Stichwort: Nummernschilder. Wieso sind Menschen eigentlich so sehr davon beseelt, persönliche Details auf ihrem Kfz-Kennzeichen zu Markte zu tragen? Ihre Initialen oder die ihrer Kinder, ihr Geburtsdatum oder die Branche in der sie sich betätigen, ihre Lieblingszahl oder die relevanten Nummern in der kabbalistischen Zahlenmystik?

Wenn eine Zahl auf dem Nummernschild mit 19 beginnt, kann man mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass hier ein Geburtsjahr dokumentiert werden soll, das ansonsten eher peinlichst verschwiegen wird. Geht es darum voranschreitender Demenz ein Schnippchen zu schlagen, indem man sich clevere Eselsbrücken baut? Oder möchte man seiner Umwelt die eigene Bedeutsamkeit vor Augen führen?

Die Egomanen unter den Auto-Numismatikern branden ihre Zumeist-Luxus-Schleuder gerne mit den eigenen Initialen und der Abkürzung ihrer Zumeist-eigenen-Company. So wird das Auto zum fahrenden Werbeschild, und jeder Hintermann im Stau zum Zeuge der eigenen Relevanz. Das Nummernschild des BMWs vor Ihnen lautet K-PR 1964? Jetzt wissen Sie, wie alt die Agenturinhaberin ist.

Das Mitteilungsbedürfnis am Auto geht aber noch viel weiter. Wir wissen wie die Säuglinge und Kleinkinder an Board heißen: nämlich Jermaine Logan oder Janique Loane (chantalismus.tumblr.com). Je nach Kfz-Neuanschaffungs-Potenzial und Wille der Eltern noch weit über das Babystadium hinaus. Und auch die Gegenspieler greifen beherzt zum Aufkleber. „Keine Kinder mit saublöden Namen an Bord“, heißt es da.

Wir wissen, wo Autobesitzer am liebsten Urlaub machen. Zum Beispiel auf Sylt, dokumentiert durch den Umriss einer Insel. Früher hatte ich den immer für die verunglückte Zeichnung einer Tänzerin gehalten … Hartnäckige Sturmfluten und abbröselnde Gestade dürften ihm zudem bald eklatant zusetzen, sprich verändern. Auch den korsischen Maurenkopf mit weißer Stirnbinde findet man auf so mancher Heckklappe. Früher häufiger als heute, denn auch die favorisierten Urlaubsorte von Oberstudienräten sind gewissen Moden unterworfen.

Wer sich nicht traut, Tribals und andere ornamentale Verwirrungen auf der eigenen Haut zu Markte zu tragen, greift zum Auto-Tattoo. Flammen, Blümchen, Arabesken – dem dekorativen Erfindungsreichtum scheinen keine Grenzen gesetzt. Besonders beliebt bei Tierliebhabern: Pfotenabdrücke mit Kratzspuren. Das ist sinnvoll, denn echte Kratzspuren fallen so weniger ins Gewicht.

Was auch immer auf dem Auto dokumentiert wird, letztlich geht es darum, sich der eigenen Individualität zu versichern, Einzigartigkeit zu beweisen und sich aus der Masse der Clios, Puntos oder Picantos herauszuheben – und wenn es durch das eigene Geburtsdatum ist.

ohfamoos-Gastautorin Christine Mangold ist Textnomadin und lebt in Köln. Mal als Journalistin, mal als Werbetexterin unterwegs, beackert sie Bleiwüsten, bis blühende Landschaften entstehen. Privat bestellt sie Ihren Garten und ist Mutter einer Heerschar von Blumenkindern.

Illu: Eva Mergels. www.elaela.de