Der Tag, als meine Frau einen Mann fand
Wer ohfamoos kennt, weiß: Frauenzeitschriften sind nicht so unsere Welt. Wenn ich sie lese, schätze ich vor allem die Buchtipps. In der Myself habe ich erstmals von Sibylle Bergs Roman gelesen: ‚Der Tag, als meine Frau einen Mann fand‘. Die in Zürich und Tel Aviv lebende Autorin erzählt amüsant über das Thema: Wenn die Ehe wackelt. Ihr Werk begleitete mich auf meiner Netzdiät und gerade die, deren Ehe wackelt, könnten Spaß daran finden.
Ein empfehlenswertes Buch? Der Klappentext beginnt mit zwei Fragen, die jeder kennt: ‚Ist Sex lebensnotwendig? Oder doch eher die Liebe?‘ Wer möchte da nicht antworten, uuund? Am Ende fragt man sich auf Seite 254, was Sibylle Berg wohl selbst darüber denkt. Die Frau des Ehepaars, das Berg beschreibt, diese Frau namens Chloe, hofft zum Schluss ihrer dramatischen Erlebnisse jedenfalls, ermattet wie irgendwie ernüchtert zugleich: „… ich hoffe, dass alles jetzt so weitergehen wird. Bleiben wird. In Ruhe.“
Wenn die Ehe wackelt…
Zuvor hatte sie sich unsterblich verliebt, wie man so schön sagt. In einen anderen Mann, denn ihrer, dieser Rasmus, der „es auch in zwanzig Jahren nicht geschafft hat, meine Klitoris zu finden“, war längst Chloes „Zuhause“ geworden. Oder wie sie es detaillierter beschreibt: „Unsere Liebe hat die Leidenschaft überdauert. Oder sie war nie da. Es ging immer um mehr. Um alles.“
Nun gibt es viele Bücher über Seitensprünge. Dieses ist anders, weil es zum einen überrascht, zum anderen – wider meines Erwartens – so hoffnungslos ist. Das Überraschende für mich war der Typ Mann, in den sich Chloe wie rasend verliebt.
„Ich würde ihn immer lieben“, denkt sie nach kurzem Kennenlernen in einem Massagesalon, „und die roten Haare auf seinem Körper streicheln, seine Wimpern ablecken. Ich verstehe das, diesen Wunsch, einen anderen essen zu wollen, ihn in sich zu haben. Es kann aber auch einfach sein, dass ich verrückt geworden bin.“
Und das Hoffnungslose? Hört sich doch ganz spannend an bislang, oder? Tatsächlich hat Sibylle Berg einen Sprachstil, nutzt Wörter und Wendungen, die es in sich haben. Manchmal aber, für meinen Geschmack, zu deftig, fast obszön. Oder könnt Ihr Euch vorstellen die Klobürste in einem Stundenhotel, irgendwo in einem Entwicklungsland, erst zu desinfizieren und dann damit zu onanieren??? Warum diese absurden Passagen? An solchen Stellen lege ich den Roman weg und denke: Ein bisschen sehr übertrieben …
… und Seitensprünge nahen
Immer wieder lache ich aber auch laut auf, das Buch bleibt faszinierend. Berg schreibt irre witzig über genau den Alltag, der uns alle in regelmäßigen Abständen so wahnsinnig macht. Zum Beispiel so:
„Ich betrachte das Meer. Es sagt mir nichts. Dieses Meeresgeglotze. Was soll denn da bitte eintreten? Demut? Erkenntnisse? Bitte schön. Die Erkenntnis in Anbetracht der Naturgewalt ist, dass ich es zu nichts weiter gebracht habe als zur Gattin eines Mannes, der gerade eine Lebenskrise hat. Theoretisch hätte ich immer gern etwas gewollt. Revolutionen anführen oder transhumanistische Versuche oder eine große Kunst. Praktisch gab es aber immer ein interessantes Buch, dass ich erst noch zu Ende lesen wollte. “
Vielleicht spürt man schon an diesen Zitaten: Gut geschrieben, aber eben auch so verzweifelt. Wenig optimistisch. Klar, das muss ein Buch über die Ehe und das Leben zu zweit sicher nicht sein … Der satte Realismus aber, den Berg fast in jedem Kapitel rüber bringt, ist mir manchmal zu viel des Guten. Oder ist sie einfacher weiter als ich, diese Chloe, die eben bereits 20 Jahre Ehe auf dem Buckel hat und deren Ehemann über sie sagt:
„… wie alt ist sie eigentlich? Fünfundvierzig? Wir haben auf meinen Wunsch hin aufgehört, unsere Geburtstage zu feiern. Manchmal scheint es mir, als ob über Nacht Dinge an ihr verschwinden, die mir lieb sind. Der Ausdruck ihrer Augen, die Grübchen in den Wangen, der feste Hintern, alles löst sich auf, und was dann neben mir im Bett liegt, ist jemand vollkommen Neues, den ich zwar mag, aber an den ich mich erst wieder gewöhnen muss. “
Ich empfehle das Buch jedem, der über sich und seine Ehe nachdenkt. Vor allen denen, die kinderlos sind oder deren Kinder mittlerweile aus dem Haus sind. Denn was kommt dann? Einige meiner Freunde, die 20 Jahre vor mir Eltern wurden, stehen heute vor genau derselben Fragen, die Chloe und Rasmus quälen. Wo werden sie landen? Wie geht ihr Leben weiter, wenn die Häuser zu groß werden und die Körper schlaffer?
Sibylle Berg liefert amüsante, manchmal rabenschwarze Anregungen zum Thema Liebe und Partnerschaft.
Text und Foto: Elke Tonscheidt
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