Enklave deutschen Kaffees
Wir befinden uns im Jahre 2014 nach Christus. Ganz Deutschland trinkt Espresso oder espressoartigen Kaffee. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Eiflern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.
Italienischer Kaffee hat in der teutonischen Gastronomie seinen uneingeschränkten Siegeszug angetreten. Von Reutlingen bis Ribnitz-Damgarten gibt es Espresso, Latte Macchiato oder Cappuccino in den unterschiedlichsten Schreibweisen. Über „Draußen nur Kännchen“ hat sich mittlerweile jeder Ironiebefähigte schon einmal lustig gemacht. So dass es draußen gar keine Kännchen mehr gibt, sondern mittlerweile eine Tasse Cappuccino zum selben Preis.
Überall, bis auf ein kleines Städtchen in der Eifel. Bad Münstereifel. In das tief eingeschnittene Tal der Erft hat sich der deutsche Filterkaffee zurückgezogen. Je nach Laune des Aufgießers und Grad des Abgestandenseins schmeckt er mal wässrig, mal bitter, aber nur ganz selten gut. Das ist nicht allein dem deutschen Kaffeepulver anzulasten, sondern hat auch viel mit seiner Zubereitung zu tun.
Wer es darauf abzielt, dem schwarzen Wachmacher das letzte Quäntchen Aroma auszutreiben, greife einfach zu folgendem Trick: Kaffee in den Filter schütten, am besten aus der Lamäng, in der verkalkten Melitta-Maschine aufbrühen lassen und dann vorneweg mal 4 Stunden auf der Aufheizplatte stehen lassen. Klappt bestimmt.
So weit so gut. Wo Heerscharen steingrau gewandeter Wanderer rudelweise einfallen, ist kein kosmopolitisches Gourmeggletum zu erwarten. Vielmehr Schniposa (Schnitzel, Pommes, Salat) und Apfelschorle, wahlweise ein Bier. Zum Eifler Apfelkuchen wird dann ein Aufgebrühter gereicht. Das hat Tradition. Das muss nicht gut sein.
Doch was ist das? Kaum hat der Deutsche gelernt, dass in punkto Lebenskultur noch was vom Südländer zu holen ist und seinen Milchschaum darum so fest schlägt, dass dieser das Zäpfchen zu Unaussprechlichem reizt, da muss er schon wieder umlernen. Aufgebrühter Kaffee ist das neue It-Getränk. Von New York („brewed coffee“) bis Berlin Mitte („brewed coffee“).
Experten schwärmen von der langen Extraktionszeit des Filterns, die mehr Geschmack und Aroma aus dem Kaffeepulver heraushole als eine Espressomaschine. Richtigangesagt sind spezielle amerikanische Filtertüten, die besonders feinporig und 30 Prozent dicker sind als herkömmliche Tüten. Sie halten angeblich noch mehr Kaffee-Sedimente und Schwebstoffe zurück.
Sedimente (von lat. sedere, sich setzen) sind Ablagerungen, deren prägnanteste Eigenschaft das Verharren ist. Und damit passen sie hervorragend nach Bad Münstereifel. Denn durch puren Eigensinn und dickfelliges Verharren ist die kleine Eifelgemeinde kulinarisch mittlerweile ganz weit vorn. New Yorker Trend-Scouts aufgepasst: Den – natürlich gefilterten – Cappuccino krönt weiterhin ein ordentlicher Klacks Schlagsahne.
ohfamoos-Gastautorin Christine Mangold ist Textnomadin und lebt in Köln. Mal als Journalistin, mal als Werbetexterin unterwegs, beackert sie Bleiwüsten, bis blühende Landschaften entstehen. Privat bestellt sie Ihren Garten und ist Mutter einer Heerschar von Blumenkindern.
Photo: pixabay
Illu: www.elaela.de
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