Flugzeuge im Bauch
Früher war ich ebenfalls viel unterwegs, und auch meine Kolleginnen reisen viel und gerne. Diese zwei Männer toppen uns aber um Längen. Max-Michael Mayer (43, ein Kind) ist geschäftlich mehr als 80 Tage pro Jahr unterwegs, Christof Wittig (45) fast 200! Wer beiden nur bei Facebook folgt, reist mit ihnen um die ganze Welt. Hier beantworten sie uns, wie sie das hin kriegen.
Wie verträgt sich das viele Reisen mit Deiner Familien/Partner-Situation?
Christof: Keine Kinder! Ich wüsste nicht, wie das mit Kindern geht, um ehrlich zu sein. Mein Partner fliegt manchmal mit, z.B. treffen wir uns in NYC, wenn ich aus Europa zurück komme. Mehrfach im Jahr gehen wir zudem zusammen auf längere Trips nach Europa und Asien. Er ist dadurch sehr eingeschränkt in der Auswahl seiner eigenen Berufsmöglichkeiten, dafür haben wir große Flexibilität, was meine berufliche Entwicklung angeht sowie viel Spaß. Für diesen Tradeoff haben wir uns gemeinsam entschieden.
Max: Wir haben uns sehr gut organisiert. Für meine Familie ist das mittlerweile ’normal‘. Ich reise meist nur interkontinental und begrenze meine Reisen, wenn möglich, auf sieben bis zehn Tage pro Reise. Das ist eine überschaubare Zeit und für meine Familie noch gut vereinbar.
Wie hält man es auch körperlich durch, permanent zwischen den Zeitzonen unterwegs zu sein?
Christof: Man gewöhnt sich total dran, allerdings habe ich auch ein paar Tricks, die für mich funktionieren, z.B. wegen Jetlag keine Panik zu schieben. Es lohnt sich clever zu buchen – mir macht es Spaß den günstigsten Tarif raus zu knobeln, möglichst viele Meilen zu sammeln und dann ein Upgrade zu ergattern. (Alle fünf Tipps s.u.)
Max: Dem Zeitzonenunterschied kann man sich nie ganz entziehen, aber für sich individuell die beste Vorgehensweise festlegen. Z.B. stelle ich mich bereits im Flieger auf die lokale Zeit des Zielortes um. Das ist etwas anstrengend am Anfang, aber das kann man ‚trainieren‘. Fliege ich transkontinental mit 9+ Stunden Zeitunterschied (das sind die meisten Trips), versuche ich einen Tag zur Regeneration am Zielort einzuplanen, beispielsweise durch Sport. Ich nehme meist ein Mountain Bike mit, jogge oder suche Ausgleich in der Gym.
Wo fühlt Ihr Euch am wohlsten?
Christof: Ich bin gerne zuhause in San Francisco. Aber ich liebe auch das Kribbeln, wenn ich im Flieger auf ein neues Erlebnis hin fiebere. Obwohl ich über 200,000 Meilen im Jahr fliege, freue ich mich jedes Mal wie ein Kind, wenn ich einen Flieger sehe.
Max: Zuhause bei der Familie, ganz klar! D.h. aber im Umkehrschluss nicht, dass ich mich unwohl fühle, wenn ich woanders auf der Welt bin. Im Gegenteil, ich fühle mich eigentlich überall wohl, nur zuhause am wohlsten.
Was löst Heimatgefühle aus?
Christof: Familie natürlich, aber auch Freunde. Wenn ich mich in einer Stadt gut auskenne, fühle ich mich zuhause und nicht in der Fremde. Wenn dann noch Freunde dazu kommen, ist es egal ob ich in San Francisco, München oder Hong Kong bin.
Max: Heimat ist da, wo die Familie ist.Toll ist, dass meine Familie bei einigen längeren Trips ab und zu mitkommt. Aber auch ohne Familie fühle ich mich auf Reisen immer wohl. Man muss entspannt an das Reisen herangehen und offen für Neues sein. Dann gibt es keinen belastenden Stress und auch kein ‚Heimweh’.
Ist das soziale Netz gerade für Vielreisende wichtig?
Christof: Ich könnte nie mit so vielen Menschen gleichzeitig im casual contact bleiben, würde also ohne viele der positiven Punkte des Reisens verlieren. Auch bin ich immer wieder überrascht zu sehen, wer gerade in derselben Stadt ist. Ich treffe unterwegs nicht nur die, die dort wohnen, sondern auch andere Reisende. Jemand postet, dass er dort und dort hingeht, und dann passe ich manchmal meinen Flugplan so an, dass wir möglichst am selben Wochenende z.B. in Taipei sein können.
Max: Ich nutze soziale Netzwerke sehr gerne, um mich auf dem Laufenden zu halten (geschäflich wie privat). Aber sie sind nicht essentiell für mich, um Beziehungen zu Freunden aufrechtzuerhalten; jedoch eine gute Möglichkeit mit anderen während des Reisenszu kommunizieren. Gerade auf Instant Messaging Services auf meinen Reisen würde ich nicht verzichten wollen.
Manche sagen: Das kann sich nur leisten, wer richtig gute Jobs hat oder viel verdient, was ist da dran?
Christof: Richtig ist auch: Weil ich global so mobil bin und ohne große Schmerzen zwischen den Orten dieser Welt pendeln kann, kann ich einen besseren Job bekommen. Dank Internet (speziell Facebook, aber auch Kayak & Co) sowie Airline networks (Star Alliance, One World) können wir heute relativ einfach in mehreren Städten gleichzeitig leben. Das ist schon lange die Norm für ein paar Jetsetter und heute auch möglich bzw. nötig für viele „normale“ Leute, die nicht Multi-Millionäre sind. Thomas Friedman hat das toll in seinem Buch „The World is Flat“ beschrieben. Manche mögen das grausam finden. Für mich ist das die opportunity of a lifetime: Ich kann machen, was früher nur einer ganz kleinen Elite vorbehalten war.
Max: Ich verstehe dieses häufige internationale Reisen als ein besonderes Privileg. Das wir auch den Kollegen, die das wollen, bei uns im Unternehmen bieten. Virtuelles Arbeiten, also das orts- und zeitunabhängige Arbeiten, ist der Standard dafür und Teil unserer Unternehmensphilosophie. So haben wir Kollegen, die alle paar Monate von woanders auf der Welt aus arbeiten – aktuell und temporär aus Vancouver, Panama, Brasilien und Australien. Klar ist aber auch, das kann sicher nicht in jedem Unternehmen in diesem Ausmaß praktiziert werden. Eine Cloud-Infrastruktur für alle Belange im Unternehmen bereitzustellen ist unabdingbar. Das wichtigste ist aber Vertrauen zueinander im Team zu haben. Man muss sich aufeinander verlassen können, egal wo und in welcher Zeitzone man sich gerade befindet. Natürlich muss man zudem erfolgreich sein – auch günstige Flüge kosten Geld …
Christof Wittig ist Gründer und CEO von LiquidM. Der Software Entrepreneur hat zuvor Servo Software (Kii), db4objects (Versant), und APSIS (conject) gegründet, geleitet und verkauft. Als Seed-Investor ist er besonders im Bereich mobiler Apps engagiert, u.a. Metago, Enish, KeepSafe, Hornet und App Annie. Seinen Master machte er an der Stanford Graduate School of Business, seinen Dipl.-Ing. an der TU München. (http://www.crunchbase.com/person/christof-wittig)
Max-Michael Mayer ist Mitgründer und Managing Director von Propertybase. Mehr auf seiner persönlichen Website: http://www.maxmichaelmayer.de/about/
Hättet Ihr es gewusst?
- Es gibt einen `Club of Most Traveled People´, ein Mitglied sagte kürzlich im Interview: „Bei mehr als einer Nacht am selben Ort scharre ich mit den Hufen.“ Er reist, um irgendwann abtreten zu können „ohne das Gefühl, hier etwas verpasst zu haben.“ Anders als Christof und Max reist er aber, um „politisch interessante Objekte“ kennenzulernen und liebt die alten Handelsrouten, auf denen er gern mit eigenem Geländewagen unterwegs ist.
- Ganz besondere Reisende findet Ihr hier: https://www.facebook.com/LegoTravellers?fref=ts
Christofs 5 Tipps für die, die viel reisen müssen:
1) Don’t panic wegen Jetlag. Keep Calm and Carry On. Manchmal bin ich müde und schlafe am Nachmittag eine Stunde, manchmal mache ich meine Mails um 3am. Aber das ist immer seltener. Wenn man einfach das Jetlag ignoriert dann geht es weg … Echt!
2) Fliege Flat bed, wenn immer möglich. Ein großer Teil des Stresses kommt vom Lack of sleep wegen Lack of bed. Ich benutze Mileage Upgrades und clevere Ticket Buchungen, um so viel wie möglich Longhaul im Flatbed zu machen. Das ist oft billiger als man meint, braucht aber viel Expertise beim Buchen. Mir macht das Spaß den günstigsten Tarif raus zu knobeln, möglichst viele Meilen zu sammeln und dann das Upgrade zu ergattern. Z.B. Cathay upgraded seine Statuskunden immer, wenn der Flug überbucht ist. Also stelle ich sicher, das ich immer auf den vollsten Flug komme, den es gibt. Der Seating Chart verrät Dir das …
3) Hubs finden, in denen man sich so zuhause fühlen kann wie in der eigenen Stadt. Ich reise 80 Prozent meiner Zeit in solche Städte. Dort habe ich die U-Bahn Karte, die lokale Currency, oft eine Fastpass immigration permission, eine SIM Karte, meine Lieblingsgegend für ein Hotel und meine Stammstrecke zum Rennen. Nie brauche ich einen Stadtplan. Immer habe ich Freunde und Bekannte, mit denen ich ausgehen kann. Wenn ich nach Tokyo oder London komme, ist das so als ob ein Münchner aus Schwabing nach Pasing geht. Irgendwie anders, aber eben doch vertraut.
4) Fliege immer nach Westen. Das ist wie lange aufbleiben und ich genieße, wenn der Tag 25 Stunden oder mehr hat! Da die Erde rund ist und ich viele Freunde und Business in Asien so wie in den USA und Europa habe, geht das auch.
5) Ein Gläschen Rotwein hilft beim Einschlafen. Tabletten nehme ich nie.
Interview: Elke Tonscheidt
Fotos Max-Michael Mayer, Christof Wittig
Das klingt mir alles etwas zuuuu positiv 😉
Wo sind die Schattenseiten?
Ich bin nicht so auf Schatten sondern mehr auf das Licht fokussiert 🙂
Natürlich hat all das seinen Preis, zB. erwähnte ich dass es wohl nicht so leicht mit Familie geht. Auch kosten natürlich die Fluege was und nicht jedes Budget kann das unterstützen.
Ob es Schattenseiten gibt? Das hängt davon ab warum und mit welcher Intention man (viel) reist/fliegt.
Natürlich bedeutet viel reisen getrennt von Famile und Freunden zu sein. Es bedeutet auch, dass man dem Jetlag ankämpfen muss (wir reden hier im Blog über interkontinentale Reisen, nicht über das day-to-day hopping in Deutschland oder Europa).
Mancher mag das viele interkontinentale Fliegen als Belastung ansehen, andere als die Möglichkeiten Anderes/Neues kennen zu lernen.
Wenn das Vielreisen nicht mit einem selbst oder der Familie vereinbar ist, dann sollte man Konsequenzen ziehen und das ändern.
Vielreisen/Vielfliegen ist per se nicht erstrebendswert (auch wenn uns das viele Meilen-Programme einreden). Im Endeffekt muss man sich die Frage stellen: Warum? …Das muss jeder für sich selbst beantworten! Ich habe das vor langer Zeit getan und will das interkontinentale Reisen nicht missen.
@garbeam: Ein Freund von mir schrieb mir nach der Lektüre Ähnliches, sprach v.a. die Umweltverschmutzung an, wenn man so viel per Flugzeug reist. Deshalb danke dass Du so offen nachfragst – ich habe Max und Christof gebeten selbst zu antworten, nehme an, sie werden sich in Kürze melden.
Da ich das Interview gemacht habe: Hab mich selbst gefragt, warum ich nicht explizit nach Schattenseiten etc. gefragt habe. Der Grund ist: Man liest überall ja meist Negatives, uns von ohfamoos geht das ziemlich auf die Nerven. Deshalb bemühen wir uns, in unserem Blog mehr das Positive herauszustellen. Natürlich wissen wir, dass es überall Schatten gibt, wollen aber bewusst Dinge zeigen, denen man letztlich etwas Gutes, zumindest etwas Besonderes abgewinnen kann. Dass Christof z.B. auf diese Weise seinen weltweiten Freundeskreis pflegen kann, fand ich faszinierend.
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