Männer weinen wie blöde
Kennt Ihr noch den Song Männer? „Männer weinen wie blöde, Männer brauchen viel Zärtlichkeit“ und so weiter. Nein, den Grönemeyer habe ich nicht getroffen. Aber einen alten Freund, der im Laufe des Abends sagt: „Ich habe wirklich alles verpasst.“ Er sagt das richtig traurig. Und ist zugleich heilfroh, heute wenigstens etwas aufgeholt zu haben. Seine Kinder sind nun beide fast auf dem Gymnasium; seit der Schulzeit hat sich viel geändert, aber in den ersten 4 Jahren: Fehlanzeige. Michael bereut das sehr: „Ich sage gern jedem Vater, der trotz Vaterschaft einfach weiter macht: Verändere was! Auch Zeit an Wochenenden reicht nicht. Was wirklich zählt, ist, im Alltag dabei zu sein.“
Unvereinbarkeit von Familie und Job solch ein Männerthema? Ja, sagen die Autorinnen von „Die Alles ist möglich-Lüge“. Warum? Weil immer mehr Männer darunter leiden würden, eben nicht nur die Frauen. War das nicht ein kleiner Skandal, als kürzlich einem Vater, der aus seiner Elternzeit zurückkehrte, gekündigt wurde? Fanden viele ausgesprochen schäbig, aber wie kommentierte eine Freundin? „Schon heftig, wie das beachtet wurde – geht es Frauen nicht permanent so? Und wer schreibt darüber?“
Fakt ist: Männer, die ihre eigene Ambitionen jahrelang für die Familie zurückstellen, während Mütter Karriere machen, bleiben auch 2015 die Ausnahme. Gerade mal 5 Prozent steigen richtig aus, nur 7 Prozent der Väter beantragen wenigstens für 1 Jahr Elterngeld.
Was viele Väter heute mehr nutzen, sind die zwei Monate, die der Staat spendiert – dabei bleibt es dann aber auch. Ich beglückwünsche jeden Mann, der acht Wochen Elternzeit beansprucht, denn um noch einmal Susanne Garsoffky und Britta Sembach zu zitieren: „Immerhin tragen sie dazu bei, dass eine neue Art von Väterlichkeit überhaupt gesellschaftsfähig geworden ist.“
Papa im Krabbelkurs neben 10 Mamas. Heute zum Glück nicht mehr selten. Auch wenn mein eigener Vater den wenige Wochen alten Enkel mit den Worten bestaunte: „So ein Baby ist ja richtig Arbeit!“ Das war 2010, darüber lachen wir mittlerweile gern. Ich vermute, nicht wenige Opas denken heute darüber nach, wie allein ihre Frauen damals waren…
Michael jedenfalls, der traurige Papa vom Anfang, hat einiges verändert, um wenigstens heute mehr Anteil zu haben. Eine Pendel-Beziehung an zwei Wohnorten schließt er mittlerweile kategorisch aus, er will mit den Kindern unter einem Dach leben. Purer Papa-Egoismus? Ist er die Rolle „Papa light“, wie Garsoffky/Sembach sie nennen, einfach leid?
„Für-kurze-Zeit-Vollzeit-Vater“ nennen die Journalistinnen das heute „schicke und zeitgemäße Modell“, vergleichen es gar mit einer Rolle, „in die Mann gerne schlüpft, sie aber wieder ablegt wie einen zu warmen Mantel, wenn der Frühling kommt“.
Wie also mehr Teilzeit schaffen, um Job- und Familienleben endlich besser in den Griff zu kriegen? Das frage ich Christine Henry-Huthmacher, die Koordinatorin für Bildungs-, Familien- und Frauenpolitik bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie wiegt bedächtig den Kopf. Natürlich weiß die Mutter dreier Söhne nicht nur, dass Frauen heute immer noch schlecht Teilzeitarbeitsstellen finden; und wie sich die Karten derer verschlechtern, die länger als ein Jahr raus sind. Noch krasser aber werde bald die Erfahrung derer, prophezeit die erfahrene Forscherin, die in Rente gehen und dann realisieren: DAS bleibt übrig von dem, für das ich gearbeitet habe? „Teilzeit darf nicht in einer Falle enden“, mahnt Henry-Huthmacher seit langem.
Alles also wirklich eine große Illusion? Arbeit und Familie sind nicht zu vereinbaren, und wenn, dann bleibt entweder zu wenig übrig und/oder wir zahlen alle den Preis der totalen Überforderung?
Studien wie jüngst eine von Roland Berger postulieren richtig: „DIE NEUE VEREINBARKEIT – Warum Deutschland einen Qualitätssprung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht!“ Leider finden auch deren Autoren heraus: Fast 80 Prozent der befragten deutsche Topmanager sind in ihrer Personalpolitik und Führungskultur nicht gut vorbereitet! Denn zur neuen Vereinbarkeit gehöre, Stichwort Väter, eben auch, dass diese „nach der Geburt eines Kindes ihre Arbeitszeit reduzieren können, ohne einen Karrierebruch zu erleben.“
Hilft tatsächlich nur: Auch Männer müssen als Väter erfahren, wie es ist, ihre Karriere schwinden zu sehen? Packen wir es erst dann gemeinsam an, Jobs so zu teilen, dass alle zufrieden sind? Michael hat noch keine Karriereeinbuße durch seine Kinder erlebt. Er ist knapp über 50, hat einen guten Job, die Frau jobbt als Selbständige. Aber auch er, ein konservativer Geist, spürt mittlerweile die Relevanz. Was er als Manager in Führungsposition bereit ist beizusteuern, das Arbeitsleben so zu gestalten, dass Frauen wie Männer sowohl produktiv als auch zufrieden sind, muss ich ihn beim nächsten Treffen dringend fragen…
Wusstet Ihr?
Seit kurzem gibt es das Buch ‚Geht alles gar nicht: Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können’ auf den Markt. Nun schreiben zwei Männer. Ein Resümee der beiden Journalisten veröffentlichte die ZEIT: „Es gibt keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Wer es versucht mit Kindern, Ehe und Beruf, lässt sich auf ein Abenteuer ein. Ein Abenteuer, das Schmerzen und Zweifel und Grenzerfahrungen bringt. Viele scheitern daran. Aber es könnte schon eine Hilfe sein, das einmal auszusprechen, statt immer weiter die Vereinbarkeitslüge zu verbreiten. Denn auch die produziert wieder nur: Stress.“
Text: Elke Tonscheidt
Foto: Illu Ela Mergels www.elaela.de
Foto Buchautorinnen Garsoffky und Sembach: Gudrun Senger
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