Mein Freund, der Baum – hat mir gemailt!
In meiner kleinen Vita hier auf ohfamoos steht, dass ich wilde Gärten liebe. Dazu gehören auch und zentral: Bäume. Habt Ihr Euch schon mal eine Welt ohne Bäume vorgestellt? Grau und grausam. Umso schöner finde ich die Aktion, auf die mich Melanie aufmerksam machte: In Melbourne gibt es ein Projekt, da kann man Bäume anschreiben! Wie bitte? Eine Mail an einen Baum? Ja – und das hab ich natürlich sofort ausprobiert…
Am 21.2., um 9.55 Uhr maile ich Folgendes:
Hello Lemon Scented Gum,
from my friends in Australia I heard from this fantastic urban forest project. So I participate with pleasure!! I’m planning to write about it in my blog. So give me some interesting facts about you!
Thanks in advance, E.T. from Germany
Die Antwort folgt prompt – in Form einer „Thank you for contacting“-Mail. Darin heißt es eine Minute später:
Thanks for contacting the Urban Landscapes Branch at the City of Melbourne.
Your feedback has been received, should you require a response you’ll hear from a team member shortly.
Hm, denke ich, das wird es vielleicht gewesen sein. Zumindest hatte ich das Ganze vergessen im Alltag. Aber mir fiel wieder ein, dass ein Nachbar kürzlich einen in voller Blüte stehenden Ginkgo Baum so beschnitten hat, dass ich zunächst annahm, er holzt ihn ab …
Und ich dachte: Schade, in Ostasien verehrt man einen Ginkgo als Tempelbaum, hier werden sie beschnitten. Ob der sich noch mal erholt? (Anmerkung: Der Nachbar hat alles gut gemacht, denn der Baum hat sich tatsächlich erholt!)
Die australische Aktion gefällt mir jedenfalls sofort! Und wirklich, 17 Tage später, erhalte ich tatsächlich eine Mail von „meinem“ Baum in Melbourne, sogar in bestem deutsch!
Hallo Elke,
Vielen Dank für deine Email. Ich fühle mich sehr geehrt, zum ersten Mal bekomme ich eine Nachricht aus Deutschland.
Ich heiße Lemon Scented Gum, da ich einen sehr intensiven Zitronen Duft verbreite. Meine Baumsorte ist in ganz Australien weit verbreitet und sehr beliebt. Ich habe einen hell leuchtenden, weißen Stamm und meine Blätter hängen anmutig nach unten.
Ursprünglich kommt meine Baumsorte aus dem Norden New South Wales und aus Queensland. Aber mir gefällt es auch sehr gut im kühleren Melbourne, ich wachse und gedeihe hier hervorragend. Da ich allerding frostempfindlich bin, kann ich leider nicht in Deutschland wachsen.
Bitte richte den Linden und Eichen in Deutschland viele Grüße von mir aus.Dein Lemon Scented Gum
Ist das nicht großartig? Nun müsst Ihr wissen, ich lebe ja in Düsseldorf und da hat Pfingsten 2014 der Gewittersturm ‚Ela’ gewütet: Rund 40.000 Bäume hat Düsseldorf dadurch verloren! Eigentlich könnte man sich hier am Rhein die Aktion down under mal anschauen… Wir finden sie jedenfalls stark. Nicht nur, weil sie so kommunikativ ist. Das ist ja nur das eine.
Das andere ist: Vielen der 70.000 Bäume in Melbourne geht es auch nicht richtig gut. Deshalb eben auch die Aktion. Schaut Euch mal die Website an, man sieht den Baumbestand online und auch, in welchem Stadium sich die Bäume befinden. Einige stehen zum Beispiel kurz vor ihrem Tod: „due to a combination of age and the combined stresses of etended drought, extreme heat and water restriction“, wie es heißt.
Ich drücke weiter auch „meinen“ Bäumen die Daumen. Habe ja jetzt zwei: Einen Lemon Scented Gum in Australien, dem es „hervorragend“ geht, und einen Gingko in Angermund (so heißt das Stadtviertelchen hier in NRW).
- In Melbourne hat man 2015 begonnen, mit und in einzelnen Stadtteilen sogenannte „tree planting plans“ aufzusetzen. Etwas Ähnliches gibt es auch in Düsseldorf, hier heißt das Programm Baumpatenschaften.
- Die Melbourne Map mit den „individual tree data“ findet Ihr hier!
Text: Elke Tonscheidt
Foto Ginkgo: Elke Tonscheidt
Foto Lemon Sented Gum tree: www.peasoupoftheday.blogspot.com.au
1982 – also vor mehr als 35 Jahren – stellte Joseph Beuys auf der documenta 7 in Kassel sein Kunstwerk „Stadtverwaldung“ vor. Inzwischen sind die meisten der 7.000 in Kassel gepflanzten Eichen schon ziemlich groß, an den daran aufgestellten Granitsteinen haben sich sicherlich auch einige Autos einige Beulen geholt. Und die Stadt ist herrlich grün geworden.