal zur Bank eilt wegen einer neuen EC-Karte und dort jedes Mal eine knappe Stunde warten muss, um sich dann unverrichteter Dinge wieder zu trollen. Wer wochenlang ausharren muss, bis endlich das Internet wieder funktioniert, weil der Regen die Schaltkästen unter Wasser gesetzt hat, für den hat Italia seinen Charme verloren. Auf einmal wirken die italienischen Politiker wie aufgeblasene Maulhelden, die schmucken Carabinieri wie tölpelhafte Landpomeranzen aus dem Mezzogiorno, wo sie tatsächlich auch meistens herstammen.
Nichts geht voran, nur die Korruption wird immer schlimmer, wie gerade wieder bei der Expo 2015 in Mailand aufgedeckt. Millionen, ja Milliarden flossen in die Hände von gierigen Parteibonzen, von denen manche schon mal wegen Bestechlichkeit vor Gericht standen. Es ist zum Verzweifeln.
Mehr Deutschland, weniger Italien – wir wollen jetzt unser Haus verkaufen.
Von Gastautor Lutz Spenneberg.
Foto: Pixabay
Illu: Ela Mergels. www.elaela.de
Den obigen Blogeintrag kann ich nur unterschreiben. Italien finde ich nach wie vor wunderschön – vor deutschem Hintergrund. Ich habe in Italien studiert und wollte eigentlich dort bleiben. Aber am Ende bin ich gerne wieder nach Deutschland zurück gekommen. Wenn man lange genug im Ausland war (ich habe auch in England gelebt), dann kann man das Gemeckere über Deutschland nicht mehr verstehen. Um nur einige Punkte aufzugreifen: Unpünktliche Züge? In vielen Ländern fängt Unpünktlichkeit bei zwei Stunden Verspätung an. Zuviel Bürokratie? Da muss man diese nur mal in Frankreich ausprobieren. Und selbst das Argument mit dem Wetter zieht nicht mehr so richtig. Ob man sich darüber allerdings freuen soll…..