Tierisch komisch – ein Buch für Väter und Kinder
„Das Buch ist einfach ungewöhnlich. Eigentlich ist es gar keine richtige Geschichte. Mehr eine Sprachschöpfung mit unglaublichen Wortkreationen und wunderbaren Verschachtelungen.“ Der das sagt, ist Martin Reents, Vater dreier Jungs. Er hat das Kinderbuch Abenteuer am Küchenherd von Stefan Thorwesten (vor)gelesen.
Darin geht es um Schlangengelee und einen auseinander brechenden Tiger, der zu Mus gemixt wird. Auch erste Starköche und andere Promis haben sich bereits unter die Leser gemischt. Also gar kein Kinderbuch?
Um es vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist schlicht nicht einfach. Manche, die ich um ihre Meinung gefragt habe, finden es klasse; andere, vor allem Mütter, gucken erstaunt, um es diplomatisch auszudrücken.
Den Autor überrascht das nicht. Er liebt die Satire und findet, dass sich auch Kinder mit komischen Geschichten auseinander setzen können. So sagt der Münchner zum Beispiel trocken: „Der Szenenwechsel von der Beerdigung quasi in die Schlachterei unter Einsatz einer Tigermühle mag drastisch erscheinen, das Gewerbe einer Metzgerei funktioniert aber seit jeher nicht anders. Die gezeigte Tigermusgewinnung ist keineswegs gegen die Fleischproduktion gerichtet, sondern stellt ganz nüchtern den Umstand dar, dass niemand umhin kann, bei der Fleisch- und Wurstherstellung tierisches ‚Material‘ zu zerschneiden oder zu zerkleinern.“
Worum geht es genau bei diesem ‚Gemetzel’? Um ein streng geheimes Schlangengelee-Spezialrezept zweier Meisterköchinnen. Die eines Tages beschließen, das berühmte Gelee durch ein mitserviertes Tigermus zu verfeinern. Um das neue Rezept endlich umzusetzen, müssen sie sich einen toten Tiger beschaffen. Bevor ein Zirkus einen schickt, pflanzt sich der Tiger noch fort, so dass am Ende des Märchens vier neue Tiger leben. Denn wenn sie nicht gestorben sind, …
Als ich selbst in das Buch Thorwestens schaue, bin ich zugegebenermaßen etwas irritiert. Strichmännchen, OK, regen die Fantasie an. Aber ein Tiger, der in der Mitte zerreißt und die Nacht zuvor mit einer Tigerdame absteigt? Schon gewöhnungsbedürftig. Oder wie sagt eine Kindergärtnerin, der ich das Buch zeige: „Müssen Tiger denn direkt auseinander reißen und später in einem Mixer enden?“
Ich befrage noch mal den Vater der drei Jungs (s. Foto). Er beschreibt sein Lese-Erlebnis so: „Wir haben uns das Buch gegenseitig laut vorgelesen. Erst ich, dann unser 11jähriger, dann unser 9jähriger. Und jeder staunte dreimal: Steht das da wirklich? Vor allem die eingebauten Zungenbrecher waren witzig, aber am Ende haben wir uns alle zusammen gefragt: Nanu, ist das wirklich ein Kinderbuch?“
Kein Kinderbuch, ein Väterbuch vielleicht? Also eins, das gerade Väter gern vorlesen? Genau das glaubt auch Thorwesten, der selbst Vater einer elfjährigen Tochter ist: „Väter können dann nicht nur von der Welt und den Tieren erzählen, sondern auch mal Schauspieler sein und Zungenbrecher üben.“ Tatsächlich heißen die Hauptdarstellerinnen aus dem Ort Niedernudelbrunn Gurgelgruber und Grubengurgler und sind befreundet mit den Damen Strudelstürmer und Sturmstrudler. Außerdem, so Thorwesten, biete der Inhalt viele Ansatzpunkte, die zu Gesprächen zwischen Vätern und Kindern anregen.
Stimmt, sagt Reents, der die Geschichte in die Rubrik „literarisch anspruchsvoll“ einsortiert. Er vermutet sogar einen „Trick“: Vielleicht wolle der Autor „Kinder der Computerzeit, die sonst nur noch 3-Wort-Sätze lesen, zu etwas ganz anderem, etwas Literarischem verleiten?“ Das sei zumindest in seiner Familie „wunderbar gelungen“.
„Man muss es selbst und laut lesen. Während man sich mit den Zungenbrechern abmüht, wird man unmerklich in eine Geschichte gezogen, die so merkwürdig ist, dass man gar nicht zum Urteilen kommt – und schon ist sie wieder aus. Eine Viertelstunde Staunen. Meine Kinder lieben es.“ (Martin Reents, Vater dreier Jungs in Miesbach)
Eine Freundin von mir, Pädagogin und dafür bekannt, gern auch einmal schräge Sachen auszuprobieren, ist nicht ganz so euphorisch. Sie findet die Geschichte „einfach zu merkwürdig“, hält das Märchen sogar eher für Erwachsene geeignet. Ihr sind auch die eher karg gehaltenen Illustrationen, manchmal nur schwarz-weiß, zu schwach. Thorwesten hat sich jedoch bewusst dafür entschieden und meint: „Es gibt von Tieren und menschlichen Figuren in Märchen und Comics häufig sehr detailgenaue oder gekünstelte Abbildungen, die sich für eine eigene kreative Gestaltung oder Abwandlung von Kindern nur schwer erfassen lassen. Die Bilder meines Buchs dagegen mögen genau dies fördern.“
Thorwesten hat seiner Tochter das Kinderbuch-Manuskript zum 9. Geburtstag geschenkt. „Megan hat sich danach intensiv damit beschäftigt, wie Tiger leben, wie Tiger im Zirkus leben und warum Tiger dort Stress haben.“ Manche orange-rote Marmeladensorten sorgen in der Familie Thorwesten noch heute dafür als ‚Tigermus’durchzugehen, lacht der Autor und: „Das sorgt dann manchmal für Gekreische à la ‚wie widerlich!’“
Übrigens: Der Twitter-Account ‚Gurgelgruber’ erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit auch unter Prominenten. Mögen Promis vielleicht besonders gern Skurriles? Der Schauspieler René Ifrah gehört jedenfalls genauso dazu wie Eventkoch und Winzer Marcus Schneider oder der Comedian und Kabarettist Manuel Wolff. Auch Jazzpianist Nick Shankland und der Maler Vincent Keeling sind mittlerweile sogenannte Follower.
Ich empfehle das Buch nicht jedem. Denen aber, die mal etwas Skurriles ausprobieren möchten und Zungenbrecher lieben, lege ich es durchaus ans Herz.
Text: Elke Tonscheidt
Illu: Stefan Thorwesten; Foto: privat
Abenteuer am Küchenherd mit Frau Gurgelgruber und Frau Grubengurgler aus Niedernudelbrunn
2014
Hardcover: 21 × 14,8 cm, 28 S.
ISBN 978-3-8316-1785-2
18,80 Euro
http://www.literareon.de/shop.php?bn=41785
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