Das macht uns stark in der Trauer
Kürzlich hieß es: Abschied nehmen. Für immer. Von einem sehr lieben Menschen, nicht direkt Familie, aber Schelline, wie ich sie nannte, war mir nah, seitdem wir zusammen in Bonn gearbeitet haben. Was gibt uns Trost, was macht uns stark in der Trauer, wenn etwas zu Ende geht? Das habe ich mich gefragt, weil aus jeder Krise ja etwas starkes Neues erwachsen kann. Hier meine Antworten.
Der Ort.
Friedhöfe finde ich faszinierend, schon als Kind bin ich gern mit meiner Mutter und Schwester dorthin gegangen. Ich weiß noch, wie wir immer nach dem „wilden“ Hasen Ausschau gehalten haben, der dort – vermutlich nicht gerade zur Freude der Friedhofsgärtner – gern rum hoppelte. Vor ein paar Jahren habe ich ein Interview auf einem Friedhof gemacht, mit Claudia Gölz, die eine Agentur für grüne Themen betreibt. Sie sagte mir damals:
„Friedhöfe haben auch als ökologische Räume eine Riesenbedeutung. Wo in der Stadt kann man sich so ruhig draußen bewegen, hinsetzen, Bäume bestaunen oder Eichhörnchen zusehen. Wir haben es hier mitten im Sommer z.B. auch deutlich kühler.
Friedhöfe sind nicht nur für die trauernden Menschen, sie sind für das Klima einer ganzen Stadt sehr wichtig.
Stichwörter sind Luftaustausch, Temperatur, Biodiversität. Ich möchte nicht wissen, was hier im Gebüsch alles lebt, was da draußen in der Stadt keine Chance hat.“
Stimmt, denke ich heute wieder, als ich auf dem Friedhof umher wandle, wo Schelline beigesetzt wird.
Es ist beruhigend. Beruhigend zu wissen, wo ein Mensch seine Ruhestätte findet.
Aber längst nicht jeder Friedhof käme mir da in den Sinn. Friedhöfe aus Stein wie z.B. in Südeuropa wirken auf mich weniger besinnlich.
Die Menschen.
Die Rede der Pastorin, die über Schellines Leben spricht, ist unglaublich gut geraten. Sie sagt, wie schwer es ist Abschied zu nehmen. Betont aber immer wieder, dass die Liebe bleibt. Dass man betrauern darf, was war – aber sich auch erfreuen dürfe, was übrig ist. Der Mensch, seine Hülle, geht; die Seele wandert ewig. Ich hoffe mich daran zu erinnern, wenn ich wieder trauern muss. In jedem Fall war diese Frau ganz wichtig, ihre Worte so tröstlich.
Und auch zu sehen, ja zu fühlen, wer noch gekommen ist um Abschied zu nehmen. Als ich andere ehemalige Arbeitskollegen sehe, die Schelline ähnlich kannten wie ich, fühle ich mich sofort wohler. Sicher bin ich noch nicht stark in der Trauer, aber in meiner Trauer nicht allein. Da sind Menschen, die ihren Gefühlen ebenfalls freien Lauf lassen.
Die Rituale.
Es ist ein Unterschied, ob man sich für eine See- oder Erdbestattung entscheidet; auch, ob man eine anonyme Bestattung in einem Gemeinschaftsgrab wählt oder das klassische Familiengrab. Als ich mit der Friedhofsexpertin spazieren gehe, erzählt sie mir viel über ganz neue Formen letzter Ruhestätten. Auch dass viele Friedhöfe heute versuchen, mehr Leben zu integrieren. Claudia Gölz, die keine Kinder hat, sagt: „Für mich gehören z.B. Kinder auf den Friedhof. Kinder sollen so früh wie möglich merken: Das ist normal.“ Und sie wünscht sich, den Friedhof wieder näher an die Menschen zu bringen.
„Er ist ein sehr realer Ort, gerade weil heute vieles so virtuell geworden ist. Und drum herum ist vergleichbares Leid, vergleichbare Geschichte. Was mir daran so gefällt, ist dabei der Frieden mit der Geschichte.
Es ist ein friedlicher Ort, denn es ist vorbei, es ist der Lauf der Natur.“
Schelline lebt nicht mehr. Eine kleine „Bonner Institution“ liegt nun tief eingebettet in der Erde im Rhein-Sieg-Kreis. Ich möchte wieder hin gehen. Dieser Friedhof war ein Idyll, an einem Höhenweg gelegen, man kann den Blick in die Ferne schweifen lassen und – das wünsche ich vor allem Schellines Familie – an die Zukunft denken. Mit der Zurückgelassenen im Herzen.
Fotos: Sonja Ohly, pixabay
Mehr über den Friedhofsspaziergang hier in „Meine Südstadt“.