Sex als Alibi
Denkt Ihr auch an die Frauen, die ihre Partnerschaft stabilisieren und harmonisieren möchten, fragte uns eine Freundin, als sie hörte, dass ohfamoos.com entsteht. Tun wir. Hier ein Brief einer Frau, Mitte Vierzig, die gerne mit ihrem Mann noch mal starten würde. Und er? Sieht die Notwendigkeit dazu nicht.
„Ich weiß ja, dass ich mich ab und zu bei Dir ausheulen kann. Manchmal hilft das schon, und der Alltag flutscht wieder. Und es ist auch nichts Lebensbedrohliches passiert, es geht uns objektiv betrachtet gut, dies sei vorausgeschickt. Und doch lass mich mit der Tür ins Haus fallen: Ich habe Angst die Liebe meines Lebens zu verlieren, meinen Mann.
Es begann vor viereinhalb Jahren. Da war Luise* noch im Bauch und Thomas und ich wie Du uns halt auch noch kennst. Alle dachten: Was für ein Traumpaar. Waren wir ja auch… Und nun stelle ich immer mehr fest: Ich schaffe es einfach nicht mehr, meinen Mann so zu achten und zu lieben wie zuvor.
Geht er fremd? „Glaube ich nicht.“
Und er? Geht er fremd? Glaube ich nicht, und wenn wollte ich es nicht wissen. Es schmerzt schon so genug, dass unsere Liebe den Bach runter geflossen ist und es ihm gleichgültig zu sein scheint, wie unsere Beziehung läuft – solange der Rest, also die Familie, läuft – und das tut sie.
Unsere Rahmenbedingungen sind extrem gut: Finanzielle Sicherheit, Luise ein hoffentlich normales Kind, tolles Eigenheim, nette Freunde und vor allem sind wir und unsere Familien gesund. Was will man mehr, höre ich so manchen rufen!
Bin ich undankbar, wenn ich die Liebe zwischen Thomas und mir vermisse? Liegt es schlicht daran, dass ich Luise so mit Liebe bedenke, dass da einfach nicht mehr Platz für unsere Liebe ist? Glucke ich doch zu sehr???
Wo ist der Sex geblieben? Geht es anderen auch so?
Und was sagt Thomas? Bevorzugt: „Anderen geht es auch so.“ Er schaut mich dann an mit diesem ´Jetzt hör auf zu meckern-Blick´. Und oft mache ich das auch, seufze innig und kehre zur Tagesordnung zurück. Freue mich, dass wir so eine offenbar normale Familie sind; wo sich Mann und Frau eben entfremden wie alle anderen auch, wohl wissend dass alles viel schlimmer sein könnte…
Der normale Lauf der Dinge? Ich will das nicht akzeptieren. Ja, es stimmt, dass ich haufenweise um mich rum solche `Fälle´ kenne. Selbst Inga, von der ich immer dachte, sie sei eine der wenigen mit Bilderbuchehe, schrieb mir kürzlich: „Nach fünf Ehejahren dachte ich: So fühlt sich also Scheidung an. Drei Jahre später haben wir uns aber wieder gefangen.“ Gefangen im Sinne von: Liebe wieder da, oder: Liebe weg, aber so ist das nun mal?
Thomas liebt mich und Luise mit einer Grundüberzeugung, die schon fast rührend ist. Ihm gefällt vieles nicht, aber es genügt ihm. Sein Standardspruch: Es ist halt nicht alles Gold was glänzt. Er hat einen tollen Job, der ihn herausfordert, und uns, die ihm zuhause Halt geben. Ist er länger auf Dienstreise, was ab und zu vorkommt, freut er sich auf uns wie ein kleines Kind. Ich mich aber nicht (mehr) auf ihn. Jedenfalls nicht mehr so.
Unser Alltag hat so vieles aufgefressen: Alles muss zack zack gehen, jeder ist in seinem Trott und keiner sieht mehr am jeweils anderen, was er/sie eigentlich wirklich ausmacht. Und Sex? Pustekuchen. Manchmal denke ich, auch den haben wir hauptsächlich als Alibi. Für den Fall dass jemand fragt: Habt Ihr? Und wir sagen können: Ja, danke, haben wir. (Und übrigens, genug Milch ist auch im Haus.)“
Natürlich wurde der Brief zur Veröffentlichung bei uns frei gegeben. Wir, aber auch die Verfasserin, freuen sich auf Euer Feedback!
*Alle Namen im Beitrag wurden verändert.
Foto: Pixabay
Diese Thema betrifft viele Frauen und auch Männer. Mein Tipp dazu ist das Buch ‚Ein Lob der Vernunftehe‘ von Arnold Retzer. Kann ich sehr empfehlen.
In diesem Brief sehe ich viele Parallelen zu meinem Leben.
Und ich stelle mir oft die Frage, warum es so ist, dass meine Frau mich nicht mehr so liebt, wie am Anfang unserer Beziehung. Denn ich tue es nach wie vor.
Leider kann mir meine Frau auch keine Antwort auf diese Frage geben.
Unterdessen sind Kinder da, aber das tut der Liebe meinerseits keinen Abbruch. Ich muss die Liebe nicht aufteilen? Ich habe erfahren, dass es möglich ist, sie zu vermehren. Von meinen Kindern bekomme ich sie vielfach zurück, aber von meiner Frau?
Ich bin mit mir und meinem Leben zufrieden. So, wie es Thomas ja wohl auch zu sein scheint. Warum könnt ihr Frauen das nicht? Ich vermute, dass genau da das Problem liegt. Und das lässt sich nicht mit einem Buch über die Vernunftehe lösen – sorry Sonja!
Ganz im Gegenteil – wir Männer haben es auch verdient, geliebt zu werden. So wie am Anfang. Sicher gibt es mit zunehmendem Alter und Familiengröße mehr Alltagsprobleme und mehr Verantwortung. Aber das befreit nicht automatisch von der „Beziehungspflegepflicht“.
Liebe Autorin, du willst gern einen Neuanfang starten – dann tue es. Aber nicht mit einem anderen Mann oder einem Seitensprung. Sondern setz dich mal hin. Schreib mal auf, was alles toll an deinem Leben mit Thomas ist. Dann gerne noch, was dir an ihm nicht gefällt. Die erste Liste sollte bei wirklichem Nachdenken (so lese ich das aus deinem Brief) extrem lang werden. Das was man ständig hat und was das Leben angenehm macht, verliert man oft aus den Augen. Das Niederschreiben macht es aber sehr deutlich, überfordert aber die meisten Frauen schon. Leider!
Und mit dieser „neuen“ Erkenntnis siehst du dich und deinen Mann vielleicht in einem neuen Licht. Gib Gas, überrasche deinen Mann. Eine Beziehung muss gepflegt werden!
Warum du ihn nicht mehr so liebst wie am Anfang? Die Antwort wirst du vermutlich nicht in Eurer Beziehung finden, sondern bei dir selbst.
Bist DU mit DIR zufrieden?
Eine sehr schöne Anstiftung zur Diskussion, danke!!
Wir haben die Autorin schon darauf aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit ihr sagt das ohfamoos-Team zunächst mal vielen Dank für die ausführlichen Gedanken – und wir melden uns wieder…
Hier die Antwort unserer Gastautorin!
Deine Gedanken, lieber Diskussionsanstifter, haben mich angeregt tatsächlich die Pros und Contras aufzuschreiben (hey, ich habe es doch tatsächlich geschafft!! ☺) – und es stimmt: Die Liste der positiven Dinge in unserem Leben ist länger und vermutlich gewichtiger. Das erstaunt mich jedoch nicht, denn ich weiß dass ich einen sehr liebenswerten Menschen an meiner Seite habe.
Genau das ist aber doch der Punkt: Ich möchte ihn und uns nicht verlieren. Wie aber soll ich Gas geben, wenn er auf der Bremse steht? Um im Bild zu bleiben: Ich sehe gute Partnerschaften so, dass mal der eine Pilot ist, mal der andere. Mein Mann ist in unserem Familienalltag aber lieber permanent Co-Pilot.
Ich höre Dich sagen: Du lässt ihn vielleicht nicht… Diese Frage habe ich mir tatsächlich oft gestellt und ich glaube das stimmte auch zu Beginn unseres Lebens als Familie. Ja, ich war verkrampft, wollte für uns und v.a. für unsere Tochter das perfekte Leben, was zu Krampf führen muss. .. Das ist aber heute bei weitem nicht mehr so, was er ebenfalls so sieht. Warum also, frage ich nun Dich, prescht er nicht los und gibt unserem Leben neues Feuer?
Vielleicht hatte ich noch nicht DIE zündende Idee, okay, aber ich habe mehrfach versucht Dinge anders zu machen. Vielleicht sollte ich mich „einfach nur“ nicht entmutigen lassen?
Freue mich auf weitere Anregungen zur Diskussion!!
Wunderbar, für zwischendurch der Artikel! & Danke auch für die Kommentare & Perspektiven!
Ja, das beschäftigt viele von uns – Frauen. Ich fühlte mich an zahlreiche Gespräche unter Mädels erinnert und habe mich gefragt wer von „meinen“ Kandidatinnen wohl bei ohfamoos veröffentlicht :).
Mich regt es zu der Frage an: Wie schaue ich gerade auf meine Partnerschaft?
Ich nehme mir also vor, für den Rest der Woche (um es konkret zu machen und überschaubar zu halten) auf die „schönen“ Seiten unserer Beziehung & „liebenswerten“ Eigenschaften meines Süßen, den ich leider auch nicht immer so … finde, zu schauen. Am Sonntag ziehe ich mein Fazit! Jetzt bleibt zu hoffen, dass mich das nicht überfordert!
Viele Grüße
Und, liebe Nicole,
wie lautet Dein Fazit???
Wir sind gespannt, ob Du es mit uns teilst?!
Liebe Grüße, Elke
Mein Fazit zum Rest der Woche…
Vorweg soviel: Ich habe mir zwei Zettelchen (wollte nicht gleich übertreiben!) gemacht:
„Schöne Seiten der B“ (Beziehung) und „liebenswerte Eigenschaften“ (meines Süßen)
Leider sind die kleinen Zettel immer mal wieder unter Zeitungen, Büchern, Einkaufszetteln, Post o.ä. verschwunden, sodass ich nicht immer an meinen Vorsatz erinnert wurde. Vielleicht hat „Diskussionsanstifter“ ja doch ins Schwarze getroffen? Hat mich diese einfache Aufgabenstellung tatsächlich überfordert? Verliere ich im Alltag den Blick für das Positive?…
Hier nun also meine Aufstellung Zeitraum 16.-22.06.:
Schöne Seiten der Beziehung
– nicht allein im Bett zu liegen, sich nachts ankuscheln können
– gemeinsam (will auch heißen nicht allein) über dunkle Feldwege mit dem Rad vom WM-
Gucken nach Hause fahren
– Entscheidungen gemeinsam treffen z.B. in der Kindererziehung und
– bei Entscheidungen einbezogen werden (Autokauf) – Also das Auto ist mir eigentlich nicht
wirklich wichtig, gefreut hat mich aber, dass meine Meinung zählt!
Liebenswerte Eigenschaften meines Süßen, die ich in den letzten Tagen beobachtet habe:
– er ist überhaupt nicht nachtragend &
– morgens früh fast immer gut gelaunt
– nimmt sich am Abend um 22 Uhr mal eben zwei Stunden Zeit mein Computerproblem zu
lösen, während ich schon nach einer halben Stunde ungeduldig aufgebe
– die Ausrede(n): „Weißt Du das ist so eine Art Ritual für mich (die leere Kaffeetasse morgens auf
der Arbeitsplatte abzustellen, anstatt sie direkt in die Spülmaschine zu räumen), Rituale sind
wichtig!“
– geht inzwischen auch schon nachts um halb eins, ohne Diskussion und „noch ein letztes
Gläschen“, mit mir heim, wenn ich müde bin und mit Grauen ans Aufstehen am nächsten Tag
denke
– holt mich, quasi ohne Gemurre, nachts um 24:00 Uhr samt Fahrrad ab, nachdem ich mir einen
Reifen platt gefahren habe
Eine der aller-liebenswertesten „Eigenschaften“ konnte ich in der letzten Woche nicht beobachten, möchte ich aber dennoch nicht unerwähnt lassen: Er vermisst mich, sobald er oder ich allein verreist sind. Ganz schlimm wird es, wenn er in Hotels übernachten muss. Dann bin ich spätestens nach 2 Nächten „seine Traumfrau“ und ab der dritten Nacht ist er „total verliebt“ – auch dafür liebe ich ihn!
Fazit des Fazits
Gar nicht schlecht das mit den Zetteln. Macht auf jeden Fall gute Laune.
Ich bin sehr überrascht, dass es vor allem die Eigenschaften sind, die mir aufgefallen sind.
Sollten wir „kritischen“ Mädels uns ein Wochen-Post-It an den Kühlschrank kleben und die liebenswerten Beziehungserfahrungen auf diese Weise mal über einen längeren Zeitraum dokumentieren?!
In diesem Sinne – schauen wir mal, worüber wir uns freuen können.
Hallo Zusammen,
ich weiß, dass ich einen 2 Jahre alten Beitrag aus der „Versenkung“ hole.
Ich habe heute seit langem mal wieder intensiver auf der ohfamoos-Seite gestöbert (coole neue Beiträge!!) und war neugierig, was aus diesem Beitrag geworden ist.
Nicole! Ich ziehe meinen Hut vor Dir! Respekt! Und natürlich freue ich mich, dass ich Dich anstiften konnte, die Zettelwirtschaft zu entdecken.
Die Punkte die Du notiert hast sind so liebevoll beschrieben. Witzig und mit viel Gefühl!
Ich hoffe, Du bist immer noch dabei? Wenn nicht, so möchte ich Dich noch einmal ermutigen. Bestimmt gibt es neue Überschriften für neue Zettel 😉 Seit 2 Jahren ist sicher einiges passiert.
Schreib und klebe, was das Zeug hält! Die Liebe und Partnerschaft ist wunderbar.
Auch wenn ich nicht so viel Glück hatte und meine Lebensvorstellung mit meiner Frau nicht erfüllt wurde, so glaube ich fest daran, dass es die Partnerschaft, das Füreinanderdasein geben kann und eine wunderschöne Sache ist. Grundvoraussetzung ist aber (meines Erachtens) nach wie vor, dass man mit sich selbst zufrieden sein muss.
Und was ist denn aus der Autorin und Ihrem Mann Thomas geworden?
Ein Update nach 2 Jahren fände ich extrem spannend.
Viele Grüße
der Diskussionsanstifter
Wie schön – lieber Diskussionsanstifter – dass Du mich erinnerst!
Wie ein Blick ins Tagebuch, wenn ich meinen Kommentar von damals lese.
Tatsächlich habe ich die „Zettelwirtschaft“ nach meinem Experiment eingestellt. Ich wusste die kryptischn Post-its, die überall herum klebten, nicht mehr zu erklären. Ich mochte nicht zugeben, dass ich mir aufschreiben muss, was mir in meiner Beziehung gefällt.
Eine faule Ausrede! Ernsthaft: Die Idee war / ist gut und in gewisser Hinsicht führe ich sie weiter, indem ich mir andere Perspektiven erlaube. So gelingt es mir, manches humorvoll umzudeuten und tatsächlich das ein oder andere Mal mehr bei mir zu bleiben. Und ja, das trägt – ich bin zufrieden mit meiner Beziehung und mit mir, oder umgekehrt!
Wie schade, dass es in Deiner Beziehung nicht so gut gelaufen ist. Vielleicht hilft Dir Dein Tipp beim nächsten Mal selbst. Du könntest die Zettelwirtschaft vielleicht als Ritual gleich von Anfang an etablieren. Stell ich mir ganz schön vor, wenn mann/frau ab und an ein Post it am Kühlschrank findet. Wenn ich das so schreibe, vielleicht probier ich das auch noch mal aus…
In diesem Sinne, hoffe ich, dass Du nicht wieder zwei Jahre brauchst, bis Du bei ohfamoos vorbei schaust.
Gruß N.
Cool, dass dieser Beitrag immer noch kommentiert wird. Das freut uns sehr und vor allem natürlich, wie tiefsinnig hier formuliert wird.
Wir haben die Gastautorin angeschrieben und ebenfalls um einen einen neuen Kommentar gebeten. Mal sehen, was sie nach 2 Jahren zu berichten haben wird. Seid also gespannt!
Zum Thema Partnerschaft bringen wir noch im Mai übrigens einen weiteren Beitrag: Da schreibt eine andere Gastautorin darüber, wie man Liebe „kitten“ kann, auch spannend…