Der Duft der Blumen – Sydney nach der Geiselnahme
Sydney. Central Business District (CBD). Dieses Bild geht um die Welt: Blumen im Gedenken an eine schreckliche Tat, die Geiselnahme im Café Lindt. Kürzlich wurden sie abgeräumt, offizielle Begründung: Schlechtes Wetter. Grund genug noch einmal zu reflektieren, denn ich war zur Tatzeit ganz in der Nähe des Tatorts…
Der Schock sitzt mir selbst noch immer in den Knochen: Zur gleichen Zeit, als die Geiselnahme ihren Lauf nahm, war ich mit meinem Sohn in einem Museum ganz in der Nähe des Cafés, also mitten im Geschäftsviertel Sydneys (CBD).
Das Museumspersonal nähert sich den Eltern, klärt uns leise auf. Siege (Geiselnahme) und hostage (Geisel) gehörten bis dato nicht zu meinem englischen Wortschatz. Und dabei bin ich schon acht Jahre hier.
Ich versteh nur die Hälfte, setze mich wieder zu meinem Sohn und beschäftige mich ihm. Doch die Gedanken schießen kreuz und quer durch meinen Kopf. Wir sind eingeschlossen, alle öffentlichen Gebäude in der Innenstadt folgen einem sogenannten „Lock Down Scenario“. Keiner darf mehr raus aus dem Museum und schon gar nicht mehr rein.
So langsam setzt sich die Nachricht bei mir. Ich sehe die Angst in den Augen der anderen Menschen um mich herum. Was passiert wohl als nächstes? Soll es das gewesen sein? Unser Leben, beendet durch Terror?
Ich bespreche mich am Telefon mit meinem Mann. Die große Brücke, die Verbindung zum Norden der Stadt, wo wir wohnen, ist zu. Fähren nach Manly fahren aber noch. Die weltbekannte Oper, ebenfalls direkt in der Nähe, wird gerade evakuiert. Unser Gebäude kommt als nächstes dran. Was tun? Meine Tochter muss von der Schule abgeholt werden. Ist die Schule überhaupt ein sicherer Ort?
Mein Sohn bekommt von all dem nichts mit. Wir erhalten die Erlaubnis gehen zu dürfen, werden aber aufgeklärt, dass wir nicht wieder ins Museum rein kommen können. Risiko.
„Dennoch schnappe ich mir meinen Sohn, verspreche ihm alles, nur dass er zügig läuft.“
Die sonst überfüllten Straßen sind leer. Wir erreichen das Schiff, das uns nach Manly bringt. Die Schlange ist lang, aber wir schaffen es noch. Ich lasse mich in den Sitz fallen. Die Stimmung auf der Fähre ist mehr als gedrückt. Die Stadt hat heute ihre Unschuld verloren!
In einem bewegendem Interview spricht Thomas Zinn, der langjährige Lebenspartner des bei der Geiselnahme in Sydneys Café Lindt getöteten Tori J., im australischen Fernsehsender Channel 9 über den Verlust.
„Er (Tori) hat es geschafft, dass unsere Stadt nach Blumen riecht. Ich glaube, er hätte sich nichts Schöneres vorstellen können.“
Mein Sohn und ich sind mit dem Leben davon gekommen. Ich hatte nur Angst; wir waren aber Gott sei Dank weit genug entfernt, wenn auch dicht dran. Viele Menschen können – gerade jetzt zu Weihnachten halten ja viele Menschen inne – nicht fliehen; oder wenn sie fliehen, wissen sie nicht wohin oder was sie dort, wo sie ankommen, erwartet.
Wie wichtig Frieden ist, erschließt sich manchmal in einem so kurzen Moment, wie ich ihn letzte Woche erlebt habe.
Text: Melanie Blankenstein
Foto: www.news.com.au
Ihr beide habt Glück im Unglück gehabt. Gott sei Dank! Trotzdem hat mich dieser Beitrag zu Tränen gerührt / berührt….
Danke Heidi! Wir sind jeden Tag dankbar.